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Grüne reif für Bundesrat – aber ohne Rechtskonservative

Keystone

Die Grünen sind die einzige politische Partei, der für die Wahlen im Herbst namhafte Gewinne vorausgesagt werden. Vor diesem Hintergrund erheben sie Anspruch auf einen Regierungssitz.

Allerdings will die Grüne Partei nur in einer Regierung ohne Schweizerische Volkspartei Einsitz nehmen. Als Wahlziel nennt die Partei fünf zusätzliche Mandate in der grossen Parlamentskammer und den Einzug in die kleine.

An der Präsentation der Legislaturbilanz 2003 bis 2007 der grünen Fraktion am Montag in Bern gab es kritische Worte über die Bilanz des Bundesrates, der Schweizer Regierung, und des Parlamentes.

Die Mehrheit des Parlamentes vernachlässige die wichtigsten Fragen der Schweiz, sagte Ueli Leuenberger, Vizepräsident der Grünen Partei und Genfer Nationalrat.

Auch der Bundesrat behandle die zentralen Fragen nicht mit der notwendigen Ernsthaftigkeit.

Bereit für Landesregierung

Die Wahlen vom 21. Oktober und die Bundesratswahlen im Dezember seien eine einmalige Gelegenheit für eine Kursänderung. Die Grünen seien reif für den Bundesrat, allerdings nur dann, wenn die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei (SVP) nicht mehr im Bundesrat vertreten sei, sagte Leuenberger.

Ob es die anderen Parteien auch so sähen, sei noch nicht klar. Nun müsse eine Debatte darüber geführt werden. Wer wolle im Jahr 2009 mit Christoph Blocher einen Bundespräsidenten, der auf das internationale Recht spucke und die Gewaltentrennung missachte, fragte Leuenberger.

Die SVP sei mit der Minarettverbots- und der Ausschaffungs-Initiative weiter nach rechts gerückt und nicht mehr bundesratstauglich, ergänzte der Zuger Nationalrat Josef Lang.

Gelassene Reaktionen

“Dass die Grünen bereit sind für einen Bundesratssitz, aber nur ohne die SVP, ist für uns nichts Neues und keine Überraschung”, sagt Claudine Godat, Sprecherin der Sozialdemokratischen Partei (SP), gegenüber swissinfo. “Unsere Wahlstrategie ändert sich deswegen überhaupt nicht.”

Ziel der SP ist sei es nach wie vor, stärkste Partei zu werden. Die Linke insgesamt sollte bei den Wahlen zulegen. “Ein grüner Bundesratssitz ist für uns vorstellbar. Auch die SP wird Blocher bei den Bundesratswahlen nicht wählen, genau wie vor vier Jahren”, so Godat.

Die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP) will weiterhin zwei Bundesräte und die Kandidatur ihrer beiden bisherigen Regierungsmitglieder Hans-Rudolf Merz und Pascal Couchepin unterstützen. “Und übrigens liegt der Ball bei den anderen Parteien”, sagt FDP-Sprecher Christian Weber.

“Wir werden die Resultate der Parlamentswahlen vom Oktober berücksichtigen und die Bundesratskandidaturen der anderen Parteien zur Kenntnis nehmen”, so Weber.

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Bundesrat

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Der Bundesrat ist die Schweizer Regierung (Exekutive). Sie besteht aus sieben Mitgliedern, die alle vier Jahre vom Parlament (Vereinigte Bundesversammlung) gewählt oder bestätigt werden. Ein Mitglied der Landesregierung wird “Bundesrat” oder “Bundesrätin” genannt. Jeder Bundesrat, jede Bundesrätin, steht einem Departement als Minister oder Ministerin vor. Aus ihrer Mitte wird jährlich abwechselnd nach Amtsdauer der Bundespräsident…

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Bis fünf zusätzliche Nationalratsmandate

Bei den Parlamentswahlen wollen die Grünen drei bis fünf zusätzliche Nationalratsmandate gewinnen und den Einzug in den Ständerat schaffen, wie Generalsekretär Hubert Zurkinden sagte.

Damit würde die Fraktion auf rund 20 Leute steigen. Die Dynamik bei kantonalen Wahlen stimme sehr zuversichtlich, dieses Ziel zu erreichen, hiess es.

Nicht als grosse Gefahr sehen die Grünen die Grünliberale Partei (GLP) um den Zürcher Nationalrat Martin Bäumle. Diese werde wahrscheinlich vor allem in den Kantonen Zürich und St. Gallen Stimmen machen, sagte Zurkinden.

Positive Fraktionsbilanz

Für die Legislatur 2003 bis 2007 zog Fraktionspräsidentin Therese Frösch eine positive Bilanz. Die grüne Fraktion sei die Fraktion des Klimaschutzes gewesen, sagte die Berner Nationalrätin.

Gleichzeitig seien die Grünen aber auch die Kraft gegen Atomkraftwerke gewesen und für eine andere als von den Bürgerlichen propagierte Asyl- und Ausländerpolitik eingestanden.

Als Antikriegspartei hätten die Grünen eine breiter gewordene Infragestellung der von den USA diktierten neuen Weltordnung ermöglicht. Als Wermutstropfen bezeichnete Frösch die Finanzpolitik.

Auch in der kommenden Legislatur sollen die Akzente auf die Umweltpolitik sowie auf Sozial- und Friedenspolitik gesetzt werden, sagte die Präsidentin der grünen Fraktion.

swissinfo und Agenturen

Bei den letzten Parlamentswahlen 2003 konnten die Grünen ihren Wähleranteil von 5 auf 7,4% steigern. Im Nationalrat, der grossen Parlamentskammer, stieg ihre Sitzzahl von 9 auf 13. In der kleinen Kammer, dem Ständerat, sind die Grünen bislang nicht vertreten.

Umfragen sehen die Grüne Partei als Siegerin der Parlamentswahlen im Herbst 2007. Gemäss dem Wahlbarometer des Instituts gfs.bern im Auftrag der SRG SSR idée suisse könnten die Grünen auf über 10% Wähleranteil kommen.

Der letzte Wahlbarometer von Anfang August ergab 10,3% für die Grünen, nach 10,9% Ende Juni. Darin nicht eingerechnet sind die Grünliberalen, die auf knapp 2% kommen dürften.

Auf kantonaler Ebene verfügen die Grünen über 190 Parlamentssitze (+ 10 der Alternativen Zug, die auf nationaler Ebene der Grünen Franktion angehören) und 7 Regierungssitze (+ 2 der Alternativen Zug).

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