Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Internet birgt für Kinder viele Gefahren

Das Internet kann Kindern neue Welten eröffnen - oftmals aber auch gefährliche.

Kinder und Jugendliche bewegen sich heute zwangslos im Internet. Über Gefahren, wie etwa Begegnungen mit Pädosexuellen, sind sie sich oft nicht bewusst - und die Eltern sind meist ratlos.

“Wir haben viele Beispiele von Jugendlichen, die von Pädosexuellen kontaktiert wurden. Oft rufen uns ratsuchende Eltern an, ihre minderjährige Tochter habe eine Verabredung mit einem älteren Mann, den sie in einem Internet-Chat kennengelernt habe”, sagt Martin Boess, Direktor der Schweizerischen Kriminalprävention, gegenüber swissinfo.

“Das sind Anzeichen dafür, dass Aktivitäten stattfinden, die so nicht erlaubt sein sollten”, erklärt Boess.

Die Beweislage ist nicht einfach, obwohl die Internet-Provider für eine gewisse Zeit die Verbindungsdaten archivieren müssen. “Diese Gesetzgebung besteht, aber die Auswertung der Daten ist sehr schwierig,” so Boess.

Überforderte Gerichte

“Wir haben Richtersprüche, mit denen wir nicht zufrieden sind, mit denen wir als Gesellschaft nicht zufrieden sein können, weil das, was wir bekämpfen, nicht umgesetzt wird,” sagt Boess.

Er bezieht sich auf einen Richterspruch, nach dem eindeutig sexuelle Dialoge im Internet-Chat nicht strafbar sind.

“Erwachsene dürfen dort mit Kindern über sexuelle Dinge reden und kommen straffrei davon. Vom präventiven Standpunkt her sind wir überzeugt, dass das unbedingt unterbunden werden müsste. Es ist nicht ok, wenn sich Erwachsene mit Kindern über sexuelle Dinge unterhalten.”

Aktive Kommunikation

Während Jugendliche Instant Messenger oder E-Mail zum Austausch mit einem mehr oder weniger bekannten Adressatenkreis nutzen, treten sie beim Chatten vorwiegend mit unbekannten Menschen in Kontakt.

Rund 51% der jugendlichen Internetnutzenden haben Erfahrungen im Umgang mit Chats. “Und genau hier lauert eine grosse Gefahr”, erklärt Martin Boess.

Das Spektrum reicht von der Preisgabe persönlicher Daten wie Adresse oder Telefonnummer, über Belästigungen bis zu sexuellen Übergriffen bei persönlichen Treffen.

“Schweini” der Warner

Mit speziellen Kampagnen versucht die Kriminalprävention an Kinder und Jugendliche heranzukommen, sie vor diesen Gefahren zu warnen.

In enger Zusammenarbeit mit ausländischen Kriminalpräventionen werden Broschüren und Internet-Filmspots angeboten. Abgeholt werden die Kinder von Prominenten, wie etwa dem deutschen Fussballstar Bastian (“Schweini”) Schweinsteiger, der die Jugendlichen darauf aufmerksam macht, nicht leichtfertig persönliche Daten preiszugeben.

Denn sie wissen nicht, was sie tun…

“Wir haben festgestellt, dass die Eltern nicht wissen, was ihre Kinder im Internet tun”, sagt Boess. “Heutige Eltern nutzen das Internet zum Versand von E-Mails und zur Informationssuche bei Google. Und damit hat es sich dann meistens.”

Eigentlich sollten Eltern ihre Kinder im Internet begleiten und ihre Sprösslinge auf Gefahren aufmerksam machen, sagt Boess. Dies ist jedoch unmöglich, wenn sie die neuen Möglichkeiten des weltweiten Netzes gar nicht kennen.

Gefahr “Web 2.0”

Jugendliche gehen zwanglos mit dem Internet um. In diesem Zusammenhang hört man immer wieder das Schlagwort “Web 2.0”. Beschrieben wird damit der Wandel der Internetnutzer vom Inhaltskonsumenten zum aktiven Gestalter.

Ein Viertel der jugendlichen Internetnutzer beteiligt sich aktiv am “Web 2.0” und produziert mehrmals pro Woche eigene Inhalte durch das Einstellen von Bildern, Videos, Musikdateien oder das Verfassen von Beiträgen für Blogs oder Newsgroups.

“Wenn Eltern nicht so genau wissen, wie das technisch funktioniert, ist das nicht so dramatisch. Ihre Kinder wissen es ja,” beruhigt Boess. “Deshalb sollten Eltern ihre Kinder fragen: Kannst Du mir das mal erklären? Ich würde das auch gerne mal machen.”

Seiner Erfahrung nach sind die Kinder dafür sehr offen: “Was ich übers Internet weiss, hat mir mein Patensohn beigebracht. Das war eine tolle Herausforderung für ihn wie für mich, und es hat überdies Spass gemacht.”

Von der Aktualität überrollt

Gegenüber den Gefahren, die das Web 2.0 birgt, ist jedoch auch die Kriminalprävention hilf- und vorerst ratlos. “Sie haben recht, unsere Präventionsbotschaften klingen antiquiert,” räumt Boess im Hinblick auf die aktuelle “click it”-Kampagne ein, die sich gegen die Gefahren des Chattens wendet.

“Heute soll man im Internet an den Inhalten mitarbeiten, man soll möglichst viel von sich preisgeben, damit man von Gleichdenkenden und Freunden gefunden werden kann. Je mehr man sich gegen aussen öffnet, desto mehr kann man vom neuen Web profitieren.”

Die grosse Herausforderung für die Kriminalprävention besteht heute darin, zu neuen Präventions-Botschaften zu kommen, welche die Jugendlichen, die sich in den neuen Gefässen aufhalten, auch wirklich schützen.

“Die Idee, gib nie etwas von dir preis, ist alt, die muss man neu überdenken. Wie, das wissen wir im Moment leider noch nicht. Da ist uns die Entwicklung viel zu schnell gegangen.”

swissinfo, Etienne Strebel

Der Medienkonsum ist in einem stetigen Wandel. Dies zeigt sich auch in der deutschen JIM (Jugend, Information, Media)-Studie aus dem Jahr 2007, eine Basisuntersuchung zum Medienumgang von 12- bis 19-Jährigen.

Ein Haushalt mit Jugendlichen zeichnet sich durch eine beachtliche Medienausstattung aus:

Handy 100%
Fernseher 99%
Computer/Laptop 98%
CD-Player 97%
Internetzugang 95%
MP3-Player/i-Pod 93%
Digitalkamera 88%
DVD-Player 86%
Videorekorder 80%
Spielkonsole TV/PC 63%
Walk-/Discman 57%
DVD-Rekorder 42%

94% der Jugendlichen besitzen ein eigenes Handy, 85% einen MP3-Player, 83% einen CD-Player und je 67% einen eigenen Computer oder Fernseher. 45% der Jugendlichen haben einen eigenen Internetanschluss im Zimmer.

Am wenigsten verzichten können Jugendliche auf…

Computer 25%
Internet 22%
MP3-Player 18%
Fernseher 15%
Bücher 9%
Radio 6%
Zeitungen/Zeitschriften je 2%

Internet-Aktivitäten 2007 (täglich/mehrmals pro Woche)

Instant Messaging 68/75 (Knaben/Mädchen in %)
E-Mail 61/58
Musik hören 41/56
Information (nicht Schule) 34/46
Nachrichten/Aktuelles 31/44
Infos Schule/Beruf 42/31
Chatten je 30
Newsgroups lesen 14/29
Filme/Videos anschauen 11/28
Regionale Veranstaltungen 13/18
Bei Internet-Auktionen stöbern 9/21
Netz-, Multi-User-Spiele 4/24
Musik-Download 7/16
Webradio hören 7/11
Fotos/Videos einstellen 8/9
Internet-Telefonie 4/12
Weblogs lesen 6/7

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft