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Hochpreisinsel Schweiz

Die Konsumentenpreise in der Schweiz sind rund ein Drittel höher als in der EU. Keystone

Die Schweizer Konsumentenpreise sind rund ein Drittel höher als im benachbarten Europa.

Laut dem Staatssekretariat für Wirtschaft sind vor allem mangelnder Wettbewerb und staatliche Regulierungen daran schuld.

Bundesrat Joseph Deiss nimmt die “Hochpreisinsel Schweiz” ins Visier. Er fordert einen schärferen Wettbewerb. Vor allem jene Branchen, die von der internationalen Konkurrenz noch abgeschottet seien, müssten weiter liberalisiert werden.

“Lange entschuldigten wir die hohen Preise mit den problemlos funktionierenden öffentlichen Einrichtungen, der Qualität der Güter oder den entsprechend hohen Löhnen.

“Ausreden, die heute nicht mehr zählen”, sagte der Wirtschaftsminister am Dienstag in Bern.

Preisniveau muss runter

Doch Qualität und Vielfalt stimmten auch im Ausland. Und das verfügbare Einkommen sei nach Abzug von Steuern, Krankenkassen- und Versicherungsprämien “auch nicht mehr viel höher als im Ausland”.

Um als Wirtschaftsstandort attraktiv zu sein, müsse die Schweiz ihr Leistungsniveau hoch halten und zugleich das Preisniveau senken.

Dabei denkt Deiss in erster Linie an jene Branchen, die nicht dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt sind: zum Beispiel den Elektrizitätsmarkt, das Gesundheitswesen und die Landwirtschaft.

Deiss stützt sich dabei auf vier neue Studien, die zeigen, wo und warum die Schweiz teurer ist.

Viele Regulierungen

Gemäss einer Studie der Forschungs- und Beratungsfirma Infras sind die Konsumentenpreise in der EU rund ein Drittel tiefer als in der Schweiz.

Die Hälfte der Preisdifferenzen ergibt sich aus den unterschiedlichen sozial- und umweltpolitischen Regulierungen, wie Rolf Iten, Mitglied der Infras-Geschäftsleitung, erklärte.

Diese Unterschiede seien politisch erwünscht. “Das leisten wir uns bewusst”, sagte Iten.

Zuwenig Wettbewerb

Es müsse also dort angesetzt werden, wo der Wettbewerb nicht spiele. Laut der Studie lassen sich 44% der Preisdifferenzen mit der geringeren Wettbewerbs-Intensität in der Schweiz erklären.

Ohne Wettbewerbsdruck würden die Kostensteigerungen stärker auf die Konsumenten überwälzt, während Kosteneinsparungen – etwa als Folge der tieferen Zinsen oder der Aufwertung des Frankens – nur spärlich weitergegeben würden. Iten sieht die Lösung unter anderem in einer stärkeren Integration der Schweiz in Europa.

Simonetta Sommaruga von der Stiftüng für Konsumentenschutz nimmt vor allem die Politik in die Pflicht: “Wir sind ein abgeschotteter Markt. Und wo wir (Konsumenten) durch Marktabschottung ausbeutet werden, ist die Politik gefordert.”

Teure Landwirtschaft

Gemäss einer Untersuchung des Wirtschaftsforschungs-Instituts BAK Basel Economics, die ebenfalls am Dienstag vorgelegt wurde, sind die Preisunterschiede je nach Branche enorm.

So ist das Preisniveau in der Schweizer Landwirtschaft gut doppelt so hoch wie im Schnitt der Vergleichsländer, wie BAK-Direktor und -Chefökonom Christoph Koellreuter sagte. Der Schweizerische Bauernverband (SBV) hat die Studien gleichentags als einseitig kritisiert.

Das BAK stellte zwar fest, dass das Preisniveau in der Schweiz (ohne Berücksichtigung der Wechselkurs-Effekte) im Verlauf der 90er Jahre gesunken ist. An der Position der Schweiz als Hochpreisland habe sich dadurch aber nichts geändert.

Finanzsektor verliert

Während die Bauindustrie und die Chemie ihre Position markant verbessern konnten, ergab sich beim Verkehr und im Finanzsektor eine zum Teil deutliche Verschlechterung.

“Die Finanzplätze London und Frankfurt haben enorme Produktivitätsfortschritte erzielt”, erklärte Koellreuter.

Auch er sieht die Lösung darin, dass Marktschranken abgebaut und eine schärfere Konkurrenz zugelassen werden müssten.

Zu einem tieferen Preisniveau könne zudem eine Reduktion der Arbeitskosten beitragen. Koellreuter hat dabei vor allem die Lohn-Nebenkosten und die Steuern im Blick.

Auch Tourismus leidet

Das hohe Preis- und Kostenniveau macht auch dem Schweizer Tourismus zu schaffen.

So unterscheiden sich beispielsweise die Preise für Wintersportferien in der Schweiz, von denjenigen in Österreich, Frankreich und Italien deutlich.

In Italien liegt das Preisniveau um 8 bis 43% unter jenem der Schweiz, wie eine weitere Studie zeigt. In Österreich liegt das Preisniveau 16 bis 35% unter jenem der Schweiz.

Trotz höheren Preisen weist die Schweizer Hotellerie eine eher schwächere Investitionfähigkeit auf. Grund dafür sind gemäss der Untersuchung die günstigeren Investitionskosten, verbunden mit dem tendenziell einfacheren Zugang zu Fremdkapital in Österreich.

swissinfo und Agenturen

Schweizer Konsumenten und Konsumentinnen bezahlen bis zu einem Drittel mehr als ihre europäischen Nachbarn.

Dies betrifft vor allem Nahrungsmittel, Mieten, Medizinalprodukte, das Gastgewerbe und medizinische Dienstleistungen.

Laut einer aktuellen Studie sind vor allem der fehlende Wettbewerb und staatliche Regulierungen daran schuld.

Laut der Studie könnten vor allem eine stärkere Integration in die EU und eine Intensivierung des Wettbewerbs Abhilfe schaffen.

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