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Heidi im Heidiland

Alpöhi Florian Schneider, Heidi Sabine Schädler und Geissenpeter Patric Scott lassen eine Kostprobe erklingen. swissinfo.ch

Die über alle Grenzen bekannte Geschichte des Waisenkindes Heidi, das erst auf der Alp und dann in Frankfurt aufwächst, kommt auf die Bühne.

Im Sommer erlebt “Heidi – das Musical” am Walensee in der Ostschweiz seine Welturaufführung.

“Die Geschichte gibt für ein erwachsenes Publikum einiges her”, erklärt Stefan Mens, der musikalische Leiter, von dem auch die Idee für das Projekt “Heidi – das Musical” stammt. Es gehe um die Suche nach Heimat, den Umgang mit dem Fremden, das Zurückfinden zu den eigenen Wurzeln, um Freundschaften, so Mens.

Die Veranstalter preisen die Aufführungen vom 23. Juli bis 3. September dieses Jahres ausdrücklich für ein erwachsenes Publikum an. Die allseits bekannte Heidi-Geschichte wird mit der Biografie ihrer Schöpferin Johanna Spyri verknüpft.

Die Macher wollen damit auch Einblicke ins Leben der bekanntesten Schweizer Schriftstellerin gewähren und Informationen zu den historischen Gegebenheiten um 1880 vermitteln.

Parallelen

Die Geschichte zeigt Parallelen zwischen Johanna Spyri und ihrem Geschöpf Heidi: Spyri pflegte ihren schwerkranken Sohn Bernhard. Sie erfand für ihn die Heidi-Geschichte und entwickelte sie Stück für Stück weiter.

Schliesslich musste sie ihm am Sterbebett versprechen, die Geschichte niederzuschreiben.

Die zunehmende Schwächung Bernhards steht jedoch im Widerspruch zur vollständigen Genesung von Heidis Freundin Klara in der Hütte des Alpöhis (Grossvater auf der Alp).

Openair vor grandioser Kulisse

Heidis und Johannas Geschichte gelangt auf einer Freilicht-Bühne am Ufer des Walensees in Walenstadt zur Aufführung. Im Hintergrund thronen die Churfirsten.

Die Tourismus-Region “Heidiland” wurde ins Projekt integriert. Und so ist auch Tourismus-Direktor Marco Wyss der Überzeugung, damit “die gesamte Region im Bewusstsein der Schweizerinnen und Schweizer und der ausländischen Feriengäste nachhaltig und positiv zu verankern”.

Von diesem touristischen Mehrwert will auch der Detailhandelsriese Migros profitieren. Für seine “Heidi”-Milchprodukte-Linie ist das Musical der ideale Werbeträger. So war der Schritt zum Sponsor wohl nicht allzu gross.

Alinghi-Musical

“Heidi ist ein Alinghi-Musical”, erklärt Mens gegenüber swissinfo. Wie beim wohl bekanntesten Segelschiff der Welt, dem Sieger des Americas Cup, sei die Idee von ihm, einem Schweizer, ausgegangen.

Die internationale Unterstützung folgt schnell: Der Komponist, Stephen Keeling und der Autor Shaun McKenna sind Engländer, John Havu, der Schweizer-Amerikaner, ist Produzent.

Und so erstaunt es auch nicht, dass Mens die Idee nicht in der Schweiz, sondern in Belgien hatte. Weiter passt dazu, dass der Original-Text in Englisch entstand und dann ins Deutsche und Schweizerdeutsche übersetzt werden musste.

McKenna und Keeling besitzen zudem die Rechte am Musical.

Schweizer in den Hauptrollen

In der 5 Mio. Franken teuren Produktion wurde die international bekannte Sue Mathys, Schauspielerin und Musicalstar, als Johanna Spyri verpflichtet. Der Basler Florian Schneider, bekannt von der Schweizer Aufführung des “Phantom of the Opera”, amtet als Alpöhi, und die Youngsters Sabine Schädler und Patric Scott schlüpfen in die Rollen von Heidi und Geissenpeter.

Insgesamt werden 25 Profidarsteller und –darstellerinnen aus der Schweiz und dem Ausland im Einsatz sein, begleitet von einem Live-Orchester.

Britische Musical-Tradition

Stephen Keelings Musik wird als beste britische Musical-Theater-Tradition beschrieben. Und genau dies bekamen die Zuhörer an der Presse-Orientierung auch zu Ohren.

Ob der englischen Tradition in den 19 Musicalsongs und 47 Musiksequenzen auch identitätsspendende schweizerische Elemente beigemengt werden, wird sich an der Uraufführung zeigen.

Nicht mehr Kitsch als nötig

Die Heidi-Geschichte wurde sehr oft mit einer idealisierten Sicht der Schweiz wiedererzählt. Man bewegte sich häufig in Klischees zwischen Alpenglühen und Grossstadt-Trauma.

“Ich möchte weg vom falschen Kitsch”, sagt Regisseur Stefan Huber gegenüber swissinfo. “Ich möchte echte Emotionalität hervorrufen und mit den Begriffen Heimat und Freiheit ehrlich und echt umgehen.”

Er wolle seine Figuren nicht auf Schlagwörter reduzieren. “Man soll sie aufgrund psychologisch motivierter Figuren auch wirklich nachempfinden können.”

Das seien natürlich auch Inhalte der Heidi-Geschichte, welche die Sehnsucht nach Bergen und Natur nach einer gewissen Ungezähmtheit enthielten.

“Dagegen steht aber immer die städtische Welt von Johanna Spyri, die Zwänge, in denen sie gelebt hat.” Und so schliesst Huber: “Ich glaube, das ist kein Kitsch – das ist Realität, die im 19. Jahrhundert genauso war wie sie heute ist.”

swissinfo, Etienne Strebel

Spielort: Walenstadt

Spieldauer: 23. Juli bis 3. September 2005

Aufführungen: 33

Sitzkapazität Tribüne: 2020

Ticketpreise: 52 bis 152 Fr.

Haupt-Sponsoren: Migros, Ferienregion Heidiland

1996: Der Musiker Stefan Mens hatte die Idee zum Musical Heidi während eines Engagements in Belgien.

1996 – 2002: Konkretisierung der Idee, Recherchen, erstes Konzept.

2002: Autor Shaun McKenna schreibt das Stück für eine Musical-Bühne.

2003: Stephen Keeling wird als Komponist verpflichtet. McKenna/Keeling schreiben erste Szenen und Songs.

2004: Das Projekt wird weiterentwickelt. Es folgen Machbarkeits-Studie und Businessplan, Bewilligungen, Auswahl des Aufführungs-Standortes, Orientierung der Bevölkerung.
Keeling-Songs werden produziert und aufgenommen, Stefan Huber wird als Regisseur verpflichtet.

2005: Besetzung der Hauptrollen, Konzeption von Bühnenbild und Kostümen. Mitte Juni beginnen in Walenstadt die Proben.
Am 23. Juli geht die Welturaufführung über die Bühne.

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