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In der “Bronx” kühlen Kopf behalten

Ruhe bewahren und Geld herausgeben: Das Rezept der Sicherheits Arena bei Überfällen. swissinfo.ch

Der Ruf nach mehr Sicherheit in grösseren Schweizer Städten hat die Sicherheits-Branche auf den Plan gerufen: Sie bietet Kurse in persönlicher Sicherheit an.

In der Sicherheits Arena in Winterthur lernen die Kursbesucher, wie sie vermeiden, Opfer von Attacken zu werden.

Die Kurse finden in einer Lagerhalle auf dem früheren Sulzer-Areal statt. Das Angebot richtet sich in erster Linie an Frauen. In Tat und Wahrheit aber werden Männer öfter Opfer von Angriffen.

Markus Atzenweiler, Manager der Sicherheits Arena, weiss auch, wieso: Männer würden grössere Risiken eingehen. “Männer sehen sich nicht als Opfer. Sie gehen nachts allein nach Hause, zu Fuss durch leere und enge Gassen.”

Basierend auf Erfahrung

Aufgrund seiner jahrelangen Erfahrung als Zürcher Stadtpolizist glaubt er, dass Menschen mit richtigem Verhalten in 95% aller Fälle vermeiden könnten, dass sie verletzt werden.

Das Arena-Projekt wird von der Winterthurer Polizei nicht nur geduldet, sondern aktiv unterstützt, denn unter den Referenten fungieren auch Mitglieder des lokalen Corps.

Verbrechen nehmen zu

Mit einer Gesamtbevölkerung von 7,5 Mio. Einwohnern weist die Schweiz eine geringere Verbrechensrate auf als einzelne europäische Städte.

2003 wurden in der Schweiz 22’000 Diebstähle mehr registriert als im Jahr davor. Zunahmen gab es auch bei Vergewaltigungen, Raubüberfällen und Übergriffen mit Gewaltanwendung. Auch bei den Einbrüchen war ein Plus von 8000 zu verzeichnen.

Wie auf dem Film-Dreh

Als Reaktion ist eine vermehrte Sensibilisierung für den Bereich der persönlichen Sicherheit festzustellen. Konkret lassen immer mehr Menschen in der Schweiz ihr Heim mit einer Alarmanlage ausrüsten.

Die Räume, in denen die Trainings-Kurse stattfinden, gleichen einem Film-Set in New York. Es gibt eine schlecht beleuchtete Unterführung, eine Bus-Haltestelle, einen Billet- sowie einen Bargeld-Automaten: Alles bevorzugte Stätten für Raubüberfälle und Vergewaltigungen.

Im Hintergrund die Wolkenkratzer am Nachthimmel.

Schritt 1: Risiken vermeiden

Am Anfang steht eine audiovisuelle Show, welche die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit der Philosophie hinter den Kursen vertraut macht. Sie lernen, Risiken aus dem Weg zu gehen, und sich in brenzligen Situationen richtig zu verhalten.

In der unheimlichen Umgebung werden verschiedene Szenarien durchgespielt, Schauspieler übernehmen die Rollen der Aggressoren, die Kursteilnehmer sind die Opfer.

Ein Mann wird mit vorgehaltener Waffe ausgeraubt. Eine Frau wird von einem Fremden verfolgt, der sich ihr in einer Unterführung bedrohlich nähert. Ein weiterer Überfall geschieht an einer menschenleeren Bushaltestelle.

Schritt 2: Mit Gefahren umgehen

Es gebe immer einen Moment, wo der Schrecken lähmt, doziert Atzenweiler. “Opfer müssen diesen Moment überwinden und lernen, mit der Gefahr bewusst umzugehen.”

Der ehemalige Polizist hält dazu eine Reihe von Vorschlägen parat: Ein lauter Schrei kann den Angreifer irritieren. Wegrennen ist eine weitere gute Möglichkeit.

Bei Überfällen würden die Opfer oft reagieren, ohne zu überlegen: Sie versuchten beispielsweise, dem Aggressor die Waffe aus der Hand zu schlagen. Atzenweiler zeigt die bessere Variante: Er spricht ruhig zum Aggressor und händigt das Geld aus, um eine Verletzung zu vermeiden.

Schritt 3: Der Blick in die Augen

“Selbstbewusstein ist alles: Dem Angreifer in die Augen schauen, ihm zeigen, dass man keine Angst hat.” Luc Sergy, Präsident der Sicherheits Arena, sieht es als Katz- und Mausspiel. “Man muss sich in den Kriminellen versetzen können, um sich sicher aus der Situation zu befreien.”

Sergy weiss, wovon er spricht, war er doch Chef der Bodyguards, welche während des Libanon-Krieges die Schweizer Botschaft in Beirut bewachten.

Sergy und Atzenweiler wollen künftig die Spannweite ihrer Kurse ausdehnen auf Personen, die beispielsweise in Banken oder Bijoutierien arbeiten.

Im Angebot der Arena sollen künftig aber auch Probleme im zwischenmenschlichen Bereich wie etwa sexuelle Belästigung und Einschüchterung thematisiert werden.

swissinfo, Julie Hunt in Winterthur
(Übertragung aus dem Englischen: Renat Künzi)

2003 gab es in der Schweiz 187 Morde;
547 Vergewaltigungen;
6732 Fälle von schwerer Körperverletzung und
9370 Fälle von Raub, Veruntreuung und Betrug.

Weil die Zahl der Gewaltdelikte in Schweizer Städten zunimmt, steigt in der Bevölkerung die Nachfrage nach einem Training im Bereich persönliche Sicherheit.

Die neue Sicherheits Arena in Winterthur gibt keine Kurse in Selbstverteidigung, sondern instruiert, wie Menschen in gefährlichen Situationen die Kontrolle behalten können.

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