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Geiselnahme im spanischen Konsulat beendet

Mitglieder der Spezialeinheit vor dem spanischen Konsulat in Bern. Keystone

Eine Spezialeinheit der Stadtpolizei hat das spanische Konsulat in Bern gestürmt, wo sich drei Geiselnehmer verschanzt hatten.

Vorher hatte die Polizei die drei Geiseln in Sicherheit gebracht und ein Ultimatum ausgesprochen, das die Geiselnehmer verstreichen liessen.

Am Montag-Morgen hatten Unbekannte im spanischen Konsultat in Bern mehrere Personen als Geiseln genommen. Eine Polizeipatrouille war um 08.10 Uhr während einer Routinekontrolle aufmerksam geworden, als sie einen verletzten Mann auffand.

Kurz vor Mittag Ortszeit hatte der spanische Aussenminister Miguel Angel Moratinos die Geiselnahme im spanischen Konsulat in Bern als beendet erklärt, nachdem drei Geiseln befreit worden waren.

Die Sicherheitskräfte in Bern hatten die Angaben Moratinos über das Ende der Geiselnahme allerdings nicht bestätigt, sondern erklärt, noch befänden sich die Geiselnehmer in dem Gebäude.

Sturm nach Ablauf des Ultimatums

Man habe den Geiselnehmern ein Ultimatum gestellt, das Gebäude mit erhobenen Armen zu verlassen, hatte Polizeisprecher Jürg Mosimann erklärt.

Nach Ablauf des Ultimatums drang eine Sondereinheit schliesslich kurz vor 14 Uhr in das besetzte Konsulat ein. Gegenüber swissinfo hatte Mosimann zuvor präzisiert, die männlichen Geiselnehmer seien wahrscheinlich mit Messer und Schusswaffen bewaffnet.

Eine Geisel, ein Wachmann, habe sich, obwohl verletzt, selber befreien können. Zwei weitere spanische Staatsangehörige seien von der Polizei befreit worden.

Spaniens Aussenminister Moratinos hatte in Madrid weiter erklärt, das gesamte spanische Personal sei wohlauf. Die Identität der drei Geiselnehmer sei nicht bekannt. Die vermummten Täter seien in das Konsulat eingedrungen, um einen Raub zu begehen.

Sonderstab des Bundes und Antiterror-Einheit

Neben den lokalen Sicherheitskräften wurde auch der Sonderstab Geiselnahme und Erpressung (SOGE) des Bundes aktiviert.

Die Polizei ist mit einem Grossaufgebot und mit einem Panzerfahrzeug vor Ort. Im Einsatz stand auch die Antiterroreinheit “Stern” der Stadtpolizei Bern.

Nachbarhäuser des spanischen Generalkonsulats wurden im Verlaufe des Morgens zum Teil evakuiert. Die Umgebung des Konsulats im Kirchenfeldquartier wurde von der Polizei grossräumig abgesperrt.

Motiv: Auch politisch oder rein kriminell?

Über die Hintergründe der Geiselnahme gab es vorerst keine gesicherten Informationen. Laut Polizeisprecher lässt sich nur mutmassen, ob es sich um einen politischen oder einen rein kriminellen Akt handle.

Die drei Geiselnehmer sprächen Französisch, hiess es beim Aussenministerium in Madrid. Das Ministerium glaube nicht, dass der Vorfall mit islamischen Terrorismus zu tun habe. Am 11. März 2004 hatten mutmassliche Al-Quaida-Terroristen in Madrid 191 Zugreisende getötet.

Anhaltspunkte für einen Zusammenhang mit dem Fall des von Spanien gesuchten mutmasslichen Terroristen Mohamed Achraf, der in die Attentate von Madrid verwickelt sein soll, lagen bis zum Mittag ebenfalls nicht vor.

Weder die Polizei noch die Bundesanwaltschaft wollten sich zu Mutmassungen äussern, wonach die Geiselnehmer eine Freipressung Achrafs zum Ziel gehabt haben könnten.

Die Schweiz hatte am 28. Januar ein spanisches Auslieferungsgesuch für den seit letztem August inhaftierten 32-jährigen Islamisten gutgeheissen. Dieser will gegen die Auslieferung Rekurs einlegen.

swissinfo, Christian Raaflaub (folgt mehr)

Am früheren Montag morgen findet eine Polizeipatrouille einen Verletzten im Diplomatenquartier von Bern.
Später wird bekannt, dass im spanischen Generalkonsulat eine Geiselnahme im Gang ist.
Über die Motive ist noch nichts bekannt.
Das Gebäude wird von Sicherheitskräften umstellt.
Kurz vor Mittag erklärt das spanische Innenministerium die Geiselnahme als beendet.
Die Polizei in Bern hingegen bestätigt dies nicht.
Es folgt ein Ultimatum der Sicherheitkräfte an die im Konsulatgebäude gebliebenen Geiselnehmer.
Um 14 Uhr erfolgt der Sturm des Gebäudes durch eine Sondereinheit. Verletzt wurde niemand.

Der Sonderstab “Geiselnahme und Erpressung” des Bundes (SOGE) probte im November 2004 letztmals den Ernstfall.

Die SOGE wird eingesetzt zur Bewältigung einer erpresserischen Krisensituation, hervorgerufen durch die Begehung oder Vorbereitung einer strafbaren Handlung, die der Bundes-Gerichtsbarkeit untersteht.

Der letzte Echteinsatz fand vor 6 Jahren statt. Damals hatten Kurden auf die Auslieferung des PKK-Führers Abdullah Öcalan mit der Besetzung der griechischen Botschaft reagiert.

Im Dezember 1988 besetzten sechs unbewaffnete iranische Regimegegner das iranische Konsulat in Genf und hielten vier Personen als Geiseln fest. Sie wurden nach einigen Stunden von der Polizei überwältigt.

Im Juli 1988 besetzten 25 Kurden das Honorarkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in Basel und nahmen zwei Geiseln. Sie forderten die Freilassung von 14 in Deutschland inhaftierten kurdischen Gesinnungsgenossen.

Im September 1982 hatte ein bewaffnetes Kommando die polnische Botschaft überfallen, 13 Personen als Geiseln genommen und unter anderem die Freilassung aller politischen Gefangenen in Polen gefordert.

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