Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Grossfusion in der Schweizer Medienbranche

"Synergien nutzen": Tamedia übernimmt 80% an der Espace Media Group. Keystone

Die Zürcher Tamedia übernimmt die Berner Espace Media Groupe. Tamedia ist Verlegerin des Tages-Anzeigers, Espace Media der Berner Zeitung und des Bund.

Ziel des Zusammenschlusses der beiden Medienhäuser ist laut Tamedia die “Nutzung von Synergien und die gemeinsame Lancierung neuer Medienprodukte”.

Tamedia beteiligt sich mit 80% an Espace Media. Das teilte die Tamedia am frühen Donnerstagmorgen mit.

Der Kaufpreis beträgt 205 Mio. Franken in bar sowie 600’000 Tamedia-Aktien, die im Rahmen einer Kapitalerhöhung geschaffen werden sollen. Der Wert der Aktien beträgt nach aktuellem Kurs 103 Mio. Franken.

Die bisherigen Mehrheitseigner der Espace Media Groupe, in erster Linie die Familien Erwin Reinhardt-Scherz und Charles von Graffenried, beteiligten sich damit “substanziell” an Tamedia, wie es in der Mitteilung heisst.

Espace-Verwaltungsratspräsident Charles von Graffenried soll zudem in das Aufsichtsgremium von Tamedia gewählt werden.

Radios werden verkauft

Um den Anforderungen des Radio- und TV-Gesetzes gerecht zu werden, müssen beide Unternehmen je ein Privatradio verkaufen. Tamedia strebt deshalb den Verkauf des Basler Radios Basilisk bis Ende 2007 an.

Die Espace Media Groupe sucht einen Partner für das zweisprachige Bieler Radio Canal 3.

Der geplante Zusammenschluss werde der Eidgenössischen Wettbewerbskommission (Weko) gemeldet. Nach der Zustimmung durch die Weko werde Tamedia über ein allfälliges Angebot an die Eigentümer der restlichen 20% des Aktienkapitals der Espace Media Groupe entscheiden.

Werbegelder gehen ins Netz

Ziel des Zusammenschlusses der beiden Medienhäuser sei die “Nutzung von Synergien und die gemeinsame Lancierung neuer Medienprodukte” in den Bereichen Print, Online und E-Medien, schreibt Tamedia weiter.

Die Veränderungen der Medien- Nutzungsgewohnheiten und die Verlagerung der Werbegelder ins Internet stelle die Medienbranche vor grosse strukturelle Herausforderungen.

Mit dem “strategischen Zusammenschluss” wollten die beiden Unternehmen “die Kompetenzen und die besten Talente aus beiden Unternehmen zusammenführen und die Chance nutzen, die sich aus diesem Wandel ergeben”.

Bleibt in Schweier Händen

Zur Espace Media Groupe gehören neben den Tageszeitungen Berner Zeitung und Der Bund auch der Regionalsender TeleBärn und das Lokalradio Capital FM.

Deren “freiheitlich-demokratische Ausrichtung” werde auch im neuen Verbund beibehalten. Albert Stäheli bleibt Unternehmenschef der Espace Media.

Roger Blum, Direktor am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Bern reagiert mit gemischten Gefühlen auf die Übernahme. “Es ist eine unausweichliche Entwicklung, welche eine gewisse Gefahr für die Meinungsvielfalt darstellt. Aber es muss ich a priori schlecht sein”, sagte er gegenüber swissinfo.

Weiter zeigte sich Blum glücklich darüber, dass die Espace Media in Schweizer Händen bleibe.

Medienminister: Meinungsvielfalt bleibt

Der Schweizer Medienminister, Moritz Leuenberger, sieht in der Grossübernahme keine Gefährdung der Meinungsvielfalt in der Schweizer Medienlandschaft.

Er sehe keinen Anlass, politisch dagegen tätig zu werden, sagte er im Radio. Es gebe zahlreiche Presseunternehmen, elektronische Medien, die nationalen Medien und Lokalradios, die noch nicht Tamedia gehörten.

Damit sei die Meinungsvielfalt weiter gewährleistet. Einerseits bedaure er zwar die Übernahme, weil sie die regionale Eigenständigkeit gefährde, es gebe aber auch eine andere Seite.

Ein starkes Presseunternehmen könne es sich leisten, auf qualitativ guten Journalismus zu achten. “Und diese Frage, die Qualität des Journalismus, ist mir viel wichtiger als die Frage, ob das aus einer Hand oder aus zwei Händen geschieht”, sagte Leuenberger.

Gewerkschaft: “beängstigende Dimension”

Mit dem Kauf erreicht die Konzentration im schweizerischen Medien- und Druckbereich nach Angaben der Gewerkschaft Comedia eine neue beängstigende Dimension.

Comedia forderte deshalb am Donnerstag von der Tamedia, dass sie die Vielfalt ihrer Standorte, ihrer Medien und insbesondere auch deren Unabhängigkeit voneinander garantiere.

Die Gewerkschaft kündigte im weiteren an, dass sie sich mit allen Mitteln dagegen wehren werde, dass Medienprodukte und Arbeitsplätze den Profitinteressen geopfert würden.

Jede Übernahme von Medien- und Druckunternehmen durch Tamedia habe in den letzten Jahren zum massiven Abbau von Arbeitsplätzen geführt.

Synergien nutzen

Tamedia erzielte 2006 einen Umsatz von knapp 724 Mio. Fr. (+11,3% gegenüber dem Vorjahr). Der Gewinn betrug 98,4 Mio. Fr.(+23,4%).

Die Espace Media Groupe erzielte einen Umsatz von 250 Mio. (-4,5%) und einen Gewinn von 17,6 Mio. (-6%).Tamedia ist seit 1990 mit 49% an der Berner Zeitung” beteiligt.

Seit 1987 hält diese 15% des Aktienkapitals der SonntagsZeitung, die von Tamedia herausgegeben wird. Zudem beteiligt sich die Berner Zeitung mit 17,5% an der Pendlerzeitung 20 Minuten.

swissinfo und Agenturen

Tamedia ist Verlegerin von 14 Zeitungen und Zeitschriften.

Die bekanntesten Titel sind: Tages-Anzeiger, SonntagsZeitung, 20 Minuten und das Magazin Facts.

Im weitern besitzt Tamedia den Privatfernsehsender Tele Züri und die beiden Privatradios Radio 24 und Radio Basilisk.

Die Espace Media Groupe ihrerseits kontrolliert 8 Zeitungen, darunter die Berner Zeitung, den Bund und die Wochenzeitung Automobil Revue.

Das Berner Unternehmen ist zudem Besitzerin des Privatfernesehsenders TeleBärn und der beiden Privatradios Capital FM und Canal3.

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft