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Hitze bedeutet nicht nur eitel Sonnenschein

Während der letzten 2 Monate hat es in der Schweiz praktisch kaum geregnet. RTS

Viele Menschen in der Schweiz geniessen den heissen Sommer. Doch die Hitze hat auch ihre Schattenseiten.

Die Hitzeperiode fällt zusammen mit einem der trockensten Sommer in der Schweiz seit 1901.

Das erste Halbjahr 2003 war in der Schweiz in weiten Teilen extrem trocken. Noch trockener gewesen war es allerdings im ersten Halbjahr 1976, als weite Teile Europas unter dürreähnlichen Bedingungen litten.

Noch kein Wasser-Notstand

Besonders wenig Niederschlag fiel im laufenden Jahr in Orten wie Zermatt, Delsberg (Jura), Freiburg, Sargans und Bellinzona. Im Jura sprechen die Behörden von der extremsten Trockenheit seit 100 Jahren.

Die Pegel von Flüssen und Seen sinken zwar stetig, doch noch ist die Lage nicht so alarmierend, dass generelle Einschränkungen erlassen werden müssen. Vereinzelt darf aber schon kein Wasser mehr aus Flüssen gepumpt werden.

Licht und Schatten



Die langandauernde Trockenheit und die grosse Hitze in der Schweiz und weiten Teilen Europas bedeuten also nicht für alle eitel Freude. Einige rechnen mit herben Einkommensverlusten, während andere jedoch von der ausserordenltichen Lage profitieren.

Keinen Grund zum Jammern haben Wirtschaftszweige wie die Glacé-Industrie, auch kühle Getränke finden reissend Absatz. Hingegen leiden Teile der Landwirtschaft unter den extremen Bedingungen.

Ernteverluste beim Gemüse – guter Weinjahrgang



Die Schweizer Bauern rechnen mit Schäden in Millionenhöhe. Auch die Regierung zeigt sich besorgt und prüft Massnahmen zur Unterstützung der Bauern. Entscheide sind indes nicht vor August zu erwarten.

Besonders im Gemüse- und Früchteanbau ist die Lage prekär. Stark betroffen sind zum Beispiel Salate, während bei Tomaten, Zwetschgen und Pflaumen mit guten Erträgen gerechnet wird. Düster sind die Ernteaussichten für Kartoffeln, Mais und Tabak.

Die Getreideernte dürfte in diesem Jahr so früh erfolgen wie schon lange nicht mehr. Der Bauernverband rechnet mit Ernteeinbussen von bis zu 30%.

Hingegen profitieren die Weinkulturen von der trockenen Sommerhitze. Experten rechnen mit einem ausgezeichneten Jahrgang. Dank Hitze und fehlender Feuchtigkeit kam es kaum zu Pilzkrankheiten.

Das arme Vieh



Dem Vieh und seinen Haltern hingegen setzt die Hitze zu. Wegen des Wassermangels spriesst immer weniger Gras, die Bauern müssen bereits Heu verfüttern, das dann im Winter fehlen wird.

Wegen der Futterknappheit werden Kühe und Rinder nun teilweise schon früher von den Alpen geholt und zur Schlachtbank geführt. Damit der Preis nicht zusammenfällt, bietet der Bund Hand bei der Einlagerung des Fleisches.

Während Vieh und Pflanzen unter der Hitze leiden, freut sich die Tourismus-Industrie über den sonnigen Sommer. So machen etwa Betreiber von Bergbahnen und Sesselliften gute Kasse.

“Die Leute entscheiden sich spontan zu einem Wochenende in der Schweiz”, erklärt Silvia Devito von Schweiz Tourismus. Die Berge seien bei der grossen Hitze offenbar ein Magnet.

“Es ist aber schwierig zu sagen, ob die vermehrten Buchungen die bisherigen Verluste kompensieren können”, sagt Devito unter Anspielung auf die weiterhin ausbleibenden Gäste aus den USA und Asien.

Strom ist Gold wert



Auch Teile der Elektrizitäts-Wirtschaft haben Freude an den extremen Wetterbedingungen. Denn die langandauernde Hitze treibt die Strompreise in die Höhe. In den vergangenen Tagen lagen sie auf dem europäischen Markt teilweise bis zu zehn Mal höher als im Durchschnitt.

Auch auf dem Schweizer Markt kostet Strom diesen Sommer mehr als im Winter, was unüblich ist. Der Anstieg der Preise hat mehrere Ursachen.

Der Betrieb von Klimaanlagen, Ventilatoren und Kühlgeräten kurbelt die Nachfrage an. Andererseits müssen wegen der Trockenheit Flusskraftwerke und teilweise auch Atomkraftwerke ihre Produktion drosseln.

Dafür lösen Speicherwerke diesen Sommer für ihren Strom im Handel sehr viel mehr Geld. Indem die Schleusen solcher Seen geöffnet werden, kann der Markt sofort mit zusätzlicher Elektrizität versorgt werden.

Kein Problem bei den Stauseen



Der Füllgrad der Stauseen liegt trotz der langen Trockenheit etwa im Mittel der letzten fünf Jahre, wie Jean Python vom Bundesamt für Wasser und Geologie gegenüber swissinfo erklärt.

Allerdings gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Stauseen, die auf über 1800m liegen und jenen in tieferen Lagen.

Die Stauseen in den oberen Lagen werden durch die Schnee- und Gletscherschmelze reichlich mit Wasser versorgt. “Das Niveau liegt derzeit spürbar über dem langjährigen Mittel”, so Python.

Bei den Stauseen unterhalb von 1700m ist es gerade umgekehrt, dort liegt der Füllstand deutlich über dem Durchschnitt.

Python sieht vorerst keinen Grund, sich über die Stromversorgung respektive die Strompreise im Winter allzu grosse Sorgen zu machen. Im Herbst könnte es noch sehr viel Niederschlag geben.

swissinfo, Rita Emch

Das erste Halbjahr 2003 war in der Schweiz extrem trocken. Besonders wenig Niederschlag fiel in Zermatt, Delsberg, Sargans und Bellinzona.

Die Schweizer Bauern rechnen mit Schäden in dreistelliger Millionenhöhe. Der Bund prüft Hilfs-Massnahmen. So könnten etwa die Zollansätze für Heu-Importe gesenkt werden.

Erwogen wird auch eine Einlagerungs-Aktion für Rindfleisch, um einen Preiszerfall zu verhindern. Ein solcher wird befürchtet, falls viele Tiere früher von den Alpen herunter kommen und alle gleichzeitig geschlachtet werden müssen.

In Frage käme auch ein Armee-Einsatz für Futtermittel-Transporte von Orten, wo noch viel Futter vorhanden ist – an Orte, wo es für das Vieh nicht mehr viel zu fressen gibt.

Entscheiden darüber will der Bundesrat anfangs August.

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