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Genfer Autosalon versucht düstere Wolke zu vertreiben

Der iChange der Schweizer Design- und Konzeptschmiede Rinspeed. Keystone

In Genf findet der 79. Internationale Autosalon statt. Er präsentiert sich schlanker und grüner als auch schon. Die Autoindustrie leidet an schlechten Verkaufszahlen und Stellenabbau, braucht riesige Staatshilfen und blickt in eine düstere Zukunft.

Pneu-Hersteller Michelin sowie die chinesischen und koreanischen Unternehmen BYD und SsangYong fehlen, und General Motors hat seine Ausstellfläche halbiert. Trotzdem spielen die Organisatoren die Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf den Autosalon herunter.

“Der Sturm, welcher der Industrie zusetzt, ging knapp an Genf vorbei”, sagt Rolf Studer, Generaldirektor des Autosalons gegenüber swissinfo.

Keine der grösseren Autohersteller hat abgesagt, anders als an der Detroit Motor Show anfangs Januar, wo mehrere Unternehmen ausfielen, so auch Land Rover, Ferrari, Rolls Royce, Nissan, Suzuki und Porsche.

“Alle grossen Firmen sind mit prächtigen Ständen präsent. Ich denke, es ist für die Autoindustrie wichtig, den Kunden zu zeigen, wozu sie auch in Krisenzeiten bereit sind.”

Weil die Unternehmen noch verzweifelter nach Kunden suchen und weil so viele Ideen für neue Wagen das Zeichenbrett verliessen, bevor der Abschwung wirklich einsetzte, sind zahlreiche neue Modelle – grosszügige und bescheidene – in Genf zu sehen.

Der Salon widmet auch einen ganzen Pavillon den “grünen” Autos, nicht nur solchen mit kleinem Benzinverbrauch, sondern auch neuen Technologien, vom Hybrid bis zum Batterie betriebenen Auto.

Genf bleibt relativ attraktiv

Der Genfer Salon bleibt für viele Autohersteller, Lieferanten und Design-Firmen attraktiv, weil er in der neutralen Schweiz stattfindet, die keine eigene Autoindustrie hat, die den Heimvorteil einfordert.

Trotzdem könnte es für längere Zeit die letzte grosszügige Show gewesen sein. Mindestens drei Autohersteller haben ihre Teilnahme an der Internationalen Automobil-Ausstellung in Frankfurt vom September bereits abgesagt.

“Genf bleibt die beste Ausstellung”, sagt Richard Milne, Journalist der Financial Times. “Die Industrie ist jedoch im Wandel, und die Leute dort konzentrieren sich weniger auf Autos.”

Leicht surreal

Der Kontrast zwischen dem Glanz an den Ständen in Genf und der harten Realität ausserhalb, mutet etwas surreal an.

Autohersteller erleben zur Zeit den schlimmsten Einbruch seit 35 bis 50 Jahren, Millionen von Jobs sind bedroht, mehrere Unternehmen könnten den Betrieb einstellen und Dutzende für immer schliessen.

“Die Autoindustrie ist angesichts des Ausmasses des Problems äusserst besorgt. Die Leute wissen nicht, wann die Krise vorbei sein und wie die Zukunft der Branche aussehen wird”, so Milne.

Die Nachfrage nach Neuwagen ist weltweit massiv eingebrochen. Im Vergleich zum Vorjahr gingen in den USA die Verkäufe bei General Motors um 49% zurück, bei Ford im Februar um 40%. Japan, das Land des weltweit grössten Autoherstellers Toyota, wie auch Honda und Nissan meldeten bei den Verkäufen im Februar einen Rückgang von 32,4%. Es ist die stärkste Abnahme seit 1974.

Trotz dieser düsteren Lage gibt sich die Autobranche kämpferisch. “Es ist ein sehr schwerwiegender Rückgang, aber es ist weder der erste noch der letzte”, erklärt Graham Smith, Vize-Präsident von Toyota Motor Europe gegenüber swissinfo. “Die Industrie ist ziemlich am Boden, wir müssen die Produktion global anpassen, insbesondere in Europa. Wir tun das so flexibel wie möglich, um dann für den Aufschwung gewappnet zu sein.”

Staatshilfe als Rettungsanker?

Gleichzeitig ersuchen immer mehr Firmen die Regierung um finanzielle Hilfe. Renault-CEO Carlos Ghosn hatte im Januar gewarnt, die Autoindustrie stehe ohne rasche Intervention der EU-Regierungen vor dem Kollaps.

Vertreter von General Motors sagten am Dienstag in Genf vor Journalisten, dass GM Europa (Adam Opel GmbH in Deutschland, Vauxhall in Grossbritannien und Saab in Schweden) mit Spanien, Grossbritannien und anderen europäischen Regierungen ausserhalb Deutschland verhandle, um 4,2 Mrd. Dollar zu erhalten, damit die Werke weiter arbeiten können.

Am gleichen Tag rief OECD-Chefökonom Klaus Schmidt-Hebbel jedoch die Regierungen eindringlich auf, sie sollten der Versuchung widerstehen, Autoherstellern, Stahlwerken oder anderen Sektoren als der überaus wichtigen Finanzindustrie aus der Patsche zu helfen.

Das mache wirtschaftlich gesehen keinen Sinn, weil die Industrie über zu lange Zeit zu viele Autos produziert habe und in den kommenden Jahren schrumpfen müsse. Nicht infolge der Rezession, sondern wegen Überkapazität, so der Chefökonom.

Autoindustrie wird schrumpfen

Nach Angaben der Beratungsfirma CSM Wordwide hat die weltweite Autoindustrie die Kapazitäten, pro Jahr 94 Mio. Wagen zu produzieren. Das sind gemessen an den gegenwärtigen Verkaufszahlen rund 34 Millionen zu viel.

Die Zukunft ist ungewiss. Letzten Dezember hatte Fiat-Chef Sergio Marchionne angedeutet, es werde in fünf Jahren auf der ganzen Welt nur noch ein halbes Dutzend Autohersteller geben. Die französische Regierung ihrerseits spricht von sechs bis acht.

swissinfo, Simon Bradley, Genf
(Übertragung aus dem Englischen: Gaby Ochsenbein)

Bundespräsident Hans-Rudolf Merz hat am 5. März den 79. Internationalen Automobilsalon in Genf eröffnet. Er dauert bis zum 15. März.

Erwartet werden rund 700’000 Besucherinnen und Besucher. 40% der Besucher stammen aus dem Ausland, davon viele aus den Nachbarländern Deutschland, Frankreich und Italien.

Präsentiert werden 85 Welt- und Europa-Premieren, 15 davon sind Elektroautos.

Laut den Organisatoren erwirtschaftet der Autosalon direkte und indirekte Einnahmen von rund 300 Mio. Franken.

Die 310 Schweizer Firmen beschäftigen 34’000 Personen. Sie befinden sich hauptsächlich in der Zentralschweiz sowie in der Nord- und Ostschweiz.

Die Zulieferer produzieren nicht nur Teile, sondern ganze Montagesysteme, sowie Software für Auto-Produzenten und andere Lieferanten. 2008 belief sich der Umsatz auf 16 Mrd. Franken.

Der Autozulieferer-Sektor leidet stark unter der Wirtschaftskrise und musste bereits Leute entlassen.

2009 (Vergleich Vorjahr)
Europa: -27% (Januar)
USA: -41% (Februar)
Japan: -32% (Februar)
Schweiz: -18% (Januar)

2008 (Verlgeich zu 2007)
USA: -18%
Europa: -8%
Japan: -6%
Schweiz: +1,4%

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