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Idyllischer Doubs leidet unter Verschmutzung

Demonstranten zeigen einige der toten Fische, die sie kürzlich im Doubs gefunden haben. Jean-Paul Luthi

Der Doubs schlängelt sich gelassen durch die wunderschöne Juralandschaft zwischen Frankreich und der Schweiz. Aber unter der Oberfläche gibt es grosse Probleme, der Fluss liegt angeblich im Sterben.

Am letzten Wochenende protestierten rund 1000 besorgte Naturliebhaber in Goumois im Kanton Jura dagegen, dass im Doubs immer mehr Fische sterben.

Behörden und Stromfirmen sind zwar darauf aufmerksam geworden, für die Aktivisten reagieren sie jedoch nicht schnell genug.

“Es ist ein schreckliches Paradox”, sagt Lucienne Merguin-Rossé von der lokalen Pro Natura Gruppe gegenüber swissinfo.ch. “Diese Region ist unglaublich wild und eine der schönsten der Schweiz, aber ihre Wasserquelle liegt im Sterben.”

In den vergangenen zwei Jahren wurden zunehmend mehr tote Fische an verschiedenen Punkten des sich in einem grossen U windendenden Flusses beobachtet. Der Doubs entspringt beim französischen Dorf Mouthe im westlichen Jura und windet sich dann über 453 Kilometer in die Schweiz und zurück nach Frankreich.

“Am Anfang wurden nur Forellen vom Saprolegnia-Schimmelpilz betroffen. Dieses Jahr breitete sich der Befall jedoch auf alle Fischarten aus. Dies hat einen enormen Rückgang der Biodiversität bewirkt”, sagt Merguin-Rossé.

Laut dem französischen Fischereiaufseher Patrick Malavaux haben sich die Algen unter Einwirkung des Menschen im ganzen Doubs-Tal stark ausgebreitet.

“An einigen Stellen füllen sie eine fussballfeldgrosse Fläche in der Mitte des Flusses. Und das stört die chemische Balance des Flusswassers”, sagt er.

“Kloake””

Merguin-Rossé und Malavaux befanden sich am 14. Mai unter den Demonstrierenden im Dorf Goumois. Sie alle machten auf den Zustand des Flusses aufmerksam, der sich nach ihren Aussagen in eine “riesige Kloake” verwandelt hätte.

An der Demonstration nahmen 300 Personen aus der Schweiz und rund 700 aus Frankreich teil, darunter auch der Fotograf und Naturforscher Yann Arthus-Bertrand, der seine Hilfe angeboten hatte, weil “die Schweiz und Frankreich ihre Arbeit nicht richtig tun”.

Erich Staub, Leiter der Abteilung Fischerei und Wasserfauna im Bundesamt für Umwelt, verteidigt jedoch die Behörden: “In der Politik ist das Problem erkannt. In der Doubs-Fischerei-Kommission herrscht grosse Besorgnis über diese Situation”, sagt er gegenüber swissinfo.ch.

“Aber es gibt keinen klaren Zusammenhang mit der Pilzerkrankung und wir wissen nicht woher sie kommt. Deshalb ist es schwierig, jetzt Massnahmen zu ergreifen.”

Laut Staub ist die Anwesenheit des Saprolegnia-Pilzes nichts Aussergewöhnliches. “Nicht normal” sei dagegen die Menge der betroffenen Fische.

“Wenn betroffene Fische in einer solchen Konzentration beobachtet werden, müssen auch andere Probleme da sein, welche die Fische stressen, wie etwa die Anreicherung von Nährstoffen in diesem Ökosystem oder unterschiedliche Wasserhöchststände”, sagt er.

Dämme verantwortlich?

Trotz zahlreicher wissenschaftlicher Studien, die über Jahre erstellt wurden, bleiben die Ursachen der Probleme unklar.

Basierend auf den Ergebnissen eines Reports von 2010, wies der Kanton Jura auf eine Reihe von “dysfunktionalen” Aktivitäten hin, wie die Häufigkeit und das Ausmass der Spitzenleistung der Schleusung von Wasserkraftwerken.

Diese bewirken, dass der Flusspegel rasch bis zu einem Meter ansteigen kann. Dies entspricht den geltenden Schweizer Vorschriften aus dem Jahr 1969, die bis 2015 überarbeitet werden sollten.

“Dieser Rückgang des Doubs ist auf die drei Dämme zurückzuführen, die das Ökosystem für Jahre ernsthaft gestört haben”, sagt Walter Wirth vom jurassischen Fischerverein. Dazu gehören der Damm und das Wasserkraftwerk in Châtelot, das von der Groupe E betrieben wird, das Refrain Kraftwerk von EDF France und das La Goule-Kraftwerk im Kanton Jura.

Die Behörden und die Fischer möchten die grossen Unterschiede beim Flusspegel reduzieren, die beim Öffnen und Schliessen der Schleusen entstehen.

Groupe E ihrerseits macht geltend, dass sie seit 1998 zahlreiche freiwillige Massnahmen getroffen hätte, um die Auswirkungen der Wasserkraftaktivitäten auf den Fluss zu vermindern. Kürzlich kündigte sie an, dass sie ihre Tätigkeiten in den Sommermonaten einschränken werde.

Der Fischereiverband fordert eine genaue Analyse der Sedimente, die sich seit Jahren hinter den Staumauern angesammelt haben. Denn wenn diese plötzlich freigesetzt würden, müsse man wissen, ob sie giftig seien oder nicht.

“Das Doubs-Becken ist das Land der Uhrenindustrie und jedermann weiss, wie umweltschädlich diese Industrie in Bezug auf Schwermetalle und Lösungsmittel sein kann”, sagt Malavaux.

“Notfall”

Es gibt auch Befürchtungen, dass Mikroverschmutzungen wie Medikamente und Hormone aus Kläranlagen oder Pestizide, die auf Wiesen am Fluss eingesetzt wurden, über die Jahre in den Doubs gelangt sind.

Das Tal des Doubs besteht grösstenteils aus Kalkstein, der sich laut Merguin-Rossé verhält “wie ein Greyerzer-Käse, durch den alles gleich hindurchsickert”.

Staub ist zuversichtlich, dass die französisch-schweizerischen Arbeitsgruppen, die letztes Jahr ins Leben gerufen wurden, um Wasserqualität und Wasserregulierung zu beobachten und eine Analyse der Fischbestände durchzuführen, in diesem Sommer zu einer Verbesserung führen. Umwelt-Organisationen aber bemängeln, sie seien nicht einbezogen worden. Sie verlangen ein entschiedeneres Eingreifen.

“Dieses Problem war schon vor 20 Jahren angeprangert worden, doch nichts ist geschehen”, sagt Naturfotograf Jean-Paul Luthi. “Wir haben hier wirklich einen Notfall und müssen den Patienten operieren, nicht nur sein Sterben beobachten. Sonst ist er morgen nicht mehr unter uns”, sagt er.

Der Doubs ist ein Fluss in Ostfrankreich und in der Westschweiz, der sich über 453 Kilometer durch den Jura schlängelt.

Seine Quelle liegt beim französischen Mouthe im Westen des Juragebirges.

Der Flusslauf gleicht einem abgelegten U, dessen Spitze durch die Schweiz führt (Kantone Neuenburg und Jura), bis zur mittelalterlichen Stadt St. Ursanne.

Der Doubs ist beliebt für Kayakfahren, Trekking und Fischen.

(Übertragen aus dem Englischen: Etienne Strebel und Christian Raaflaub)

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