Isländischer Ex-Regierungschef wegen Finanzkrise vor Gericht
(Keystone-SDA) Dreieinhalb Jahre nach dem verheerenden Bankencrash in Island hat ein historischer Prozess gegen den früheren Regierungschef Geir Haarde begonnen. Er muss sich seit Montag wegen seiner Rolle während der Finanzkrise vor einem Sondergericht in Reykjavik verantworten.
Haarde wies zum Prozessauftakt eine Mitverantwortung für den Bankencrash zurück. «Erst nach dem Zusammenbruch haben alle gesagt, dass sie ihn kommen gesehen haben», sagte Haarde. Er räumte ein, er habe möglicherweise eine Beratergruppe zur finanziellen Stabilität nicht ausreichend konsultiert, doch selbst deren Informationen hätten den Kollaps der drei grössten Banken nicht verhindern können.
Selbst kurz vor dem Zusammenbruch sei ihm von den Banken versichert worden, dass die Kreditlinien funktionierten, so dass er beruhigt zur UNO-Vollversammlung nach New York flog. «Ansonsten wäre ich nicht geflogen, aber mir wurde gesagt, dass alles in Ordnung war.»
Staatsbankrott abgewendet
Der isländische Finanzsektor war im Herbst 2008 mit der Pleite gleich mehrerer Grossbanken im Sog der weltweiten Finanzkrise zusammengebrochen. In der Folge büsste die isländische Krone massiv an Wert ein, wodurch zahlreiche der 320’000 Einwohner des Landes ihre Ersparnisse verloren. Zudem stieg die Arbeitslosigkeit drastisch an.
Ein Staatsbankrott wurde nur durch einen Milliardenkredit des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der skandinavischen Länder verhindert. Haardes Regierung trat Anfang 2009 unter dem Druck wochenlanger Proteste zurück.
Haarde ist der einzige Politiker, der sich wegen des Bankencrashs verantworten muss. Eine parlamentarische Untersuchungskommission war 2010 zwar zu dem Schluss gekommen, dass ein Fehlverhalten ebenfalls drei seiner Minister vorzuwerfen sei.
Das Parlament beschloss aber, nur in seinem Fall das Hohe Gericht anzurufen. Dieses wies im vergangenen Oktober den am schwersten wiegenden Vorwurf der «groben Fahrlässigkeit» gegen Haarde ab. Nach langen Debatten, auch die vier verbliebenen Anklagepunkte fallen zu lassen, beschloss das Parlament in der vergangenen Woche, das Gerichtsverfahren in Gang zu setzen.