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Geplante Flüchtlingspolitik in der Kritik

Asylbewerber wartet vor der Empfangsstelle in Kreuzlingen. Keystone

Nach den Kirchen und Hilfswerken warnt nun auch das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) die Schweiz vor Verstössen gegen die Flüchtlingskonvention.

Die Ausländer- und Asylbehörden im Justizdepartement wollen die illegale Einwanderung mit schärferen Massnahmen abwehren.

Die geplanten Massnahmen zur Verschärfung des Asylgesetzes liefen Gefahr, dem Geist und Wortlaut der Konvention zu widersprechen, sagt das UNHCR.

Justizminister Christoph Blocher hatte Ende Juni Vorschläge zur Verschärfung des Asylgesetzes in eine “Kurzbeurteilung” durch die interessierten Kreise (Vernehmlassung) geschickt. Sie sollen in die Beratungen des Ständerats einfliessen, der die Asylgesetzrevision als Zweitrat behandelt. Die Grosse Kammer, der Nationalrat, hatte in der Sommersession bereits Verschärfungen gutgeheissen.

Die Ausländer- und Asylbehörden im Departement Blocher wollen die illegale Einwanderung mit noch schärferen Massnahmen abwehren. Gewünscht werden etwa Strafen mit abschreckenderer Wirkung und stärkere Kontrollen. Grösste Probleme der illegalen Migration sind Kriminalität, Schwarzarbeit und hohe Kosten.

Viele Illegale

Das Bundesamt für Zuwanderung, Integration und Auswanderung (IMES) schätzt, dass sich zwischen 50’000 und 300’000 Ausländer illegal in der Schweiz befinden. Davon würden rund 90’000 schwarz arbeiten. Und trotz der Grenzkontrollen schafften es jährlich rund 20’000 Asylbewerber, illegal in die Schweiz einzureisen.

Im Asylbereich benötigten etwa 80% der Gesuchsteller gar keinen Schutz, im Ausländerbereich würden viele legale Aufenthalte durch falsche Angaben oder etwa Scheinehen erschlichen. “Es geht darum, solche Missbräuche noch konsequenter zu ahnden”, sagte Urs Hadorn, Interimsdirektor des Bundesamtes für Flüchtlinge kürzlich.

Im Kampf gegen die illegale Einwanderung wollen die Bundesstellen deshalb die Gesetze weiter verschärfen. Auch der Fürsorgestopp soll auf sämtliche abgelehnten Asylbewerber ausgedehnt werden, und das Fehlen von Identitätspapieren soll schneller mit dem Ausschluss aus dem Asylverfahren bestraft werden.

Im Ausländerbereich steht die Bekämpfung von erschlichenen Einbürgerungen im Vordergrund. Solche Bewilligungen möchten die Behörden länger widerrufen können.

Beschränkter Zugang

Das UNHCR kritisiert nun in seiner Stellungnahme vor allem die geplanten Massnahmen gegen papierlose Asylsuchende. Einige der Vorschläge zielten darauf ab, bereits den Zugang zum Asylverfahren zu beschränken, schreibt das UNHCR in einer Mitteilung vom Dienstag.

Das UNHCR sei “ernsthaft besorgt”, dass die Beschränkung des Zugangs zu einem Asylverfahren für Gesuchsteller, die nicht innerhalb von 48 Stunden ein gültiges Reise- oder Identitätspapier vorweisen können, zu Verstössen gegen die Flüchtlingskonvention führen könnte.

Keine Papiere vorhanden

Für viele Flüchtlinge sei es unmöglich, sich vor der Flucht aus ihrem Heimatstaat einen Pass oder Identitätspapiere zu besorgen. Wenn sie Opfer von Verfolgung durch die Behörden seien, so könnten sie sich eben für die nötigen Dokumente nicht nicht an diese Behörden wenden.

In einigen Ländern würden ausserdem solche Papiere nie ausgestellt oder konfisziert. In anderen Fällen würden den nach Europa gelangten Flüchtlingen Reisedokumente und Papiere ohne eigenes Verschulden durch Schlepper gestohlen oder vernichtet.

Besorgt ist das UNHCR auch über die Absicht, Informationen mit dem Herkunftsland des Asylsuchenden nach einem erstinstanzlichen Entscheid auszutauschen. Eine Datenweitergabe sollte erst dann erlaubt werden, wenn endgültig feststehe, dass die oder der Asylsuchende keine begründete Furcht vor Verfolgung im Herkunfsland habe.

Sinkende Gesuchszahlen

Das UNHCR weist weiter auf die sinkenden Asylgesuchszahlen hin. Es sei nicht notwendig, sich einseitig auf restriktive Gesetzgebungsmassnahmen zu konzentrieren, hält es fest. Eine weitere Reduzierung der Zahl der nach Europa kommenden Asylsuchenden könne nur durch die Lösung von Problemen in den Herkunftsregionen erzielt werden.

Das UNHCR erklärt, mit der Stellungnahme sei ein konstruktiver Beitrag zum Gesetzgebungsprozess beabsichtigt, der sowohl den Interessen der Schweiz als auch anerkannten völkerrechtlichen Standards im Bereich des Flüchtlingsschutzes Rechnung trage.

Die Stellungnahme sei Teil der normalen Tätigkeit des Hochkommissariats innerhalb seiner Aufsichts- und Überwachungsfunktion im Bereich des internationalen Flüchtlingsrechts und insbesondere der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951.

Kritik von Kirchen und Hilfswerken

Vor rund einer Woche hatten sich auch die Landeskirchen und Hilfswerke vereint gegen eine weitere Verschärfung des Asylgesetzes ausgesprochen. Die Pläne von Justizminister Blocher gefährdeten Verfolgte und Vertriebene, seien unsachlich und zum Teil völkerrechtswidrig, hiess es. Die humanitäre Tradition der Schweiz sei in Gefahr.

Die kirchlichen und weltlichen Institutionen appellierten an Kantone, Städte, Parteien, Gesamtbundesrat und Ständerat, gegen die, wie sie sich ausdrückten, “Verschärfungsvorlage” von Bundesrat Blocher anzutreten. Die aktuellen Probleme bei Vollzug und Wegweisung dürften nicht zu Überreaktionen führen.

So werde mit der Verschärfung des Nichteintretengrundes der Papierlosigkeit die Verletzung der Genfer Konvention in Kauf genommen. Denn gerade Verfolgte hätten oft keine Papiere.

Die Einschränkung der vorläufigen Aufnahme auf existenzbedrohende Situationen lasse zudem befürchten, dass weniger Menschen als bisher auf den Schutz der Schweiz hoffen könnten. Mit den neuen Massnahmen werde nicht zuletzt das vom Gesamtbundesrat und Nationalrat abgesegnete Konzept der humanitären Aufnahme von Bürgerkriegsflüchtlingen und Härtefällen verwässert.

swissinfo und Agenturen

Mit der Revision des Asylgesetzes will der Bundesrat das Asylverfahren, die Wegweisungsentscheide und den Vollzug des Gesetzes neuen Herausforderungen anpassen. Zudem drängt sich eine Angleichung der Asylgesetzgebung an die Entwicklungen in der EU auf.

Die Teilrevision des Asylgesetzes bringt auch eine Verschärfung der Bestimmungen, besonders für diejenigen, die ohne Pass in die Schweiz gelangen. Dem politischen Klima folgend, wird seit einigen Jahren in Europa so wie in der Schweiz eine schärfere Politik angestrebt.

Die von Bundesrat Blochers Departement formulierten Vorschläge werden besonders von NGO’s, Kirchen und dem UNHCR kritisiert.

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