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“Er hat eine Idée Suisse”

Roger de Weck, neuer SRG-Generaldirektor, hat bei der Schweizer Presse einen guten Ruf. Reuters

In der Schweizer Presse kommt die Wahl des neuen SRG-Generaldirektors durchwegs gut an. Roger de Weck sei ein Intellektueller, kein Linker, ein Liberaler, kein Neoliberaler. Er müsse aber noch beweisen, dass er auch ein grosses Unternehmen führen könne.

Die Neue Zürcher Zeitung beurteilt die Wahl des neuen Generaldirektors der SRG tendenziell positiv. Der Entscheid, Roger de Weck zu wählen, sei mutig wie auch gewagt, kommentiert die NZZ. Man sei davon ausgegangen, dass die SRG in erster Linie nach einer Person mit ausgeprägter Managmenterfahrung ausschauen würde. De Weck habe sich in der letzten Zeit politisch klar positioniert, und das bei Reizthemen wie der EU-Frage. De Weck sei klar für einen Beitritt.

Trotzdem sieht die NZZ die Vorteile, die die Wahl de Wecks bringt: Er sei zweisprachig und vertrete unsere Landeskultur gut. Er werde aufgrund seiner Karriere auf die publizistische Qualität achten. Und er werde die Meinungsvielfalt und politische Ausgewogenheit hochhalten, meint die NZZ. Bei der Wahl des Deutschschweizer Regionaldirektors werde er als erstes mitreden können.

Ein Schöngeist

Für die Tribune de Genève setzt die SRG auf einen Chef mit viel Prestige. Er sei ein grossartiger Journalist. “Aber”, fragt die Genfer Zeitung, “braucht die SRG im Sturm wirklich mehr einen Schöngeist anstelle von jemandem, der Drecksarbeit macht?”

Er werde zeigen müssen, dass er auch strategisch entscheiden könne, das könne schmerzhaft sein. Er werde zeigen müssen, dass er nicht nur die Hand nach Geld ausstrecken könne und dass er den privaten Medien ihren Platz lasse.

Le Temps meint: Es sei vernünftig, einem Mann der Feder und einem hervorragenden Herausgeber zu vertrauen. Ohne Zweifel hätten die Delegierten der SRG mit der Wahl von Roger de Weck aussagen wollen, dass der Generaldirektor der SRG die Idee einer offenen Schweiz vertreten soll, vielfältig und liberal.

Er müsse allerdings noch beweisen, dass er auch ein Unternehmen führen könne und er müsse definieren, was zum Service public gehöre und was nicht.

Roger de Weck übernehme ein dynamisches Unternehmen in einer schwierigen Situation, schreibt der Corriere del Ticino. Das erste, was man von ihm erwarte, seien nicht politische Visionen, sondern, dass er die Rechnung in Ordnung bringe.

Chefredaktor von 1992 bis 1997

Der Zürcher Tages-Anzeiger freut sich über die Wahl von de Weck. “Die SRG-Delegierten haben eine sehr gute Wahl getroffen”, schreibt der Kommentator. De Weck sei diesem Land und seiner Geschichte mit Leidenschaft verbunden und lebe den feinen Unterschied zwischen Patriotismus und Nationalismus vor.

Er sehe auch den feinen Unterschied zwischen Liberalismus und Neoliberalismus. Für die SRG heisse dies, dass sie künftig noch mehr das tun solle, was die Privaten nicht tun tun können oder wollen. Der neue Generaldirektor der SRG stehe als Journalist, Kolumnist, Kommentator und Interviewer für jenen Qualitätsjournalismus, den die SRG betreiben will.

Meistere er die Herausforderung der Sparvorgabe, werde die SRG zum ermutigenden Zeichen für die ganze Schweizer Medienlandschaft. Zum Schluss wird der Tagi schier euphorisch: “Das Schweizer Motto an der Weltausstellung in Sevillia 1992 könnte dann in diesem Punkt revidiert werden: L’idée suisse existe.”

Der Tages-Anzeiger erinnert sich auch an die Zeit, als Roger de Weck sein Chefredaktor war. Es war von 1992 bis 1997. “Er schrieb ein flammendes Plädoyer zu Europa, über die ersten beiden Seiten hinweg.” Dies sei nicht bei allen gut angekommen. Es hätten mit de Weck neue Zeiten anbrechen sollen beim Tagi , “und sie taten es”. Ganz ohne Konflikte sei dies allerdings nicht abgelaufen. Als Journalist habe de Weck dem Tages-Anzeiger zum erhofften Gewicht verholfen. Er habe viele Intellektuelle und Politiker zu Wort kommen lassen.

“Mit dem Schlimmsten gerechnet”

Man habe mit dem Schlimmsten gerechnet, schreibt L’Express, aber man habe das Beste erhalten. Die SRG schaffe es immer wieder, einen zu überraschen. Der Mann habe fast alle Qualitäten. Er sei intelligent, er sei einer der besten – wenn nicht gar der beste – Kenner der schweizerischen Medienszene, er wisse, wovon er spreche.

Es erwarte ihn eine titanische Aufgabe. Er müsse der inneren Schwerfälligkeit der SRG und dem Druck von aussen die Stirn bieten. In Anspielung auf das ehemalige Gefährt von Armin Walpen schreibt das Neuenburger Blatt: “Er verdient keinen Porsche Cayenne, aber er erhält einen Dampfer, der abzudriften droht, wenn der Steuermann nicht aufpasst.”

Auch der Berner Bund scheint mit der Wahl des neuen Generaldirektors der SRG nicht unzufrieden zu sein. Er sei keineswegs ein Linker, er sei ein Welt- und Grossbürger aus einer konservativen Bankiersfamilie und bekenne sich zum Liberalismus. Nicht zum Neoliberalismus.

Gerade, weil er ein brilliant formulierender Intellektueller sei, werde er von gewissen Hauruck-Politikern und –Journalisten mit dem nicht nett gemeinten Attribut des “Vergeistigten” verziert. Man könne schon davon davon ausgehen, dass er bei den Programmen für die sprachregionalen Minderheiten nicht sparen werde. Und er werde mit dem Sparen eher bei der seichten Unterhaltung ansetzen als bei kulturellen und politischen Sendungen, hofft der Bund.

“Scherbenhaufen hinterlassen”

Die Basler Zeitung hält Roger de Weck für den richtigen Mann am richtigen Ort. Er sei zwar kein Mann der Tat, sondern der Worte, der klugen sogar. Und das sei es, was die SRG zur Zeit brauche. Der abtretende Chef Armin Walpen habe einen Scherbenhaufen hinterlassen. Walpens Art, wichtige Partner wie die Politik oder auch private Medien vor den Kopf zu stossen, statt einmal bloss hinzuhören, habe tiefe Kratzer im Ansehen der SRG hinterlassen.

Als Konsequenz habe die SRG nun schlechte Karten, wenn sie im kommenden Monat vom Bundesrat eine erhebliche Gebührenerhöhung erwarte. Doch diese Konstellation sei eine Steilvorlage für einen Roger de Weck.

Eveline Kobler, swissinfo.ch

Die SRG betreibt 8 Fernseh- und 18 Radiosender und sendet in den vier offiziellen Landessprachen Deutsch, Französisch, Italienisch und Romanisch sowie auch in Englisch.

Dazu kommt die 9-sprachige Internetplattform swissinfo.ch.

Die SRG SSR idée suisse ist ein privatrechtlich organisiertes, nach den Grundsätzen des Aktienrechts geführtes Medienunternehmen, dessen Auftrag auf der Bundesverfassung, dem Radio- und Fernsehgesetz sowie der Konzession basiert und das dem Service public verpflichtet ist.

Das Unternehmen finanziert sich aus Gebühren, Werbung und Sponsoring.

Die SRG beschäftigt 6100 Angestellte, was einem Vollzeitstellenangebot von knapp 5000 entspricht.

Seit der SRG-Gründung 1931 haben 7 Generaldirektoren das Unternehmen geleitet. Die letzten drei waren CVP-Männer.

1931-1936: Maurice Rambert, Radio-Initiant in Lausanne, wird erster Generaldirektor der SRG.

1936-1950: Alfred W. Glogg führt als Generaldirektor durch die schwierigen Kriegsjahre. Unter ihm wird die SRG stärker zentralisiert.

1950-1972: Marcel Bezençon. In seiner Amtszeit werden das Fernsehen und die zweiten Programme der SRG-Radios eingeführt.

1972-1981: Stelio Molo, Tessiner FDP-Mann. Er setzt sich besonders für die Unabhängigkeit von Radio und Fernsehen von politischer Einflussnahme ein.

1981-1987: Leo Schürmann, CVP-Nationalrat, erster Preisüberwacher 1973/74 und Mitglied des Nationalbank-Direktoriums. In seiner Amtszeit führen die SRG-Radios dritte Programmketten für ein junges Publikum ein (als Antwort auf die Zulassung von Privatradios 1983), das Fernsehen startet den Teletext.

1987-1996: Antonio Riva, Tessiner CVP-Mann. In seiner Amtszeit wird die SRG reorganisiert, dritte respektive vierte TV- und Radioketten werden eingeführt.

1996-2010: Armin Walpen, Oberwalliser CVP-Mann, Jurist mit Karriere beim Bund. Unter ihm erhält die SRG den Zusatz “idée suisse”, Schweizer Radio International wird vom Kurzwellensender zur Internetplattform swissinfo.ch, die Radio- und TV-Digitalisierung startet.

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