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Islam Finanz: Herausforderung für die Schweiz

Islam Finanz: Wachstumsmarkt mit grossem Potential. Keystone

Das islamische Bank- und Finanzwesen hat Aufwind. Auch in der Schweiz werden islamische Banken aktiv, und seit kurzem geschäftet die UBS Tochter Noriba schariakonform in Bahrein.

Die Banken-Kommission sieht trotz Kritik noch keinen Handlungsbedarf.

Die Eröffnung von Noriba vor zwei Wochen sei in der arabischen Welt auf grosses Interesse gestossen, erklärt UBS-Sprecherin Vesna Carter-Stanulov gegenüber swissinfo.

Mit der Eröffnung einer islamischen Bank liegt die UBS im Trend. Denn Islam Finanz hat laut dem Finanzplatz-Experten Gian Trepp Konjunktur. “Mit UBS Noriba haben gläubige Muslime, die ihr Geld schariakonform anlegen wollen, nun zum ersten Mal auch eine Schweizer Bank zu Verfügung”, so Trepp.

230 Mrd. Dollar

Seit der Gründung der ersten islamischen Finanz-Institute Anfang der siebziger Jahre, als Moslems die reichlich fliessenden Petrodollars nach den Regeln des Korans anlegen wollten, erlebt Islam Finanz ein rasches Wachstum.

Seit 1982 sind die islamischen Institute um das 40fache gewachsen und heute in über 75 Ländern aktiv. Weltweit sind schätzungsweise 230 Mrd. Dollar nach islamischem Gesetz investiert. Allein für die nächsten fünf Jahre wird ein jährliches Wachstum von 15% erwartet.

Laufend entstehen neue islamische Banken und Finanzgesellschaften. Pakistan, Sudan, Iran haben ihre gesamten Finanzsektoren islamisiert, und Malaysia baut den islamischen Sektor seines Finanzwesens aus.

Saudis fürchten um ihr Vermögen

Zusätzlichen gefördert wird Islam Finanz aber auch von der neuen US-Aussenpolitik. Anleger aus den Golfstaaten, die ihre Reichtümer von US-Banken verwalten lassen, fürchten im Falle eines Angriffs gegen den Irak um die Konfiskation ihrer Vermögen.

Saudischen Unternehmen und Banken drohen in den USA zudem Sammelklagen im Zusammenhang mit den Anschlägen vom 11. September. Ein Teil des saudischen Auslandvermögens ist deshalb bereits im Sommer 2002 aus dem Dollar- in den Euroraum, nach England und in die Schweiz geflossen. Davon profitiert haben auch die islamischen Banken in der Schweiz und anderswo.

Keine Angaben über islamische Banken in der Schweiz

Wie viele islamische Banken es in der Schweiz gibt, ist laut Trepp nicht genau zu beziffern. Denn weder die Nationalbank noch die Eidgenössische Bankenkommission (EBK) verfüge über die entsprechenden Angaben.

Trepp wirft deshalb der EBK Lethargie vor: “Die EBK interessiert sich nicht für islamische Banken, obwohl islamische Finanzprodukte ganz spezifische Risiken haben, die für eine Banküberwachung von besonderer Bedeutung sind.”

Andererseits sei es gerade im Zusammenhang mit der Terrorismus-Finanzierung wichtig zu wissen, welche Banken in der Schweiz islamische Banken seien. “Die EBK kann das nicht sagen, obwohl es welche gibt. “

Spezifische Risiken

Die Risiken einer islamischen Bank wie etwa der 1998 gegründeten Bank Kanz in Genf könne, so Trepp, mit dem Instrumentarium der EBK nicht kontrolliert werden.

Denn gerade wegen dem Zinsverbot ist schariakonformes Banking sehr komplex. Beispielsweise bestehen besondere Liquiditätsrisiken, weil Einlagen nicht verzinst, sondern mit einem Teil des Bankgewinns abgegolten werden. “Wenn das Institut einen Verlust macht, besteht die Gefahr, dass die enttäuschten Anleger die Schalter stürmen.”

Kein Handlungsbedarf

EBK-Sprecherin Tanja Kocher geht allerdings davon aus, dass die bestehenden Kontrollmechanismen ausreichen, um das Islamic Banking in der Schweiz zu kontrollieren. “Davon gehen wir aus, wäre dies nicht so, dann hätten wir Handlungsbedarf geortet.”

Sollte Islam Finanz in Zukunft in der Schweiz jedoch eine grössere Rolle spielen, werde die EBK prüfen, ob dadurch ein verstärkter Regulierungsbedarf bestehe, versichert die EBK-Sprecherin.

“Es ist an der Zeit, sich dieses Problems anzunehmen”, betont Trepp. Die Regulation eines Finanzplatzes müsse auf der Höhe der Zeit sein und neue Entwicklungen aufnehmen. “Die Untätigkeit der EBK schadet der Branche, weil sie die Leitplanken nicht setzt.”

Aktive Briten

In England und Frankreich werde Islam Finanz sehr ernst genommen. “Im Unterschied zur Bankenkommission hat sich die britische FSA (Financial Services Authority) bereits ausführlich mit der Islam Finanz befasst, obwohl es in England im Unterschied zur Schweiz gar keine englischen islamischen Banken gibt.”

Auch die UBS geht von einer steigenden Bedeutung des islamischen Finanzwesens aus. Die EBK werde sich in Zukunft mit Islamic Banking beschäftigen müssen. Allerdings nicht wegen Noriba: “Als UBS-Tochter ist Noriba in ein umfassendes Risikomanagement eingebettet,” betont UBS-Sprecherin Carter-Stanulov. Auch würden die bisherigen Scharia-Produkte kein besonderes Risiko bieten.

Noriba ist aber ein Spezialfall. Denn Noriba fällt innerhalb des UBS-Konzerns zahlenmässig nicht ins Gewicht. “Deshalb macht die UBS einfach mal Islamic Banking”, betont Trepp. Aber die Probleme seien vorhanden, wenn vorerst auch mehr konzeptionell als empirisch.

swissinfo, Hansjörg Bolliger

Islamische Finanzinstitute sind in über 75 Ländern aktiv

Ihr Gesamtvermögen hat sich sei 1982 um mehr als das Vierzigfache erhöht

230 Mrd. Dollar sind heute nach islamischem Gesetz investiert

Jährliches Wachstum 15%

Wichtigstes Gebot ist das Zinsverbot, welches die UBS Tochter bereits in ihrem Namen unterstreicht (“No Riba” – kein Zins). Verboten sind weiter der Kauf und Verkauf von Risiko und Unwägbarkeiten (Versicherungen, Derivate, Future, Swaps) sowie die Geschäftstätigkeit in Bereichen, die als unrein betrachtet werden (Schweinefleisch, Alkohol, Pornographie, Waffen, Film und TV, Tabak und Glücksspiel).

Über die Einhaltung dieser Gebote wachen islamische Gelehrte im Scharia-Rat, den eine islamische Bank zwingend haben muss. Grundsätzlich sind Anlagen in Aktien erlaubt, weil Dividenden-Zahlungen nicht als Zins gelten. Bankkunden erhalten auf ihre Einlagen keinen Zins, sondern einen Anteil des Bankgewinns ausbezahlt, sofern die Bank einen solchen erwirtschaftet.

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