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Wie die Schweiz darum kämpft, Renten für kommende Generationen zu sichern

Was sieht die neue Schweizer Rentenreform vor?

Zwei Frauen, eine sitzt auf einer Bank und eine liegt auf einer Mauer.
Auch der neue Entwurf für eine Rentenreform sieht eine Erhöhung des Rentenalters für Frauen von 64 auf 65 Jahre vor. © Keystone / Ennio Leanza

Die Finanzierung der Altersvorsorge in der Schweiz ist zunehmend unsicherer geworden. Es braucht dringend eine Reform, doch ein erster Entwurf wurde in einer Volksabstimmung abgelehnt. Jetzt legte die Regierung mit "AHV 21" eine neue Version vor: Diese sieht erneut eine Erhöhung des Rentenalters für Frauen vor.

Die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVExterner Link), die den Rentnerinnen und Rentnern, die in der Schweiz leben oder hier gearbeitet haben, ein Existenzminimum garantiert, muss dringend reformiert werden. Die Sozialabgaben und Beiträge der öffentlichen Hand reichen nicht mehr aus, um die Kassen aufzustocken.

Eine erste umfassende Reform des Schweizer Altervorsorgesystems scheiterte 2017 in einer Volksabstimmung. Jetzt hat der Bundesrat (Regierung) einen neuen Vorschlag ausgearbeitet: AHV 21Externer Link. Ziel der Reform ist es, das aktuelle Niveau der Renten zu erhalten und die Finanzierung der AHV zu stabilisieren. Das Projekt muss noch von Parlament und Volk gutgeheissen werden.

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  • 28. August 2019: Der Bundesrat verabschiedet seine BotschaftExterner Link zum Projekt AHV 21 zu Handen des Parlaments.
  • 19. Mai 2019: Das Schweizer Stimmvolk sagt mit 66% der Stimmen Ja zu einer Reform der Unternehmenssteuer, die mit zusätzlichen Mitteln von 2 Milliarden Franken für die AHV-Kassen verbunden ist.
  • 24. September 2017: Das globale Reformprojekt “Altersvorsorge 2020” scheitert in einer Volksabstimmung mit 52,7% der Stimmen.


  • Wie funktioniert das aktuelle System der Altersvorsorge in der Schweiz?

Es beruht auf drei Pfeilern: AHV, berufliche Vorsorge (Pensionskassen) und privates Sparen.

Praktisch alle Rentnerinnen und Rentner erhalten die AHV (1. Säule), denn alle Personen, die in der Schweiz leben oder hier arbeiten, müssen obligatorisch ihre Beiträge an diese Versicherung leisten. Das Ziel der AHV ist es, nach dem Eintritt in den Ruhestand das Existenzminimum zu sichern.

Die Höhe der RentenExterner Link hängt vom früheren Berufseinkommen und der Dauer der Beitragszahlungen ab. Diese Versicherung beruht auf dem Prinzip der Solidarität zwischen den Generationen: Die Werktätigen finanzieren die Pensionierten.

Die Lohnabgaben werden je zur Hälfte von den Arbeitnehmenden und den Arbeitgebern bezahlt.

Ein grosser Teil der Rentner und Rentnerinnen erhält zudem eine Rente aus der beruflichen VorsorgeExterner Link (Pensionskassen, 2. Säule). Diese Versicherung ist obligatorisch für alle Arbeitnehmenden, die mehr als 21’300 Franken pro Jahr verdienen.

Sie wird von Arbeitnehmenden und Arbeitgebern paritätisch finanziert und zielt darauf ab, dass man zusammen mit der AHV-Rente den Lebensstandard von vor der Pensionierung beibehalten kann.

Es gibt zudem Pensionierte, die noch eine Rente von ihrer individuellen SelbstvorsorgeExterner Link erhalten, in die sie im Verlauf ihres Berufslebens freiwillig Beiträge einbezahlt haben (privates Sparen, dritte Säule).


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swissinfo.ch

Wenn AHV und Altersvorsorge nicht ausreichen, um die minimalen Lebenskosten zu decken, können Rentner und Rentnerinnen vom Staat auch ErgänzungsleistungenExterner Link erhalten.

  • Warum wurde der erste Reformvorschlag in der Abstimmung abgelehnt?

Heute liegt das Rentenalter in der Schweiz für Frauen bei 64 Jahren, für Männer bei 65 Jahren. Die Vorlage “Altersvorsorge 2020” schlug vor, das Rentenalter für Frauen auf 65 Jahre zu erhöhen, was bei mehreren Gewerkschaften, Linksparteien und einem grossen Teil der Bevölkerung auf Widerstand stiess. Sie waren der Ansicht, dass Frauen aufgrund von  Lohnungleichheit, schlechter bezahlten Stellen und Teilzeitarbeit bereits genug bestraft würden.

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Das Projekt wurde auch von einigen Rechtsparteien bekämpft. Sie kritisierten, die Reform sei unfair gegenüber aktuellen Rentnerinnen und Rentnern, die niedrigere Renten erhalten würden, und gegenüber jungen Menschen, die grössere Beiträge leisten müssten.

  • Was sieht die neue Reform AHV 21 vor?

Obschon das Vorgängerprojekt in der Volksabstimmung abgelehnt wurde, schlägt AHV 21Externer Link erneut eine Erhöhung des Rentenalters für Frauen auf 65 Jahre vor. Die Erhöhung würde schrittweise über vier Jahre eingeführt.

Insgesamt soll der Eintritt in den Ruhestand mit AHV 21 flexibler gestaltet werden, Frauen und Männer sollen sich ab 62 frühzeitig pensionieren lassen können; für Männer bedeutet dies ein Jahr früher als bisher.

Die Regierung will die Werktätigen mit der Reform gleichzeitig ermuntern, über das Alter von 65 Jahren hinaus zu arbeiten, indem sie die Möglichkeit anbietet, auf diese Weise Beitragslücken zu schliessen oder den Rentenbetrag zu erhöhen. Der Übergang in den Ruhestand soll bis zum Alter von 70 Jahren aufgeschoben werden können.

Als weitere Massnahme zur Aufstockung der AHV-Mittel schlägt die Regierung mit der Reform eine Erhöhung der Mehrwertsteuer (MWSTExterner Link) um 0,7 Prozentpunkte vor, die damit auf 8,4% steigen würde.

  • Ist das Projekt AHV 21 besser akzeptiert als sein Vorgänger?

Die KritikerExterner Link und die Kritik bleiben im Wesentlichen die selben. Linke Parteien und Gewerkschaften kritisieren die Erhöhung des Rentenalters für Frauen ohne ein konkretes Gegenstück zur Verbesserung der Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt und bei der Aufgabenteilung im Haushalt.

Rechte Parteien und Wirtschaftskreise sind ihrerseits der Ansicht, die Erhöhung der MWST sei zu hoch, und verlangen mehr Massnahmen zur Senkung der Ausgaben. Auch sollten mehr Anreize geschaffen werden, damit Werktätige über 65 Jahre hinaus im Erwerbsleben bleiben.

Die Mehrheit der Parteien bedauert zudem, dass die Regierung entschieden hat, die Reform der AHV und der beruflichen Vorsorge voneinander zu trennen. Sie sind der Ansicht, dass die beiden Systeme eng miteinander verbunden sind, und dass sie beide dringend und koordiniert reformiert werden sollten.

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(Übertragung aus dem Französischen: Rita Emch)

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