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Grün ist nicht gleich grün

Die Grünliberalen wollen ihren Erfolg im Kanton Zürich auf das ganze Land ausdehnen. imagepoint

Nach ihrem überraschenden Erfolg bei den Zürcher Kantonswahlen streben die Grünliberalen die Gründung einer nationalen Partei an. Bei den Nationalratswahlen im Herbst wollen sie ins Parlament einziehen.

Die Grünliberalen distanzieren sich von der Linken, um eine grüne politische Mitte zu schaffen. Ob dies möglich ist, wird seit Beginn der ökologischen Bewegungen diskutiert.

“Wir glauben an eine verantwortungsvolle Umweltpolitik, die jedoch auf vernünftigen finanziellen Grundlagen basieren muss”, sagt Thomas Weibel, Co-Präsident der Zürcher Grünliberalen, gegenüber swissinfo.

“Im Vergleich zu den ,klassischen’ Grünen sind soziale Themen für uns nicht prioritär. Umgekehrt haben Themen der Finanz- und Wirtschaftspolitik für uns sehr grosse Bedeutung”, fügt er an.

Die neue politische Partei wurde vor drei Jahren als lokale Abspaltung der Grünen Partei der Schweiz (GPS) geboren. Ausschlaggebend war damals die Entmachtung von Martin Bäumle als Parteipräsident der Zürcher Grünen-Sektion. Nationalrat Bäumle ist seither Leader der Zürcher Grünliberalen.

Am 15. April haben die Zürcher Grünliberalen die ganze Schweiz überrascht. Bei den Wahlen im bevölkerungsreichsten Kanton der Schweiz eroberten sie auf Anhieb 10 von 180 Parlamentsmandaten bei einem Wähleranteil von 6 Prozent. Dies tröstete auch über den Verlust eines Sitzes in der Regierung hinweg.

Nach dem Erfolg in Zürich denkt die Partei daran, sich national zu etablieren. Im Oktober sind nationale Parlamentswahlen. Bisher gibt es nur in einigen Kantonen eigene Sektionen der Grünliberalen (St.Gallen, Schwyz, Schaffhausen), während mit anderen Kantonen Kontakte aufgenommen wurden (Aargau, Graubünden und Basel)

“Die Wahlen in Zürich haben gezeigt, dass es Raum für eine ökologische Partei liberaler Prägung gibt”, betont Weibel. “Unser Ziel ist es, bei den nationalen Wahlen fünf Nationalratsmandate zu erobern und so eine eigene Fraktion bilden zu können.”

Grünes Wachstum in der Mitte

“Die Grünliberalen profilieren sich als Partei ausserhalb der klassischen Rechts-Links-Schemas”, analysiert der Politologe Oscar Mazzoleni. In diesem Sinne könnte die neue Partei allenfalls die zunehmende Polarisierung der Schweizer Politik etwas abbremsen.

“Im Bereich der Ökopolitik weitet sich das Angebot aus”, meint Mazzolini, “aber die politischen Folgen dieser Erneuerung sind noch nicht klar abzusehen.” Viel hänge davon ab, wie die anderen Parteien auf diese Entwicklung reagierten, insbesondere die Sozialdemokraten. Die SP war bei den Kantonswahlen von Zürich die grosse Verliererin.

Die Situation ist je nach Kanton sehr unterschiedlich. Während die Zürcher Grünen stark links positioniert waren und so Raum für eine ökologische Politik der Mitte liessen, stehen die traditionellen Grünen der Romandie den Zürcher Grünliberalen in ihren Positionen bereits sehr nahe.

Rückkehr zur Vergangenheit

In der Schweiz sind die Flügelkämpfe zwischen gemässigten Grünen und Integralisten keine Neuheit: In der 25-jährigen Geschichte der Grünen Partei der Schweiz hat es diese immer wieder gegeben, ähnlich wie in Deutschland und England.

Für die jeweiligen ideologischen Positionen griff man gerne auf das Vokabular aus dem Gemüsegarten zurück. Die Pragmatiker nannte man Gurken (aussen grün, innen grün), während die Links-Alternativen den Spitznamen Melone erhielten (aussen grün, innen rot).

Am Ende der 1980er-Jahre haben die Schweizer Grünen die internen Spannungen nicht mehr nach aussen getragen. Seither positionierten sie sich als linke und gewerkschaftsnahe Kraft. “Doch die internen Debatten sind natürlich weiter gegangen, was die Gründung der Grünliberalen Partei ganz klar aufzeigt”, meint Mazzoleni.

Thomas Weibel bestätigt diese Einschätzung: “Wir stehen für Positionen ein, welche die Schweizer Grünen bis vor 20 Jahren verteidigt haben, also bevor sie sich eindeutig links positionierten.”

Laut Weibel kehren viele Ehemalige, die nach dem Links-Rutsch der Grünen Partei den Rücken zugewandt hatten, jetzt zu den Grünliberalen zurück: “Wir sind überzeugt, dass die Grünliberalen die ursprüngliche Zielsetzung der ökologischen Bewegung verkörpern.”

swissinfo, Marzio Pescia
(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

Die Grünen sind die grossen Gewinner bei den Kantonswahlen seit 2004. In 24 Kantonen wurden die Parlamente neu bestellt. Fast überall konnte die Grünen zulegen.

Seit 2004 haben die Grünen 57 neue Mandate errungen und erreichen inzwischen 190 Parlamentssitze in den Kantonen.

Vor drei Jahren verfügten die Grünen über 4,71 Prozent der Parlamentsmandate. Inzwischen ist die Quote auf 7,24 Prozent gestiegen. Die 10 Sitze der Grünliberalen Partei im Kanton Zürich sind bei dieser Statistik nicht berücksichtigt.

Die Grünen sind im Vormarsch, doch im Schweizer Parlament sind sie nach wie vor eine Minderheit. Ihre Ideen stimmen selten mit der Linie der Parlamentsmehrheit überein.

Gemäss einer Studie der Universität Bern stimmte die Fraktion der Grünen nur in 50,1 Prozent der Abstimmungsvorlagen mit der Mehrheit im Nationalrat, dem Abgeordnetenhaus.

Bei den Christlichdemokraten (Zentrum) liegt dieser Anteil bei 88,3 Prozent, bei den Freisinnigen bei 82,6 Prozent (Mitte-rechts), bei der national-konservativen Volkspartei bei 66,8 Prozent und bei den Sozialdemokraten bei 54,4 Prozent.

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