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ICC: Kompromiss

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Vor dem Internationalen Strafgerichtshof geniessen US-Soldaten Immunität. Der Entscheid des UNO-Sicherheitsrates wird unterschiedlich bewertet. Die Schweiz ist skeptisch.

Der Kompromiss sieht vor, dass US-Friedenssoldaten vor dem von Washington abgelehnten Tribunal eine zunächst einjährige Immunität geniessen. Die USA hatten ursprünglich eine vollständige Immunität für ihre Staatsbürger gefordert, was von zahlreichen anderen Ländern abgelehnt wurde.

Die USA haben den Vertrag über den Internationalen Strafgerichtshof (ICC) nicht ratifiziert, weil sie einen Missbrauch der Institution befürchten. Das Gericht soll Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der ganzen Welt ahnden.

Aus Furcht vor der möglichen Strafverfolgung ihrer Soldaten hatten die USA deshalb die Verlängerung der UNO-Mission in Bosnien zunächst blockiert. Nach dem Kompromiss wurde nun das Mandat für die Sicherheitstruppe SFOR in Bosnien bis ins Jahr 2003 verlängert.

Schweiz: Widerspricht dem Geist des Statuts

Die Schweiz gehört zu den Gründerstaaten des ICC und hat sich immer für die rasche und vollständige Inkraftsetzung des Statuts eingesetzt.

Die verabschiedete Resolution widerspreche dem Geist des Statuts des Römer Vertrages, sagte Muriel Berset Kohen, Pressesprecherin des Aussenministeriums (EDA): “Die Schweiz setzt sich für die Integrität des Statuts ein.”

Trotz allem sei die Schweiz erfreut, dass durch den Kompromiss die UNO-Friedensmissionen in Bosnien-Herzegowina weitergeführt werden können, sagte Berset Kohen. Die Schweiz werde sich dafür einsetzen, dass der ICC in Zukunft das Ziel der Universalität erreiche.

Zustimmung der EU

Die amtierende dänische EU-Ratspräsidentschaft äusserte sich positiver: Das Römische Statut des Internationalen Gerichtshofes werde nicht angetastet, und die Friedensmissionen der UNO könnten ohne Unterbrechung fortgesetzt werden.

Auch das dreiköpfige Staatspräsidium Bosniens begrüsste die Verlängerung der Mandate.

Der deutsche Aussenminister Joschka Fischer erklärte, seine Regierung wolle die USA “langfristig zu einem Umdenken bewegen”. Aus Sicht Berlins müsse eine “akzeptable Lösung” gefunden werden, die weder den UNO-Sicherheitsrat noch das Statut des ICC beschädige. “Wir sind weiterhin der Ansicht, dass Angehörige von Friedensmissionen einer Immunität nicht bedürfen.”

Scharfe Kritik von Kanada und Mexiko

Kanada und Mexiko, zwei enge Verbündete der USA, machten kein Hehl aus ihrer Opposition zu Washingtons Position. “Dies ist ein trauriger Tag für die Vereinten Nationen”, sagte der kanadische UNO-Botschafter Paul Heinbecker nach der Abstimmung im Sicherheitsrat.

Der mexikanische UNO-Botschafter, Adolfo Aguilar Zinser, verliess aus Protest die Sitzung und überliess es seinem Stellvertreter, Mexikos Ja-Stimme für die Resolution abzugeben. “Die Grundstimmung in der internationalen Gemeinde ist, dass dies verkehrt ist”, sagte er.

US-Sonderbotschafter: Strafgerichtshof nicht immer neutral

Nach Ansicht des amerikanischen Sonderbotschafters für Kriegsverbrechen, Pierre-Richard Prosper, wird der Internationale Strafgerichtshof nicht immer neutral arbeiten.

Der deutschen Zeitung “Welt am Sonntag” sagte Prosper, in den USA werde bezweifelt, dass der Strafgerichtshof nur dann tätig werde, wenn ein Staat nicht willens oder in der Lage zur Strafverfolgung sei. “Wir haben Einwände gegen den Vertrag, nicht gegen die Idee, dass Kriegsverbrechen verfolgt und geahndet werden”, betonte der US-Botschafter.

Er kritisierte ausserdem, dass es dem Strafgerichtshof an Kontroll-Mechanismen mangle. So könne eine einzelne Person im wesentlichen die Entscheidungen fällen.

Auch China, Indien und Pakistan goutieren ICC nicht

Die USA sind mit ihrer Haltung nicht allein. China, Indien, Pakistan und möglicherweise auch Russland werden im Abseits stehen, wenn das Gericht im kommenden Jahr in Den Haag die Arbeit aufnimmt.

Das Römische Statut des Strafgerichtshofes ist von 139 Ländern unterzeichnet und von 76 auch ratifiziert worden. Die Schweiz hat das Abkommen im Oktober letzten Jahres ratifiziert.

swissinfo und Agenturen

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