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hotelsterne zwischen ab- und ausfuhr

Viele Sterne sieht der Hotelgast immer gerne. swissinfo.ch

Die Hotelleistung als klassische Dienstleistung wird in der Schweiz mit Sternen bewertet – eine ständige Quelle von Unstimmigkeiten.

Dennoch kam das Konzept auch im Ausland gut an. Österreich und Deutschland liessen sich inspirieren.

Rostet das Auto schon wenige Jahre nach dem Kauf, oder steht die Schweizer Uhr still, nachdem sie auf den Boden fiel, liegt das Qualitätsproblem auf der Hand. Soll hingegen die Qualität einer Dienstleistung bemessen werden, wird nicht sofort transparent, ob sie ihr Geld wert war oder nicht.

Die Qualität von Dienstleistungen zu bewerten, drängt sich jedoch auf: Laut ihrer Aussenbilanz (Ertragsbilanz) verdient die Schweiz bis fünf Mal mehr mit der Ausfuhr von Dienstleistungen als mit dem Export von Industriewaren und Produkten.

Als 1977 der erste Hotelführer in der Schweiz erschien, in dem die Hotels mit Sternen bewertet, also qualifiziert wurden, kam dies einer

Pionierleistung des Branchenverbands gleich.

Garantiemarke, Exportprodukt

Laut Christian Hodler, dem ehemaligem stv. Direktor des Branchenverbands hotelleriesuisse, schützt der Verband seine Sterne durch Eintrag beim Institut für geistiges Eigentum in Bern. Die Sterne seien deshalb nur zusammen mit dem Logo des Verbands geschützt – und aussagekräftig.

“Zu Beginn wurden die Sterne im Ausland als beispielhaft erachtet”, erinnert sich Alberto Vonaesch, Direktor von St. Gallen-Bodensee Tourismus, und in den 1970er- Jahren einer der Väter der Sterne-Konzeption bei hotelleriesuisse in Bern.

“Österreich hat sich stark bei uns inspiriert.” Aber gewisse Konzept-Elemente, wie die Selbsteinschätzung der Hoteliers und regionale Kontrollorgane als Milizsystem, waren derart auf die Schweiz zugeschnitten, dass sie sich nicht exportieren liessen.

“Während wir hierzulande Branchenverbände auf freiwilliger Basis organisieren, die meist föderalistisch aufgebaut sind”, so Vonaesch, “kennen die Österreicher landesweite Branchen-Kammern mit obligatorischer Mitgliedschaft”.

In Deutschland wiederum interessierte sich die Privatwirtschaft für das Schweizer Konzept. “Die deutsche Arabella-Gruppe übernahm das Stern-Konzept des Hotelier-Vereins

tel quel und entrichtete dem Verein eine Royalty pro klassifizierten Hotelbetrieb”, sagt Vonaesch.

Das sei zwar kein grosses Geschäft gewesen, aber eine Bestätigung, dass auch die private Hotelindustrie die Konzeption gut fand.

“Die deutsche Kette schloss sich als ausländisches Mitglied dem Schweizer Hotelier-Verein an und durfte dafür ihre Hotels werbewirksam mit ‘nach Schweizer Massstäben klassifiziert’ bezeichnen.”

Wildwuchs und Globalität

“Das Klassifizierungssystem der Schweiz ist international anerkannt und wurde in zahlreichen Ländern

als Basis für die nationalen Sterne-Systeme benutzt”, sagte der ehemalige Präsident von hotelleriesuisse, Christian Rey, im November 2004 vor den Medien. “Sterne werden rund um den Globus verwendet.”

Rey hatte im Inland den Wildwuchs bei der Klassifizierung gar für die Stagnation der Hotellerie mitverantwortlich gemacht. Denn wird einem Hotel bei der periodischen Überprüfung ein Stern gestrichen, kann es aus dem Verband austreten und den Stern behalten.

Der Gast wisse ja meist nicht, so Rey, dass die Sterne-Qualifikation nur zusammen mit dem Logo des Branchen-Verbands die Güte-Garantie beinhalte.

Seit 2003 berichten die Schweizer Medien vom “Krieg der Sterne”, da der Wirteverein ein eigenes Klassifikations- System plant und “Schweiz Tourismus” eine Online-Plattform aufschaltete, wo jedermann jedes Hotel nach seinem Gusto bewerten durfte.

In der Folge präsentierte hotelleriesuisse im Dezember 2005 eine tief greifende Revision der Sterne-Klassifikation ab 2007.

Marke und Sterne kombiniert

Dabei werden ein zertifiziertes Qualitäts-Managementsystem eingeführt, Konsumentenvertreter beigezogen und so genannte Mystery Checks durchgeführt. Damit vollzieht der nationale Verband nun die Praxis der globalen

Hotelketten nach, die solche Systeme in ihren Betrieben seit vielen Jahren erfolgreich anwenden, egal in welchem Land sie sich befinden.

Denn die industriellen Hotelketten hatten im Gegensatz zu den gewerblichen Sternen-Hoteliers ihre Betriebe schon früh über alle nationalen Grenzen hinweg mit vergleichbaren Marken-Garantien und Labels ausgerüstet.

Damit können sie international eine nach Kategorien einzustufende, leichter verkäufliche Dienstleistung anbieten – und zwar über alle Ländergrenzen hinweg.

Oft, und in der Schweiz immer, kombinieren die Sheratons, Hiltons, Intercontinentals oder

Best Western ihre eigenen Marken jedoch mit den Sternen von hotelleriesuisse – Wildwuchs hin oder her, ein Stern mehr oder weniger an der Fassade macht eben viel aus.

swissinfo, Alexander Künzle

1977 erschien der erste Schweizer Hotelführer, in denen die Betriebe mit Sternen bewertet sind.

Der Stern ist eine geschützte Marke und gilt nur, wenn das betreffende Hotel auch im Verband Mitglied ist.

Galt früher das System der Selbstdeklaration, setzen sich heute immer mehr externe Mystery Checks durch.

Die Hotellerie-Branche setzt jährlich rund 13 Mrd. Franken um – mehr als die Hälfte davon gelten statistisch als Exporte ins Ausland.

Denn es handelt sich um Dienstleistungen an Reisende, die Ausländer sind und deshalb nicht in Franken zahlen, obschon sie in inländischen Betten übernachten.

13 Milliarden entsprechen etwa den Umsätzen der Uhrenindustrie.

Die Uhrenindustrie nutzt ihr Swiss Made als weltweites Qualitäts-Label problemlos.

Der Streit um die Qualitätsaussage der Schweizer Hotelsterne schwelt jedoch, seit es sie gibt.

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