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Homosexuelle Eltern – Grenzen der Partnerschaft

Maria von Känel Scheibling (rechts) mit ihrer Familie von Känel Scheibling

Seit fünf Jahren können homosexuelle Paare in der Schweiz ihre Partnerschaft registrieren lassen. Mehr als 10'000 Frauen und Männer haben dies bisher getan.

Der Gang aufs Zivilstandsamt bedeutet für viele dieser Paare ein einschneidendes Ereignis: Ihre Beziehung wird offiziell anerkannt und rechtlich in vielen Bereichen der Ehe heterosexueller Paare gleichgestellt.

Dabei geht es um Rechte in Bereichen wie Sozialversicherung, Erbschaft, Steuerrecht oder Aufenthaltsrecht für ausländische Partnerinnen und Partner.

Doch wenn es um Kinder geht, werden homosexuelle Paare noch heute anders behandelt. Sie dürfen keine Kinder gemeinsam adoptieren, auch der Zugriff auf die Fortpflanzungsmedizin bleibt ihnen verschlossen.

Das Gesetz wurde seit 2007 in gewissem Sinne von der Realität eingeholt. Denn der Wunsch, eine Familie zu gründen, ist auch für viele gleichgeschlechtliche Paare zentral. Paare, die in einer eingetragenen Partnerschaft leben und Kinder haben, befinden sich in einer nicht eben idealen Lage.

Eine Geschichte von zwei Müttern

Maria von Känel Scheibling und ihre Partnerin sind seit 14 Jahren ein Paar, das schon lange den Wunsch hatte zu heiraten, auch um sich rechtlich abzusichern.

“Da wir auch Eltern werden wollten, waren wir enttäuscht, als wir hörten, dass die Adoption (im Rahmen des Partnerschaftsgesetzes) ausgeschlossen würde”, sagt von Känel Scheibling gegenüber swissinfo.ch.

“Dennoch wollten wir unsere Partnerschaft registrieren lassen. Es ist ein wichtiges Signal, es zeigt, dass es Paare wie uns gibt.”

So hatten die zwei Frauen schliesslich 2007 eine einfache Zeremonie und eine kleine Feier. Auf offiziellen Formularen kreuzen sie nicht mehr ledig und auch nicht verheiratet an, sondern das Feld “Partnerschaft”.

Und dann kamen auch die Kinder: “Sie wurden in eine lesbische Beziehung geboren. Ich brachte das erste Kind zur Welt, meine Partnerin das zweite.”

Paradox

Obschon sie rechtlich Partnerinnen sind, haben die beiden Mütter keine elterlichen Rechte oder Verantwortungen gegenüber dem Kind der Partnerin und können dies auch nicht durch Adoption sicherstellen.

Paradoxerweise können alleinstehende schwule Männer und lesbische Frauen in der Schweiz Kinder adoptieren. Doch wer eine registrierte Partnerschaft eingeht, verliert das Recht auf Adoption.

“Wer wie wir real Tag für Tag als Familie lebt, sieht, dass dieses Adoptionsverbot sich nicht nur gegen die Eltern richtet. Am meisten schmerzt uns, dass den Kindern diese Lebensrealität vorenthalten wird”, sagt Känel Scheibling.

Als Mitbegründerin des Vereins “Regenbogenfamilien” ist Känel Scheibling mit ihrem Kampf gegen die Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Eltern – erfolglos – vor Bundesgericht gezogen. Eine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist hängig.

Laut Uwe Splittdorf von der Schweizerischen Schwulenorganisation Pink Cross wachsen in der Schweiz bis zu 30’000 Kinder in so genannten Regenbogenfamilien auf, in denen sich mindestens ein Elternteil als lesbisch, schwul, bisexuell oder transgender versteht. Andere Schätzungen gehen von etwa 6000 Kindern aus.

Wandel der Zeit

Letztlich sollten auch Schwule und Lesben eine Ehe schliessen können. “Ja, das ist ein Wunsch. Ich denke, dass wir das bis in fünf, sechs Jahren erreichen können”, sagt Splittdorf gegenüber swissinfo.ch. “Jetzt ist aber die Adoption von Stiefkindern das Thema, auf das wir den Fokus legen.”

Das Partnerschaftsgesetz hat nach Ansicht von Splittdorf viel dazu beigetragen, die Akzeptanz von Schwulen und Lesben in der Gesellschaft zu fördern. “Freundinnen, Freunde und Familien begrüssen die Entwicklung, die meisten finden es wunderbar.”

Das Gesetz habe geholfen, “viele praktische Probleme zu lösen wie Erbschaften oder die Aufenthaltsbewilligung für ausländische Partner oder Partnerinnen. Dennoch gibt es immer noch schwule Menschen, die ein Doppelleben führen”.

Das sieht auch der Soziologieprofessor René Levy so. “Ich denke, es gibt viele Situationen, in denen Homosexuelle ihre Sexualität verstecken. Das Coming-out ist kein triviales Ritual, es ist immer noch ein Thema, das aufgrund seiner Konsequenzen schmerzhaft und schwierig sein kann”, so Levy gegenüber swissinfo.ch.

“Auch wenn heute nicht-heterosexuelle Identitäten vermehrt anerkannt werden, geht der Wandel langsam vor sich. Dieser ist eher auf Ebene der politischen Korrektheit zu sehen, als dass es um einen tiefgreifenden Megatrend geht.”

Der Soziologe betrachtet die eingetragene Partnerschaft als schlechten Kompromiss. “Es gibt kein Gesetz, das Homosexualität illegal macht, aber es gibt auch kein Gesetz, das festhält, dass sie gleichgestellt ist”, sagt er.

Die Gesellschaft der Schweiz ist nach Ansicht von Levy ziemlich konservativ: “Die Normen für Gleichstellung, soziale Offenheit und Multikulturalismus werden von einer gut gebildeten urbanen Schicht geteilt, doch handelt es sich um eine Minderheit, wenn auch um eine sehr aktive.”

Dammbruch befürchtet

Als das Partnerschaftsgesetz beraten wurde, stiess es in breiten Kreisen auf moderate Unterstützung. Gegen das Gesetz opponierte die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei (SVP), die ein gutes Viertel der Wählerstimmen vertritt.

Die SVP argumentierte, dieses “unnötige Gesetz” sei Teil eines allgemeinen Trends, der in Richtung Abwertung der Ehe führe. “Das Gesetz sägt an der Basis unserer Gesellschaft, der Familie”, hiess es in einer Erklärung der Partei.

Zum Argument, dass das Partnerschaftsgesetz Adoptionen oder künstliche Befruchtungen nicht erlaube, stelle sich die Frage: “Wie lange nicht?”, so die SVP. “Ist das Gesetz nämlich erst mal in Kraft, folgen solche Begehrlichkeiten mit Sicherheit auf dem Fuss”, hiess es in der Erklärung weiter.

Maria von Känel Scheibling erklärt, sie wolle mehr; und zwar, weil sie sich für ihre Kinder mit Leidenschaft die gleichen Rechte wünsche, wie sie andere Kinder hätten.

Obschon von Känel Scheibling nicht weiss, ob künftige rechtliche Schritte von ihr und anderen Eltern Erfolg haben werden, ist es ihrer Ansicht nach wichtig, dass Familien wie die ihre sichtbar werden. “So weiss man wenigstens, dass es uns gibt.”

Gemäss den Zahlen des Bundesamts für Statistik für 2011 (Januar bis September) wurden in diesem Jahr pro Monat im Schnitt 56 neue Partnerschaften registriert. Die Gesamtzahl für 2011 dürfte bei etwa 650 (1300 Personen) liegen.

Die Zahl von 56 Partnerschaften ist klein im Vergleich mit den 3566 traditionellen Ehen, die pro Monat geschlossen werden.

Mehr Männer als Frauen lassen ihre Partnerschaft registrieren: Ende 2010 entfielen 70% auf Männer.

Da das neue Gesetz erst seit 5 Jahren in Kraft ist, ist der Zeitraum für Trennungen noch nicht sehr gross.

Gemäss dem Bundesamt für Statistik fanden sich Ende 2010 unter fast 9000 Menschen, die in einer eingetragenen Partnerschaft lebten, nur gerade 312, die ihre Partnerschaft wieder aufgelöst hatten. Die Vorgaben zur Auflösung einer eingetragenen Partnerschaft sind einfach.

Im Juni 2005 wurde das Partnerschaftsgesetz in einer nationalen Referendums-Abstimmung von 58% der Stimmenden angenommen. Seit dem 1.1.2007 ist das Gesetz in Kraft.

Die erste Partnerschaft wurde tags darauf im Kanton Tessin registriert. Das Paar hatte zuvor 30 Jahre zusammengelebt.

Wer eine Partnerschaft registrieren lassen will, muss mindestens 18 Jahre alt sein. Einer der Partner oder eine der Partnerinnen muss die Schweizer Staatsangehörigkeit oder eine Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz besitzen.

Die Partnerschaft wird auf dem Zivilstandsamt geschlossen.

(Übertragung aus dem Englischen: Rita Emch)

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