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Mongolei: Dank Bildung die Horizonte erweitern

Anita Fahrni reist einmal im Jahr in die Mongolei, um Kandidatinnen für ihr Programm auszuwählen und Bekannte zu treffen. swissinfo.ch

Anita Fahrnis Garage in der Ostschweiz ist zum Sortierzentrum für Bücher mit Ziel Mongolei geworden. Doch auch in die andere Richtung setzt sie sich für den Austausch ein: Mongolische Sprachstudentinnen kommen regelmässig in die Schweiz.

Nur noch wenige Tage hat Fahrni Zeit, die Tausenden gespendeten Schulbücher und Romane in Deutsch und Englisch zu sortieren, bevor sie auf die Reise gehen.

Die Schweiz-Amerikanerin sammelt seit 12 Jahren Bücher in der Schweiz. Über 310’000 Stück hat sie bereits an Schulen und Universitäten in die mongolische Hauptstadt Ulan Bator und andere Dörfer und Städte geliefert.

Die ehemalige Parlamentarierin des Kantons Thurgau ist eine geübte Netzwerkerin. Sie sitzt in zahlreichen Gremien und Komitees, vom Bund Schweizerischer Frauenorganisationen (Alliance F) bis zu einer internationalen Gruppe, die sich für den Schutz des in der Mongolei heimischen, seltenen Takhi-Pferdes einsetzt.

2007 gab sie die Politik auf, um sich ganz auf ihre verschiedenen schweizerisch-mongolischen Projekte zu konzentrieren. Heute, mit 68 Jahren, erklärt sie, “zu 120 Prozent” arbeiten zu müssen, damit alles läuft.

Dazu gehört die Organisation von Besuchen durch Schweizer Lehrerinnen und Lehrer in der Mongolei, die Englisch und Deutsch unterrichten. Über 100 haben bisher mitgemacht. Zudem hat Fahrni ein Austauschprojekt gestartet, das es mongolischen Studierenden ermöglicht, ein Jahr lang in der Schweiz ihr Deutsch aufzubessern.

Horizonterweiterung

Seit dem Start 2003 hat sie ihr Schweizer Sprach- und Lehrerschulungs-Programm erweitert. Heute werden jedes Jahr neun Mongolinnen in Schulen und Lehrerseminaren in den Kantonen Thurgau, Zürich und St. Gallen platziert.

Bisher waren lediglich Frauen dabei: Jedes Jahr lädt Fahrni die deutschsprachigen Abteilungen der mongolischen Universitäten ein, ihre zwei besten Studierenden ins Programm zu schicken. Da nur wenige Männer Deutsch lernen, sind es unweigerlich Frauen, die an der Spitze der Klassen stehen.

Fahrni interviewt jedes Jahr die Kandidatinnen und findet Gastfamilien für die neun Studierenden, die dann ein Jahr in der Schweiz verbringen. Eine private Schweizer Stiftung, die anonym bleiben möchte, bezahlt die 120’000 Franken, die nötig sind, um die Studentinnen unterzubringen und zu verpflegen.

“Es gibt diesen jungen Frauen einen riesigen Schub. Es erweitert ihre Horizonte”, sagt Anita Fahrni. “Es ist erwiesen, dass ihnen dieses Programm einen grossen Antrieb gibt – nicht nur zum Abschluss ihres Studiums in der Mongolei, sondern auch für die Jobsuche.”

Klein anfangen

Was wie eine kleine Anstrengung wirkt, könnte laut Fahrni längerfristig aber einen grossen Einfluss auf das Land haben: “Langsam wächst es. Es sind die kleinen Dinge, die einzelne Personen hier und dort tun, doch die meisten von ihnen werden Lehrer. Und ich denke, dass die ganze Sprachschulung in der Mongolei, die sehr wichtig ist, dadurch verbessert wird”, sagt sie.

“Dahinter steckt mein Gefühl, dass Bildung die beste Art von Entwicklungshilfe ist, den Menschen die Möglichkeit zu geben, eine gute Ausbildung zu erhalten und ihre Horizonte zu erweitern.”

Einige mongolische Lehrpersonen kommen auch für kürzere Praktika in die Schweiz und lernen moderne Lehrmethoden, während sie ihre eigenen Sprach- und Sprechfähigkeiten verbessern, erklärt Fahrni. “Wenn sie in ihre Schulen zurückkehren, glaube ich, dass das Lehrniveau in diesen Schulen steigt.”

Kulturelle Unterschiede

Für ihre Bemühungen hat Fahrni eine Friedensmedaille des demokratischen Frauenverbands erhalten, einer mongolischen politischen Parteivereinigung. Sie war erst die vierte Person, der diese Ehre zukam.

Fahrni wurde auch zur Ehrenprofessorin der Otgontenger Universität in Ulan Bator berufen. In dieser Universität finden sich heute bereits 25’000 Bücher aus der Schweiz.

Doch auch Schweizerinnen und Schweizer profitierten von ihrem Programm, betont Fahrni: “Schweizer, die in der Mongolei unterrichteten, kamen mit einer ganz neuen Einstellung gegenüber unserem Luxus zurück. Wir leben im Überfluss. Und die Schweizer Gastfamilien lernen von den Mongolen etwas über deren Land, sie lernen einen Menschen ganz anders kennen, und viele unternehmen danach Reisen in die Mongolei.”

Es sei jedoch nicht immer einfach für die Gastfamilien. Die mongolischen Bräuche und ihre Kultur seien sehr verschieden von der Schweiz. So hassten die meisten Mongolen Katzen oder zeigten Respekt und Dank ganz anders.

“Ich habe gelernt, dass man sich in der Mongolei nicht wirklich bedankt. Man zeigt es auf andere Art. Einige der Gastfamilien hatten das Gefühl, dass die Studentinnen nicht dankbar waren für all das, was sie für diese getan hätten.”

Während manchmal die Chemie nicht stimmt und Studierende die Familie wechseln müssten, machten manche Familien jedes Jahr wieder mit, so Fahrni. Einige besuchten sogar ihre ehemaligen Gäste in der Mongolei.

Fahrni nimmt an, dass ihr Programm gegenwärtig das einzige Austauschprogramm mit der Mongolei ist. Während es immer noch auf persönlicher Initiative fusst, hofft sie doch, dass während dem Wachstum mehr Leute an Bord kommen, um die Platzierungen in den verschiedenen Kantonen koordinieren zu helfen.

“Ich habe nie erwartet, dass es derart wächst”, betont Fahrni. “Ich denke, es hat den Beziehungen zwischen der Schweiz und der Mongolei schon ein wenig gut getan.”

Ethnische Gruppen in der Mongolei: 90% Mongolen, 10% Kasachen.

Grösse: 1,57 Mio. km2 (die Schweiz ist gut 40,000 km2 gross.
 

Bevölkerung: 2,6 Mio.

Alphabetisierungsrate: 97,6% (Volkszählung 2000)

BIP pro Person: 1991 $

Es gibt 754 Schulen und 218 höhere Bildungsstätten. 

(Quelle: Weltbank, Deza)

Die Beziehungen zwischen der Schweiz und der Mongolei gehen zurück auf die zweite Hälfte der 1950er-Jahre, als die Zürcher Firma Debrunner Handelsbeziehungen mit der Volksrepublik Mongolei aufnahm.

Die Schweiz anerkannte die Demokratische Republik Mongolei 1964. Die Kontakte zwischen Bern und Ulan Bator blieben bis zum Ende der sozialistischen Periode allerdings mässig. 

Ab 1990 wurden die Kontakte enger, als die Mongolei demokratisch wurde.


2006 belief sich der bilaterale Handel auf 2,8 Mio. Franken. 2007 erreichte der Umsatz 4,4 Mio. Franken, wobei die mongolischen Exporte 2,1 Mio. Franken und die Importe 2,3 Millionen ausmachten.

(Quelle: Schweizer Konsulat, 2008)

Das Schweizer Konsulat wurde 2002 eröffnet.

Die schweizerische Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit DEZA unterstützt die Mongolei seit 2001.

Die Eröffnung des Schweizer Verbindungsbüros 2004 trug wesentlich bei zur Intensivierung der Beziehungen zwischen den beiden Ländern.

Die mongolisch-schweizerische Entwicklungsstiftung, eine NGO, wurde 2003 errichtet. 

1990 kam es zur Gründung der schweizerisch-mongolischen Kultur-Assoziation, 2004 zum schweizerisch-mongolischen Kultur- und Solidatitätsverein. 

2006 eröffnete die DEZA das schweierische Kultur- und Informationszentrum im Kinderbuch-Palast.

In der Mongolei sind rund 30 Schweizer Staatsangehörige registriert.  

(Quelle: EDA) 

(Übertragung aus dem Englischen: Christian Raaflaub)

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