Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Die Sauber-Boliden rasen nun in Weiss

Der neue Bolide, Peter Sauber und seine beiden Fahrer Pedro de la Rosa (links) und Kamui Kobayashi in Valencia. Keystone

Peter Sauber hat in Valencia seinen neuen Formel-1-Boliden vorgestellt (siehe Spalte rechts). Hans-Markus Tschirren, langjähriger GP-Kommentator am Schweizer Fernsehen, über die Rückkehr des Teamgründers an die Boxenmauer und die Chancen der Hinwiler.

Was hat dieser Mann für Schläge und Demütigungen einstecken müssen: Ende Juli 2009 kündet BMW den Rückzug aus der Formel 1 an, Peter Sauber als 20-Prozent-Teilhaber fällt aus allen Wolken.

Statt dem stets integren Partner und Teamgründer bei der Übernahme entgegen zu kommen, drücken die Münchner den Kaufpreis nach oben – im Raum standen 100 Mio. Franken -, Peter Sauber scheint ausgebootet.

Doch die künftigen Besitzer, eine Investorengruppe aus dem Mittleren Osten, erweisen sich als äusserst undurchsichtig. Ende November kann die Belegschaft in Hinwil aufatmen – Peter Sauber rettet sein Lebenswerk, als alter neuer Besitzer und Teamchef.

Statt sich endlich den Ruhestand zu gönnen, taucht der Schweizer des Jahres 2005 mit 67 Jahren wieder in das Haifischbecken Formel 1 ein.

Hans-Markus Tschirren, Formel-1-Kommentator des Schweizer Fernsehens von 1981 bis 2008, verbindet mit dem zurückhaltenden Zürcher eine jahrzehntelange gemeinsame Zeit. Diese sei durch grossen gegenseitigen Respekt geprägt, betont der Lehrer aus dem bernischen Hinterkappelen.

swissinfo.ch: Trotz der schwierigen letzten Monate ist Peter Sauber gegen aussen immer ungerührt geblieben. Was hat er für Qualitäten?

Hans-Markus Tschirren: Emotionen sind bei ihm sehr stark vorhanden, vor allem, wenn es um Menschen geht. 1994 beispielsweise erlebte ich, wie nah ihm der Unfall Karl Wendlingers in Monaco ging.

Aber wenn es um Business geht, ist bei ihm extreme Selbstbeherrschung angesagt, ein Zug, den ich stark bewundere. Partnern gegenüber ist er absolut loyal. Der Lohn dafür war immer eine langfristige Zusammenarbeit. Petronas war 15 Jahre Hauptsponsor, eine Ewigkeit.

Er kritisierte auch nie Fahrer öffentlich, selbst wenn er Grund dazu gehabt hätte.

swissinfo.ch: Weshalb hat er sich zur Rückkehr als Teambesitzer und –chef entschlossen?

H.M.T.: Er hat sich sehr auf den Ruhestand gefreut. Er erzählte mir von seinen Plänen, Wandern zu gehen oder Motorrad-Touren zu unternehmen.

Ich denke, er hatte es genossen, ohne Verantwortung auf dem Rennplatz zu sein oder die GP am Schweizer Fernsehen als Experte mit Michael Stäuble zu kommentieren.

Wenn ich sehe, wie zufrieden er dabei gewesen war, kann ich mir vorstellen, wie schwierig es für ihn war, wieder an die Boxenmauer zurückzukehren.

Der Schlüsselbegriff dazu lautet Verantwortung: Das Team ist gewachsen, er hat immer mehr Menschen Arbeit gegeben. Nicht nur im Werk in Hinwil, sondern auch in vielen kleinen Zulieferbetrieben bis hin zur Kleiderreinigung.

Ein Konzern baut Stellen ab, Peter Sauber dagegen hätte Menschen entlassen müssen, die er eingestellt hat und die das verloren hätten, was sie am besten und liebsten tun.

swissinfo.ch: Wie schätzen Sie die Chancen der Sauber in diesem Jahr ein?

H.M.T.: Nicht schlecht, ein guter Platz im Mittelfeld liegt drin. Die alte Hinwiler Crew bleibt beisammen, Spitzenleute wie Konstrukteur Willy Rampf oder Teammanager Beat Zehnder sind seit Urzeiten bei Peter Sauber.

Zudem sind die Entscheidungswege wieder kurz, alles ist in Hinwil unter einem Dach, und es herrscht im Team eine “Jetzt-erst-recht”-Mentalität, ebenfalls ein Plus.

Mit dem hervorragenden Windkanal sind die Sauber punkto Aerodynamik gut aufgestellt. Auch das Reglement dürfte Sauber entgegen kommen: Die Entwicklung der Motoren ist stark eingeschränkt. Diejenige des Energierückgewinnungssystem Kers, die bis zu 20 Millionen Franken pro Saison verschlang, fällt ganz weg. Auch gibt es nur einen Reifenlieferanten.

swissinfo.ch: Zum neuen Fahrer-Duo: Kamui Kobayashi hat bei seinen ersten beiden GPs (auf Toyota, die Red.) mit gelungenen Überholmanövern sowie Furchtlosigkeit auf sich aufmerksam gemacht. Was trauen Sie dem Japaner zu? Was bringt der Spanier Pedro de la Rosa dem Team?

H.M.T.: Ich halte die beiden für ein ganz tolles Duo.
Ich freu mich schon, wenn Kobayashi gegen Michael Schuhmacher fahren und sich völlig unbeeindruckt zeigen wird. Seine Respektlosigkeit, aber auch sein fahrerisches Können haben mich beeindruckt.

Man wird aber abwarten müssen, wie viel Schrott er produziert. Kobayashi ist der Typ Fahrer, der auf Biegen und Brechen fährt, immer am Limit. Wenn man in Kauf nimmt, dass er beim einen oder anderen Rennen nicht ins Ziel kommt, wird er ganz klar eine Bereicherung sein.

Pedro de la Rosa dagegen ist der ruhende Pol. Er ist ein Entwickler mit immenser Erfahrung im Abstimmen, auch wenn Testfahrten seit 2009 erheblich eingeschränkt sind.

swissinfo.ch: 2010 fallen die Tankstopps weg. Wird die F1 dadurch attraktiver?

H.M.T.: Vielleicht sicherer. Es gab einige Pannen beim automatischen Verschliessen der Tankklappe. Glücklicherweise sind wir an einer Katastrophe vorbei gekommen.

Das Gefahrenmoment wird sich aber auf den Reifenwechsel verlagern. Wenn der Boxenstopp nur noch dem Reifenwechseln dient, darf dieser noch drei bis vier Sekunden dauern. Der Druck auf die Mechaniker mit den Schlagschraubern wird sehr gross werden.

Es besteht auch die ‘Gefahr’, dass die F1 durch das Tankverbot zur Verbraucherformel wird. Wenn ein Fahrer am Schluss Sprit sparen muss, sagt er sich, lieber das Ziel erreichen und ein paar Punkte retten, statt angreifen und eventuell stehen bleiben.

swissinfo.ch: Neu gibt es für die ersten zehn Fahrer Punkte statt wie bisher die besten acht. Bringt das mehr Spannung?

H.M.T.: Von 1952 bis 2002 gab es Punkte für die ersten sechs Piloten, dann für die ersten Acht, jetzt für die ersten zehn Fahrer.

Die Verteilung der Punkte auf 6 oder auch 8 Fahrer war relativ einfach. Jetzt muss man im Kopfrechnen ein Genie sein, vor allem, weil 7 und 4 Punkte nicht vergeben werden. Bleibt es dabei, wird es ziemlich unübersichtlich.

Fussball kommt mit 17 Spielregeln aus, die seit 1938 konstant sind. Die Formel 1 bietet jedes Jahr Neuerungen. Eventuell wäre es nicht so übel gewesen, etwas ganz Altes auszugraben: In den 1950er-Jahren gab es einen Zusatzpunkt für die schnellste Runde, dieser könnte ein Rennen beleben. Denkbar wäre auch ein Punkt für die Pole Position.

Weitere mögliche Änderungen?

H.M.T.: Die F1 lebt von Überholmanövern, man könnte die Renndauer von heute um eineinhalb Stunden oder mehr verkürzen.

Sie lebt aber auch von den Piloten als Identifikationsfiguren und Persönlichkeiten: Die Fans müssen die Piloten lieben oder können sie hassen. Das sind die Zutaten für eine attraktive F1-Saison.

Renat Künzi, swissinfo.ch

Der Spanier Pedro de la Rosa und der Japaner Kamui Kobayashi enthüllten auf der Ricardo-Tormo-Strecke nahe Valencia den neuen, weissen Sauber-Ferrari mit den Typenbezeichnung C29.

Mit diesem Wagen will das Schweizer Formel-1-Team, schlank und hungrig, wie es hiess, am 14. März in die Grand-Prix-Saison 2010 starten. Dabei stellt der sechste Rang in der Konstrukteure-WM des Vorjahres die Ausgangsbasis dar.

Das auffälligste am neuen Sauber-Auto ist die weisse Lackierung,

Schriftzüge und Logos eines Hauptsponsors fehlen noch. Dennoch erklärte Peter Sauber, dass diese Saison für sein Team finanziell abgesichert sei.

Der neue Bolide ist gegenüber dem Vorjahres-Wagen etwas länger geworden, weil durch das neue Nachtankverbot der Tank doppelt so gross konzipiert werden musste.

Tankverbot; der Tank fasst neu rund 200 Liter (vorher 130L). Dadurch werden die Autos rund 20cm länger.

Neue Punktverteilung: 25, 20, 15, 10, 8, 6, 5, 3, 2, 1.

Es gibt nur noch Einheitsreifen und der Vorderreifen ist 30mm schmaler.

Das Energierückgewinnungs-System KERS fällt weg.

Das Gewicht der Wagen beträgt neu 620kg (vorher 605kg).

Kostenbremse:

Die Teams reduzieren ihre Kosten schrittweise bis auf den Stand Anfang der 1990er-Jahre.

Bis Ende 2012 darf kein Team mehr als 250 Mitarbeiter haben (ohne Marketing, Administration). Ab 2010 dürfen nur noch 45 Leute pro Team an den Boxen arbeiten.

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft