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Grüninger-Preis ehrt einen ruandischen Helden

Für seinen mutigen Einsatz während des Völkermords in Ruanda erhält Damas Gisimba den diesjährigen Paul Grüninger Preis.

Der Preis wird vergeben in Erinnerung an den St.Galler Polizeikommandanten, der 1938/39 jüdische Flüchtlinge vor den Nazis gerettet hatte.

Im April 1994 begann im zentralafrikanischen Ruanda das unfassbare Morden: Innerhalb von nur 100 Tagen wurden gegen 800 000 Tutsi und oppositionelle Hutu von der ruandischen Armee und von Hutu-Milizen hingemetzelt. Wer sich den mordenden Meuten entgegen stellte, riskierte das eigene Leben.

Den Mördern entgegen gestellt



Damas Mutezintare Gisimba, damals 32-jähriger Direktor eines Waisenhauses in Kigali, versuchte alles, um seine 64 Schützlinge und die unzähligen Flüchtlinge, die bei ihm Unterschlupf fanden, zu retten.

Insgesamt hat Gisimba in den Monaten des Genozids 80 Erwachsene und rund 300 Kinder versteckt und, trotz äusserst misslichen Bedingungen, versorgt.

Immer wieder forderten Hutu-Milizen von ihm die Herausgabe versteckter Tutsis, doch Gisimba schaffte es, die mit Gewehren oder Macheten bewaffneten Mörder mit Lebensmitteln und Geld zu bestechen und hinzuhalten.

Gisimba, selber Hutu und verheiratet mit einer Tutsi-Frau, bewahrte damit mehrere hundert Menschen ungeachtet ihrer ethnischen Herkunft vor dem sicheren Tod.

“Einer von viel zu wenigen”

Zehn Jahre nach dem Völkermord erhält Gisimba für seinen Widerstand und sein mutiges Engagement den Paul Grüninger Preis. Damit folgt die Stiftung dem Antrag der Menschenrechtsorganisation Africans Rights.

Der Stiftung lagen dieses Jahr mehr als vierzig dokumentierte Kandidaturen aus der ganzen Welt vor.

“Gisimba war nicht der Einzige in Ruanda, der den Verfolgten half, doch er war einer von viel zu wenigen”, begründet die Paul Grüninger Stiftung die Auszeichnung.

“Er hat den Menschen geholfen, trotz den grossen Risiken und Widrigkeiten, die sein Einsatz für ihn und seine Familie bedeutet hat.”


Wofür der Ruander die 50’000 Franken Preisgeld verwendet, weiss der heute 42-jährige Waisenhausdirektor noch nicht genau.

154 Kinder leben heute in seinem Waisenhaus, und es sei nicht immer einfach, allen den Schulbesuch zu finanzieren, sagt er. Mit dem Preisgeld lässt sich dieses Problem für die nächste Zukunft lösen.

Zur Erinnerung an Paul Grüninger

Gisimba ist erst der zweite Preisträger, der diese Auszeichnung in St.Gallen erhält. Im Jahre 2001 wurde die afghanische Ärztin Sima Samar ausgezeichnet.

Samar, die seit 1984 im pakistanischen Exil lebt, erhielt den Preis für ihren mutigen Einsatz zugunsten des Rechts auf Gesundheit und Bildung von Frauen und Mädchen, die in dem von Krieg und Gewalt heimgesuchten Afghanistan besonders entrechtet worden sind. Geehrt wurde auch ihr Engagement zugunsten von afghanischen Flüchtlingen im pakistanischen Exil.

Geschaffen wurde der Preis von der Paul Grüninger Stiftung – zur Erinnerung an den ehemaligen Kommandanten der Kantonspolizei St. Gallen und Flüchtlingsretter Paul Grüninger (1891–1972). Die Auszeichnung wird alle drei Jahre an Personen verliehen, die sich durch besondere Menschlichkeit, besonderen Mut und besondere Unvoreingenommenheit hervortun.

Verfemt und vergessen

Paul Grüninger rettete in den Jahren 1938 und 39 mehrere hundert jüdische und andere Flüchtlinge vor der nationalsozialistischen Verfolgung und Vernichtung. Trotz schweizerischer Grenzsperre nahm er sie in St. Gallen auf, missachtete die Weisungen des Bundes und übertrat auch Gesetze, um die Flüchtlinge zu schützen.

1939 wurde Paul Grüninger von der St. Galler Regierung fristlos entlassen. 1940 wurde er vom Bezirksgericht St. Gallen wegen Amtspflichtverletzung und Urkundenfälschung verurteilt. Er wurde verfemt, später vergessen und lebte bis zu seinem Tod in Armut.

Erst 1993 wurde Paul Grüninger durch die St. Galler Regierung politisch rehabilitiert.

swissinfo

Der 42-jährige Heimleiter Damas Gisimba ist Hutu, verheiratet mit einer Tutsi und Vater von vier Kindern.

Er führt das Waisenhaus, das sein Vater gegründet hat, seit 1990. Heute sorgen 26 Angestellte für das Wohl von 150 Kindern.

Ruanda ist halb so gross wie die Schweiz, zählt aber 8 Mio. Einwohner. Anfang April 1994 begann im zentralafrikanischen Land an der Tutsi-Minderheit ein Genozid, der von Hutus von langer Hand vorbereitet worden war.

In nur drei Monaten wurden mindestens 800’000 Menschen massakriert. Zehn Jahre nach diesem Völkermord ist das Land wieder relativ stabil.

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