IKRK kritisiert US-Antiterror-Gesetz
Laut Jakob Kellenberger, Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), löst das neue US-Antiterror-Gesetz "bestimmte Bedenken und Fragen" aus.
Er sorgt sich, dass das umstrittene, am Dienstag von US-Präsident Bush unterzeichnete Gesetz gegen die Genfer Konventionen verstossen könnte.
Durch das neue US-Gesetz (“Military Commissions Act of 2006”) könnte der Mindeststandard aufgeweicht werden, der Kriegsgefangenen nach den Genfer Konventionen zugestanden werden müsse, sagte IKRK-Präsident Jakob Kellenberger in einem Interview, das am Donnerstag auf der IKRK-Website veröffentlicht wurde.
“Unser vorläufiges Verständnis des neuen Gesetzes wirft diverse Sorgen und Fragen auf”, sagte er.
Ausgeweiterter Begriff des feindlichen Kämpfers
Sorge bereite unter anderem die deutlich ausgeweitete Definition von “ungesetzlichen feindlichen Kämpfern”, die auch die Hintermänner von Attentätern umfasst.
Ausserdem untersage das Gesetz nicht ausdrücklich die Verwertung von Beweisen, die unter Zwang gewonnen wurden.
Das IKRK werde seine Bedenken mit der US-Regierung besprechen, kündigte Kellenberger an. Gewisse Übertretungen werden im neuen Gesetz nicht erwähnt, so Kellenberger, die aber im US-inländischen Gesetz illegal sind (wie Demütigung und erniedrigende Behandlung).
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Genfer Konventionen
Militärtribunal statt Gericht
Das Anfang der Woche von US-Präsident George W. Bush unterzeichnete Gesetz erlaubt es der Regierung auch, mutmassliche Terroristen vor Militärtribunale anstatt vor ordentliche Gerichte zu stellen.
Bush will ausserdem das CIA-Programm fortsetzen, bei dem unter anderem auch Geheimgefängnisse vorgesehen sind.
Folter wie Verstümmelung oder Vergewaltigung werden verboten, allerdings wird es Bush freigestellt, Methoden zuzulassen, die in der regulären Justiz unüblich sind.
Vor den Militärtribunalen könnten auch Beweise lediglich vom Hörensagen vorgebracht werden, sofern das Gericht sie als verlässlich einstufe, kritisierte Kellenberger. Dies ist vor ordentlichen Gerichten nicht möglich.
Ausserdem gelte den Genfer Konventionen zufolge die Unschuldsvermutung, betonte der IKRK-Präsident.
Oberster Gerichtshof hat letztes Wort
Bush hatte das neue Gesetz als wichtiges Werkzeug im Kampf gegen den Terrorismus gewürdigt.
Eine Neuregelung der gesetzlichen Grundlage wurde erforderlich, nachdem der Oberste Gerichtshof im Juni den Umgang mit den Häftlingen in Guantanamo auf Kuba wegen mangelnder Rechtsgrundlage als illegal bezeichnet hatte.
swissinfo und Agenturen
In Guantanamo auf Kuba hält die US-Armee seit 2002 Personen fest, die verdächtigt werden, dem Terrornetz der Al Kaida anzugehören.
Laut Menschenrechts-Organisationen sind rund 500 Männer aus 35 Nationen inhaftiert.
Sowohl die Schweizer Regierung als auch das IKRK, das die Gefangenen regelmässig besucht, sind beunruhigt vom rechtsfreien Raum, in welchem sich die Inhaftierten aufhalten.
Am Dienstag hat US-Präsident George Bush den “Military Commission Act of 2006” unterzeichnet. Mit diesem Gesetz könnten mutmassliche Mit-Attentäter des 11. Septembers 2001 vor Gericht gebracht werden.
Washington wird mit dem neuen Gesetz auch das CIA-Programm fortsetzen.
Das neue Gesetz könnte vor dem Obersten Gerichtshof der USA enden, denn Menschenrecht-Verteidiger wenden ein, es erlaube Befragungsmethoden, die nahe an die Folter reichen.
Der Oberste Gerichtshof hat bereits ein “Military Commission”-Gesetz abgelehnt.
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