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Lasagne Bolognese mit Rindfleisch aus…

Die Qual der Wahl: Die Herkunft der Lebensmittel könnte den Kaufentscheid beeinflussen. Keystone

Kaufen sollen sie die Lebensmittel, je mehr, je besser. Aber woher die Nahrung kommt, geht die Konsumenten kaum etwas an. Der Pflicht zur Herkunftsdeklaration droht in der Schweiz derzeit eine Abschwächung. Aber der Pferdefleisch-Skandal sorgt für Gegenwind.

In den Tiefkühlregalen der Grossverteiler ist das Angebot noch immer vielfältig: Lasagne al Forno, Lasagne Verdi oder alla Bolognese. Aber das beliebte italienische Gericht hat einen (vermeintlichen) Beigeschmack, seitdem im Februar dieses Jahres in verschiedenen Lasagne-Produkten in halb Europa Pferdefleisch nachgewiesen wurde, anstatt Rindfleisch, wie es auf der Verpackung steht.

Spuren von Pferdefleisch wurden in der Folge auch in Rindfleischprodukten entdeckt, die in der Schweiz feilgeboten wurden. “Was schlucken wir da eigentlich genau beim Verzehr solcher Fertigprodukte?”, fragten auch nach dem jüngsten Lebensmittelskandal manche Konsumenten, “und woher genau stammen die Rohstoffe?”

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Probe aufs Exempel

Die Angaben auf der Verpackung der billigsten Lasagne Marke “M-Budget” des grössten Schweizer Detailhändlers Migros zum Beispiel geben wenig preis über die Biografie des Produkts. Einen Hinweis auf die Herkunft des “gehackten und gekochten Rindfleischs”, das sich in den “Teigwaren mit Rindfleischfüllung” befinden soll, sucht man vergeblich.

Auf Nachfragen per Telefon oder E-Mail gibt der Grossverteiler interessierten Kunden immerhin bekannt, dass das erwähnte Produkt in einem Migros eigenen Industrieunternehmen, nämlich in der Bischofszell Nahrungsmittel AG (Bina), hergestellt wurde. Das Rindfleisch in der erwähnten Lasagne stamme aus Deutschland.

“Weitere Detailinformationen über Zulieferanten geben wir nicht bekannt”, lässt die Nummer Eins des Schweizer Detailhandels wissen.

Zuständig für die Lebensmittelkontrolle der Bina und von weiteren rund 3000 Betrieben im Thurgau ist das kantonale Laboratorium. “Ich weiss, woher die Zutaten kommen”, sagt Kantonschemiker Christoph Spinner, “aber zu einem konkreten Produkt gebe ich keine Auskunft, weil ich der Schweigepflicht unterstehe”. Da gehe es auch um den Schutz geschäftsrelevanter Informationen wie Rezepturen, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt seien.

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Effizienter Informationsaustausch 

Die Verantwortung für die Produkte liege gemäss Gesetz bei den Betrieben, betont Spinner. Im Anschluss an den Pferdefleisch-Skandal habe sein Team stichprobenweise Betriebe überprüft, welche als Hersteller oder Händler solcher Produkte in Frage kommen könnten.

Dank des Rapid Alertsystems for Food and Feed (RASFF) der EU seien die relevanten Informationen der Behörden anderer europäischer Länder auch für die Schweiz relativ rasch zugänglich gewesen.

“Wir wollen so ziemlich alles wissen über Lebensmittel, in denen sich Hackfleisch befindet.” Kontrolliert haben die Behörden unter anderem die Warenflüsse und die Rückverfolgbarkeit der Rohstoffe. Woher diese bezogen werden, sei eine zentrale Frage, sagt Christoph Spinner, denn “die Lebensmittel-Kontrolle funktioniert nach dem Risiko-Prinzip. Je höher das Risiko, umso intensiver schaut man hin”. Aber welche Länder oder Betriebe als risikoreich beurteilt werden, geben die Behörden nicht bekannt.

Zugeknöpft gibt sich auch die Bina, die Herstellerin der M-Budget-Lasagne, jedenfalls gegenüber swissinfo.ch. Transparenter scheint der Informationsaustausch aber mit den Behörden zu funktionieren. In Bischofszell wussten die Verantwortlichen nämlich nicht nur, was die Migros auf die Fragen von swissinfo.ch geantwortet hatte, sondern auch, was der Kantonschemiker dazu gesagt hatte. Man pflege eben einen offenen Kontakt mit den Behörden, erklärt Helen Treier, die Verantwortliche für Kommunikation.

Bina beziehe das Fleisch in gehackter Form bei Micarna SA, einem ebenfalls zur Migros gehörenden Fleischverarbeiter mit Sitz im St. Gallischen Bazenheid. In allen Lasagne-Produkten der Migros befinde sich Schweizer Rindfleisch, ausser im M-Budget-Produkt, in dem das Hackfleisch aus der EU stamme.

Dass es sich aber auch bei diesem Fleisch zu 100 Prozent um Rindfleisch handle, hätten DNA-Analysen bestätigt. Die Migros und ihre Produkte seien vom Pferdefleisch-Skandal in keiner Weise betroffen und die Anforderungen des Grossverteilers an ihre Lieferanten in vielen Bereichen sogar noch strenger, als das Gesetz verlange.

Art. 12 über die Kennzeichnung und Auskunftspflicht im Entwurfs des neuen Lebensmittelgesetzes wird im Parlament zu reden geben.

Wer vorverpackte Lebensmittel in Verkehr bringe, müsse Folgendes angeben: Produktionsland, Sachbezeichnung, Zutaten.

Der Bundesrat könne für die Angabe des Produktionslandes und der Zutaten bei verarbeiteten Produkten Ausnahmen festlegen.

Die vorberatende Kommission des Nationalrats hat diese Ausnahmeregelung konkretisiert: Der Bundesrat könne bestimmte Lebensmittelgruppen von der Angabepflicht ausnehmen. Und er könne festlegen, dass bei bestimmten Lebensmittelgruppen anstelle des Produktionslandes ein übergeordneter geografischer Raum angegeben werden könne (z.B. die Europäische Union).

Essen Sie Fertigprodukte?

Im Vergleich zu den Ländern der EU ist die Deklarationspflicht in der Schweiz tatsächlich etwas strenger. Um die heimische Lebensmittelindustrie im europäischen Wettbewerb nicht zu benachteiligen, sind im Entwurf der Landesregierung für ein neues Lebensmittelgesetz deshalb bei der Kennzeichnungspflicht Ausnahmen für verarbeitete Produkte vorgesehen. Über den Entwurf des neuen Lebensmittelgesetzes debattiert die Grosse Parlamentskammer in diesen Tagen.

Der Entwurf der vorberatenden Kommission trage seinem Hauptanliegen Rechnung, sagt Thomas de Courten, Kommissionsmitglied und Nationalrat der Schweizerischen Volkspartei (SVP), dem Anliegen nämlich, dass einerseits Klarheit bestehe, was in den Lebensmitteln drin sei, und andererseits der bürokratische Aufwand für die Deklarationspflicht vernünftig umgesetzt werden könne,

Scheiden werden sich die politischen Geister an der Frage, was vernünftig ist. Zu aufwändig wäre für Thomas de Courten, wenn die Pflicht zur Herkunftsdeklaration auch noch auf die Zutaten ausgeweitet würde.

Eine Lasagne Bolognese der Migros, auf deren Packung die Herkunft des Rindsfleischs nicht angegeben ist, würde der Wirtschaftsförderer des Kantons Basel Landschaft ohne weiteres essen. “Ich sehe keinen konkreten Nutzen darin zu wissen, ob das Fleisch aus Deutschland, Frankreich, Belgien oder der Schweiz kommt. Wesentlich ist, dass es Rind- und nicht Pferdefleisch ist.” Auch Fleisch aus China, sagt Thomas de Courten nach leichtem Zögern, würde seinen Kaufentscheid beim erwähnten Produkt nicht beeinflussen.

Der Pferdefleisch-Skandal hat aber jenen Kreisen Auftrieb verliehen, die eine konsequente Herkunftsdeklaration auch bei stark verarbeiteten Fertigprodukten verlangen.

Dazu gehört zum Beispiel Yvonne Gilli, Nationalrätin der Grünen Partei. Ein Fertigprodukt wie die Budget-Lasagne würde die Ärztin grundsätzlich nicht kaufen. “Die Herkunft eines Lebensmittels spielt für mich eine entscheidende Rolle. Ich kaufe selber fast ausschliesslich Produkte aus der Region, Fleisch sogar direkt beim Bauern.”

Eine Lockerung der Pflicht zur Herkunftsdeklaration sei auch nicht im Interesse der einheimischen Landwirtschaft, nicht zuletzt auch deshalb, weil die Schweiz im internationalen Vergleich strengere Tierhaltungsvorschriften habe, sagt Yvonne Gilli. “Das ist ja auch beim Pferdefleisch-Skandal sichtbar geworden.”

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