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Graue Wolken über Schweizer Solarenergie

Eine der grossen Solarenergieanlagen in der Schweiz steht in La Chaux-de-Fonds. Ex-press

Einst als Pioniernation in Sachen Solarenergie bekannt, entwickeln sich inzwischen in der Schweiz die Forschung und die Anwendung immer weiter auseinander.

Ein Schweizer Solarboot sorgt zwar auf dem Atlantik für Weltrekorde, doch im Inland nehmen die Solar-Anwendungen kaum zu. Weltweit beträgt das Marktvolumen bereits 15 Mrd. Franken.

Einerseits belegt die Schweiz forschungs- und technologiemässig einen Spitzenrang, sagt Stefan Nowak, Leiter des Fotovoltaik- (Solarenergie-) Programms der Internationalen Energieagentur.

Die letzte Weltpremiere liegt erst einen Monat zurück: In New York feierte man die Überquerung des Atlantiks durch das Schweizer Solarboot sun21.

Andererseits kommt die Nachfrage nach Solarenergie-Anwendungen im Land selber nur schwer vom Fleck: 2006 erreichten die Verkäufe von Solarprodukten und -dienstleistungen lediglich 22 Mio. Franken.

Ein Tropfen auf den heissen Stein, verglichen mit den weltweiten Umsätzen von 15 Mrd. Franken jährlich. Auch die Wachstumsraten bewegen sich international im zweistelligen Bereich.

Deshalb suchen Schweizer Produzenten ihr Heil als Zulieferer im Ausland. Die Schweiz exportiert Solar-Anwendungen für rund 350 Mio. Franken in die Weltmärkte, gemäss Swissolar, dem Fachverband für Sonnenergie.

Ungleichgewicht zwischen Solar und Öko

Diese stagnierende Solar-Entwicklung kontrastiert stark mit den intensiven Bemühungen um Ökologie und Klimaneutralität, die die Schweiz in anderen Bereichen an den Tag legt. Ein Grund für den Rückstand gegenüber anderen Ländern könnte die traditionell starke Position der Wasser-Elektrizitäts-Industrie sein:

Die in den Schweizer Alpen sehr intensiv genutzte Wasserkraft gilt inzwischen ebenfalls als nachhaltige und erneuerbare Energiequelle – obschon die Stauseen und -mauern ökologisch diskutable Eingriffe in die Natur darstellen.

Aufgrund der Kapitalverflechtung der Wasserkraft mit fossilen und Kernenergien sind hier auch leichter Investitionsgelder zu finden.

Als weiteren Grund für die stagnierenden Solar-Anwendungen nennen Stefan Nowak und Michael Kaufmann vom Bundesamt für Energie, den Umstand, dass die Wirtschaft beim Einkauf energetischer Anwendungen traditionelle Bereiche bevorzugt. Und schliesslich habe der Staat die Solarenenergie als Alternative zuwenig gefördert.

Wenig Sonne, teure Energie

Den Einwand, in unseren Breitengraden sei die Sonneneinstrahlung eh beschränkt, lässt Kaufmann nicht gelten. In Österreich gebe es rund zehn Mal mehr Solarzellen als in der Schweiz – bei gleichen klimatischen Verhältnissen.

Problematischer sieht es beim Preisvergleich aus: Elektrizität aus Sonnenenergie ist vergleichsweise teurer – vorläufig, denn der Wirkungsgrad pro Solarzelle erhöht sich laufend. Wasser-Erwärmung mit Sonnenenergie ist laut Kaufmann bereits heute rentabel.

Weltweites Wachstum

Während weltweit die Produktionskosten für Solarenergie fallen, steigt der Preis für fossile Energie. Das gibt Auftrieb für grosse Investitionsgüterproduzenten wie zum Beispiel den Zürcher Technologiespezialisten OC Oerlikon, der Silizium-Kollektorenplatten herstellt.

Um genügend schnell auf dieses Wachstum aufzuspringen, braucht es Finanzkraft. Grosse Unternehmen finden leichter Zugang zu Kapital. Kleine oder sogar mittlere Unternehmen können dabei kaum mithalten. Eine Ausnahme ist die mittelgrosse waadtländischen MW-Line, die das Weltrekord-Schiff sun21 gebaut hatte. Sie wird allerdings von wichtigen Partnern unterstützt.

sun21: Gewerbe, Politik und Wissenschaft

Gewerbe und Industrie suchen darum das Gespräch mit Politik und Wissenschaft: Zum Beispiel an der Messe Energieforum sun21, die dieses Jahr noch bis am 23. Juni in Basel stattfindet. sun21 versucht, fortschrittliche Energielösungen umzusetzen.

Die Messe sun21 hat sich seit ihrem Beginn vor einem Jahrzehnt die Energiewende zum Ziel gesetzt: Erneuerbare Energien sollen die fossilen Brennstoffe Öl, Kohle, Gas und auch die Kernenergie ersetzen.

Nicht nur machen Treibhauseffekt, Klimawandel und Umweltbelastung diese Energiewende notwendig. Sie setzt auch neue Technologien voraus: Gewerbe und Industrie sehen hier grosse Wachstumschancen.

swissinfo, Alexander Künzle

Die Schweiz ist schon lange ein Solar-Pionier.

1990 gewann das Solarmobil der Ingenieurschule Biel, “Spirit of Biel”, ein Wettrennen quer durch Australien.

Als gegenwärtiges Vorzeige-Beispiel für die Schweizer Fotovoltaik-Forschung gilt das Schiff sun21. Im Mai beendete das 13 Meter lange Schiff die erste Atlantiküberquerung mit Solarenergie.

Das Schiff wurde vom waadtländischen Unternehmen MW-Line gebaut.

2009 soll ein ähnlich konstruiertes, aber 30 Meter langes Boot als “Planet-Solar” die ganze Welt umrunden.

In der Schweiz bekannt wurden die MW-Boote an der Expo02, als sie rund eine Million Personen von Murten zum Monolithen von Jean Nouvel transportierten.

2011 ist eine weitere Weltumrundung Schweizerischer Prägung geplant: Bertrand Piccard will per Solarflugzeug die Welt umfliegen.

Die Sonne strahlt jährlich 40’000 Mrd. Kilowattstunden auf die Schweiz.

Das sind rund 220 Mal mehr als die gesamte Schweiz an Energie verbraucht.

Lediglich etwas mehr als 40’000 Solaranlagen mit bald 350’000 m2 Sonnenkollektoren (ohne Schwimmbadheizung) nutzen diese Gratisenergie als Wärme.

1800 netzverbundene Fotovoltaik-Anlagen und zahlreiche Inselanlagen und einer Fläche von etwa 170’000 m2 wandeln Solarstrahlung in Strom um.

Damit wird jedoch erst ungefähr 0,3% unseres Wärmeverbrauchs und 0,03% des Strombedarfs produziert.

Gesamthaft verfügt die Schweiz über zirka 400 Mio. m2 Dachflächen. Damit könnte die Schweiz rund einen Drittel ihres Wärme- und Strombedarfs mit Solarenergie erzeugen!

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