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Kanton Zürich will assistierten Suizid in Pflegeheimen erlauben

Frau in Altersheim
In der Schweiz wird darüber debattiert, ob älteren Menschen der assistierte Suizid in Pflegeheimen erlaubt werden soll. © Keystone / Christian Beutler

Der Zürcher Kantonsrat will die Sterbehilfe für alle Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen erlauben. Die Debatte, die über zwei Stunden dauerte, war sehr hitzig.

Der Zürcher Kantonsrat hat am Montag eine parlamentarische InitiativeExterner Link verabschiedet, die alle Heime gesetzlich dazu verpflichtet, ihren Bewohner:innen einen assistierten Suizid zu ermöglichen.

Worum ging es?

Der assistierte Suizid ist in der Schweiz legal. Im Kanton Zürich liegt es im Ermessen der einzelnen Alterspflege-Einrichtungen, ob sie ihren Bewohner:innen die Beihilfe zum Suizid gestatten oder nicht. Die meisten Einrichtungen erlauben den assistierten Suizid, einige verbieten ihn jedoch aus religiösen oder anderen Gründen.

Wer in solchen Einrichtungen lebte und einen assistierten Suizid wünschte, musste für den letzten Weg sein gewohntes Wohnumfeld verlassen.

Gemäss Statistiken von Exit, der landesweit grössten Sterbehilfeorganisation, stirbt nur eine Minderheit (14%) der Personen, die mit Hilfe der Organisation Suizid begangen haben, in Pflegeheimen. Die Initiator:innen der Initiative wollten das Recht auf Selbstbestimmung am Lebensende auch allen Heimbewohnern sichern.

Im Kanton Zürich hatte sich die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit im April gegen die Initiative ausgesprochen. Sie erklärteExterner Link, die Entscheidung, ob Sterbehilfe erlaubt sei oder nicht, solle wie bisher der Autonomie der Einrichtung überlassen bleiben und nicht gesetzlich vorgeschrieben werden.

Argumente im Kantonsrat

Die Debatte im Parlament war hitzig.

Die Argumente für die Initiative konzentrierten sich auf das Recht der Einwohner:innen, selbst um Sterbehilfe zu ersuchen. Thomas Marthaler (SP) betonte: “Es ist nicht einzusehen, warum eine Person am Lebensende in einem Heim vom Goodwill der Heimleitung abhängig sein soll.”

Jeannette Büsser (Grüne), argumentierte, dass “das Selbstbestimmungsrecht eines Menschen nicht wegen eines Wohnsitzwechsels eingeschränkt werden sollte”. Bei der Initiative gehe es nicht darum, ob Sterbehilfe richtig oder falsch sei, sondern um die Garantie des Selbstbestimmungsrechts.

Geschützte Räume

Die Gegner:innen entgegneten, dass die Entscheidung weiter dem Ermessen der einzelnen Einrichtungen überlassen bleiben sollte. Markus Schaaf (EVP, Zell) als Geschäftsführer des Pflegeheimes argumentierte, dass bei einer einheitlichen Zulassung der Suizidbeihilfe ein psychischer Druck auf die Bewohner:innen weiter zunehmen wird. “Es gibt Menschen, die sehr dankbar sind, dass es Schutzräume geben, wo der assistierte Suizid nicht praktiziert wird.”

Mehrere Ratsmitglieder meinten auch, dass das Selbstbestimmungsrecht des Pflegeheimpersonals und anderer Bewohner:innen nicht missachtet werden dürfe. Astrid Furrer (FDP) sagte, “Mitarbeitende können darunter leiden und auch die Mitbewohnerinnen.”

Regierung ist dagegen

Die Regierungsrätin und Vorsteherin der Gesundheitsdirektion Natalie Rickli, selbst Mitglied von EXIT, sagte, “ich bin dagegen, allen Alters und Pflegeheimen per Gesetz vorzuschreiben, dass sie Sterben zulassen müssen.”

Ein gesetzlicher Zwang führe bei Heimen, die den assistierten Suizid aus religiös Gründen verbieten, sowie Institutionen für psychisch kranke Menschen, zu Konflikten. Laut Rickli ist hingegen der Ausbau der Palliativmedizin in allen Einrichtungen wichtig.

SP, Grüne, GLP und AL stimmten dafür. SVP, EVP und EDU dagegen. FDP und die Mitte waren gespalten und beschlossen Stimmfreigabe. Der Entscheid fiel mit 92 zu 76 Stimmen für die Gesetzesänderung.

EXIT begrüsste das Abstimmungsresultat. Bernhard Sutter, EXIT-Geschäftsführer erklärte in einer MedienmitteilungExterner Link; “Heimbewohnende erhalten dasselbe Recht, wie Sterbewillige in der Miet- oder Eigentumswohnung. Sie müssen zum selbstbestimmten Sterben nicht noch mühselig die eigenen vier Wände verlassen.”

Mehrere Vertreter:innen der SVP haben angekündigt, ein Behördenreferendum gegen diesen Entscheid zumindest zu unterstützen. Das letzte Wort hat vermutlich das Stimmvolk.

Auch in den anderen Kantonen

Im März hat der Walliser Grossrat das Gesetz verabschiedet, das den assistierten Suizid in Pflegeheimen ermöglicht. Das letzte Wort dazu hat aber die Stimmbevölkerung.

Letztes Jahr hat auch das Bündner Parlament eine Motion verabschiedet, die den assistierten Suizid in allen staatlich finanzierten Pflegeheimen und Spitälern erlaubt. Der Verein Palliative Care Graubünden wehrt sich gegen diese Motion.

Die Waadt hatte schon im Jahr 2012 als erster Schweizer Kanton die Sterbehilfe gesetzlich geregelt. Das Stimmvolk sagte klar Ja zu einem Vorschlag der Regierung zum begleiteten Suizid in Pflegeheimen und Spitälern.

Mehr

Debatte
Gastgeber/Gastgeberin Kaoru Uda

Inwieweit sollte die Beihilfe zum Suizid für Menschen, die ihr Leben beenden wollen, legal möglich sein?

Die Schweiz hat die Sterbehilfe in den 1940er-Jahren legalisiert. Über 1000 Schwerstkranke oder Behinderte beenden hier jedes Jahr ihr Leben.

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