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Gartenbau: Natur und Kultur

Lehrlinge und Lehrtöchter beim Ziergartenbau. Gartenbauschule Niederlenz

Gärtner waren Männer. Junge Frauen zu Gärtnerinnen auszubilden, war vor rund 100 Jahren ein Pionierwerk der Frauenvereine.

Die Geschichte der Gartenbauschule Niederlenz im Aargau zeigt, dass Gartenbau in der Schweiz heute Zierpflanzenbau ist und nicht mehr Gemüseanbau.

Der Gärtner ist in der Literatur eine gewichtige Erscheinung. Auch wenn er beileibe nicht immer der Mörder ist. Aber wie wird jemand heute Gärtner oder jetzt auch Gärtnerin, oder genau Ziergärtnerin?

Der Beruf gehört in der Schweiz zu den “alten” Berufen. Schon im 19. Jahrhundert wurden hierzulande überall – in Städten und Dörfern – Gärtnereien gegründet. Diese benötigten Berufsleute, und so wurde 1887 in Genf die erste Gartenbauschule der Schweiz gegründet.

Niederlenz

Die erste dieser Schulen in der deutschsprachigen Schweiz entstand 1906 im Niederlenz im unteren Seetal des Kantons Aargau.

Seit nun 100 Jahren vermittelt Niederlenz jungen Frauen und Männern, wie die Gartenbauschule selber sagt, “grünes Wissen”. Wobei “grün” – so die Niederlenz-Schulleiterin und Gartenbau-Ingenieurin Brigitte Vogel gegenüber swissinfo – weniger politisch, als eher im Sinne der Farben der Blätter zu verstehen sei.

Jedes Jahr entschliessen sich in der Schweiz zahlreiche Schulabgänger, den Gärtnerberuf zu ergreifen. Zurzeit werden allein in Niederlenz in zwei Klassen je 24 Schülerinnen und Schüler ausgebildet, 14 Lehrlinge sind im Praktikum und eine weitere Schulklasse soll hinzukommen. Die Schule will zudem mehrere Lehrstellen für sozial benachteiligte Jugendliche anbieten.

Bodenhaftung

Was sind Gärtnerinnen und Gärtner für Leute? Brigitte Vogel: “Wir sind bodenständige Leute, der Mutter Natur verbunden.”

Die Gartenbauschule Niederlenz, ist – nach eigener Darstellung – “ein Kind des Schweizerischen Gemeinnützigen Frauenvereins” und feiert das Jubiläum 2006 mit zahlreichen Aktionen und Attraktionen.

Begonnen hat alles mit einem “Fahnenaufzug”. Um “Flagge zu zeigen”, wie sich die Präsidentin des Schulvorstandes Doris Lüscher ausdrückt.

Es sei nicht etwa eine weisse Flagge gehisst worden sondern drei bunte, farbenfrohe, fröhliche blumige Fahnen. Sie sollen der Öffentlichkeit die nach wie vor jugendfrische Identität dieser Ausbildungsstätte für Frauen (und seit einigen Jahren auch für Männer) signalisieren.

Ein Frauenberuf

“Früher gehörte das Erzeugen von Obst und Gemüse sowie die Gartengestaltung zu den Hauptzielen der Ausbildung”, sagt Brigitte Vogel. Da tat sich in der Schweiz eine Nische auf, in die Frauen in die Männerdomäne Gärtner eindringen konnten. Generell blieb die Berufsbildung lange Zeit ein Vorrecht der Männer.

Doch hatten die Frauenverein Ende des 19. Jahrhunderts erkannt, dass junge Frauen der Unterschicht, teils auch der Mittelschicht ins Berufsleben integriert werden müssten. Die Berufsmöglichkeiten für Frauen beschränkten sich damals auf nur wenige spezifische Frauenberufe.

Der Gartenbau habe vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg und in den Jahren der Hochkonjunktur einen gewaltigen Aufschwung erlebt und sich auch total gewandelt, sagt Brigitte Vogel. “Vom einstigen Gemüsebau ganz hin zum Blumenanbau und der Gartengestaltung.” Deshalb bildet Niederlenz heute Zierpflanzengärtnerinnen aus.

Brigitte Vogel verweist auf die zahlreichen Gärtnereien überall im Land, in denen höchstens noch Gemüse-Setzlinge verkauft werden. “Die Betriebe machen ihren Umsatz mit Blumen, Zierpflanzen und der Gartengestaltung bei Wohn- oder Geschäftshäusern.”

Gestaltete Natur

Gerade der Bauboom der letzen Jahre – hervorgerufen durch die tiefen Hypothekarzinsen – und hier vor allem der Eigenheimbau hat die Gartenbaubranche beflügelt. “Die 700 Quadratmeter beim Eigenheim müssen durch eine Fachkraft gestaltet werden”, sagt Brigitte Vogel. “Auf dieser Fläche schafft die Natur kein eigenes Ökosystem.”

Ein heutiger Garten sei eben eine fachlich gestaltete Landschaft. Ein Produkt der Natur und der Kultur. Denn die Natur – so schrieb die Fachzeitung “der Gartenbau” unlängst – sei als Grundlage für unser Überleben notwendig aber noch nicht hinreichend. “Der Mensch will nicht nur existentiell, sondern auch lebenswert und gut überleben.”

swissinfo, Urs Maurer

Der Beruf der Zierpflanzengärtnerin dauert in der Gartenbauschule Niederlenz zwei Jahre. Anschliessend folgt ein Praktikum in einer Gärtnerei.

Zierpflanzengärtner- und –gärtnerinnen vermehren, beobachten und pflegen einheimische und exotische Blatt- und Blütenpflanzen. Sie planen und bepflanzen Rabatte mit Wechselflor.

Weiter ernten und bereiten Zierpflanzengärtner- und –gärtnerinnen Schnittblumen im optimalen Stadium auf. Zu ihrer Arbeit gehört auch die Beratung der Kundschaft und der Verkauf von Pflanzen.

Ausserdem müssen sie mit Klimacomputern, Bodenfräse, Topfmaschine, Düngermischer und Registrierkasse umgehen können.

Die Schweizerische Gartenbauschule Niederlenz feiert ihr 100-Jahr-Jubiläum.

Das Jubiläumsjahr startet mit dem offiziellen Festakt am 6. Mai.

Die Tore der Gartenbauschule sind am 6. und 7. Mai für eine Besichtigung offen.

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