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Internet-Expo: Ende der Verspieltheit

Die IT-Branche ist nüchterner geworden. swissinfo.ch

Grosse Namen sind auch an der diesjährigen Internet Expo (iEX) vertreten. Ihre Auftritte sind aber betont moderat und nüchtern.

Die Krise der New Economy hat in der Schweiz tiefe Spuren hinterlassen.

Die zwei Geschäftsherren um die Fünfzig im Dreiteiler zeigen ihre Socken, wenn sie auf den orangen Sitzwürfeln übers Geschäft reden. Solche Bilder sind aber nicht repräsentativ für die diesjährige iEX: Wo trendy und ausgefallen vor zwei Jahren noch Innovation und Erfolg suggerierten, verströmen heute Flachbildschirme und Holzimitat eine nüchterne Business-Atmosphäre.

“Viele Firmen sind während der Hype-Phase aufgesprungen und jetzt nicht mehr an die Messe gekommen”, beobachtet Szene-Kenner und Consultant Robert Weiss. Sein jährlicher Branchenreport, das Weissbuch, gilt in der Schweiz als bedeutendes Stimmungsbarometer. “Wir haben dieses Jahr 25% weniger Aussteller”, muss auch iEX-Messeleiter Giancarlo Palmisani eingestehen.

Dürftige Give-Aways

Von den 330 Ausstellern, die gekommen sind, will keiner den Eindruck erwecken, hier werde Geld verschleudert. Als Messe-Geschenke gibt es nur Kugelschreiber, Schlüsselanhänger und Früchte. Schwergewichte wie SAP oder Sun haben zwar grosse Standflächen eingekauft, der Mehrwert für den Besucher beschränkt sich aber auf eine Kaffeebar.

Ausgefallener kommen allenfalls noch die Massenmarkt-Provider Bluewin oder Sunrise daher. Aber auch hier: “Es stand durchaus zur Debatte, überhaupt nicht an die Messe zu kommen”, sagt Karin Rüdisühli von Bluewin. Telekom-Anbieter Orange, der vor zwei Jahren noch eine ganze Halle dominierte, findet sich dieses Jahr nicht mehr im Ausstellerverzeichnis.

Talsohle erreicht – aber nicht bei den Entlassungen

“Die Talsohle im Schweizer IT-Business ist erreicht”, prognostiziert Weiss. “Gegen Ende dieses Jahres wird der Markt leicht anziehen.” Länger könnten die Geschäftskunden mit der Modernisierung ihrer Rechner nicht zuwarten. “Heute ist ein Geschäfts-PC bis zu vier Jahre im Einsatz, früher wurde er nach spätestens zweieinhalb Jahren ersetzt.”

Weiss will aber nicht ausschliessen, dass es in den kommenden Monaten zu weiteren Entlassungen kommen wird. Wenig zuversichtlich gibt sich auch Christoph Hugenschmidt, publizistischer Leiter der Compress Information Group: “Die Entlassungen werden weiter gehen.”

Wenn der Aufschwung kommt, werde er jedoch nicht alle Entlassenen von der Strasse wieder zurück ins Büro holen: “In den Bestzeiten der New Economy wurden viele Quereinsteiger eingestellt. Für sie wird es sehr schwierig werden, den heraufgeschraubten Anforderungen der Personalchefs zu genügen.”

ADSL und Sicherheit als verhaltener Boom

Etwas Hoffnung verspricht sich Weiss von der Einführung der Breitband- und Wireless-Technologien. Während der letzten Monate hätten sich bereits 200’000 Personen für einen schnellen ADSL-Anschluss entschieden.

Auch Frank Studerus, Geschäftsführer des gleichnamigen Netzwerk-Komponenten-Distributors, bestätigt diesen Trend. “Die Nachfrage nach ADSL-Endgeräten ist riesig. Gerade auch im drahtlosen Bereich. Das Jahr hat vielversprechend angefangen.”

Weiss will die Erwartungen an den Technologie-Sprung aber nicht zu hoch schrauben: “Mit jeder Aufstockung der Bandbreite wachsen einfach die Datenmengen, ohne sonst etwas zu ändern.”

Wirklichen Bedarf sieht er bei Sicherheitslösungen: “Da liegt noch viel im Argen.” Eine Aussage, die jeder Spezialist und Verkäufer in der Halle 6, wo es um IT-Security geht, noch so gerne bestätigt. Die Wurzeln des Problems liegen aber auch im Boom selbst, meint ein Spezialist, der lieber ungenannt bleiben möchte: “Es geht jetzt darum, den Wildwuchs der letzten Jahre zu integrieren und sicherer zu machen.”

Start-ups in der Krise

Von den Überfliegern der New Economy, den Start-up-Firmen mit zündendem Businessmodell und viel Venture Capital, ist nur noch wenig zu sehen. “Es sind schon ein paar Start-ups untergegangen”, konstatiert Weiss. Wer aber heute eine gute Idee habe, der komme fast gar nicht mehr zu Kapital. “Wenn jemand heute ‘Hardware’ oder ‘Internet’ sagt, dann schütteln die Investoren den Kopf. Sie setzen jetzt auf Bio-Tech.”

Bessere Chancen gibt er den Spin-offs der Hochschulen. Die Unterstützung durch renommierte Institutionen wie der ETH gebe den Investoren dringend nötiges Vertrauen. Denn die Produkte stimmten durchaus, ist Consultant Weiss überzeugt: “Qualitativ kann die Schweiz international sehr gut mithalten.”

swissinfo, Philippe Kropf, Zürich-Oerlikon

Zum 7. Mal findet in der Messe Zürich die dreitägige Internet Expo (iEX) statt. 330 Aussteller haben sich angemeldet, ein Viertel weniger als im Vorjahr.

Die Messe will Fachbesuchern einen Überblick über Produkte und Services der Schweizer IT- und Internet-Branche verschaffen.

Parallel zur Messe finden über 70 Seminare statt, die vom besseren Umgang mit E-Mail bis zu Strategien zu neuen Technologien reichen.

Im letzten Jahr besuchten 28’000 Personen die iEX. Dieses Jahr werden weniger erwartet.

Die Internet Expo (iEX) leidet unter der Krise der IT- und Internet-Branche. Marktbeobachter gehen aber davon aus, dass die Talsohle erreicht ist. Weitere Entlassungen will niemand ausschliessen.

Während sich die Messe im Hoch der New Economy betont verspielt gab, herrscht heute eine nüchterne Geschäfts-Atmosphäre vor.

Grosse Themen sind IT-Sicherheit und Internet-Integration, also die Zusammenführung einzelner Geschäfts-Prozesse im Netz.

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