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Ist Nefs Beurlaubung ein Abgang in Raten?

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Die Mehrheit der Schweizer Zeitungen geht davon aus, dass der am Montag beurlaubte Armeechef Roland Nef nicht mehr in sein Büro zurückkehrt. Einige Kommentatoren empfehlen dies auch Verteidigungsminister Samuel Schmid.

Bundesrat Schmid habe Roland Nef nur beurlaubt, weil er für eine Kündigung nichts gegen ihn in der Hand habe. “Vorwerfen kann sich Schmid bloss sein eigenes Verhalten bei Nefs Wahl”, kommentiert die Basler Zeitung.

Auch die “gütige Mithilfe” des aus den Ferien herbeigeeilten Bundespräsidenten Pascal Couchepin habe Schmid nicht geholfen. “Er kann das Problem, das er sich selber eingebrockt hat, nicht aus eigener Kraft lösen und muss es nun in die Gesamtregierung bringen”, schreibt die BAZ.

Die Beurlaubung von Nef sei nur ein Abgang in Raten, ist die Aargauer Zeitung überzeugt: “Es ist anzunehmen, dass Nef seiner Ex-Freundin und sich das mit dem Unschuldsbeweis verbundene Schlammschlacht-Risiko ersparen wird. Zumal er so oder so kaum mehr eine Chance hat, das Amt des Armeechefs noch glaubwürdig ausüben zu können. Für Nef hätte damit der Schrecken ein Ende. Für Schmid wohl nicht.”

“Perfide Intelligenz”

Für den Berner Bund ist das Resultat ein Desaster: “Für Nef, der jetzt wahrscheinlich seinen Posten räumen muss, obwohl er bisher als Armeechef nach breiter Einschätzung gute Arbeit geleistet hat. Für die Armee, die schon wieder einen neuen Chef suchen muss. Für Nefs Ex-Freundin, die längst das Recht hätte, in Ruhe gelassen zu werden. Und für Schmid selber, dessen Autorität als Bundesrat und VBS-Vorsteher weiter leidet.”

Noch strenger geht die Südostschweiz mit Schmid ins Gericht: “Bis gestern war Samuel Schmids Verhalten in der Affäre Roland Nef von ungeschickt-glücklosem Duckmäusertum geprägt.” Der gestrige Befreiungsschlag des Verteidigungsministers markiere jedoch einen Wendepunkt. “Die Beurlaubung von Armeechef Nef zeigt fast schulbuchmässig, welch perfide Intelligenz Politiker entwickeln können, wenn es darum geht, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen.”

Konsequenzen

Auch in der Westschweiz verlangt man, dass Schmid persönliche Konsequenzen aus der Affäre zieht. So schreibt die Tribune de Genève: “Der Anstand verlangt, dass er [Nef] demissioniert. Aber nicht allein. Samuel Schmid sollte ihm folgen ohne sich einmal mehr hinter seinen Untergebenen zu verstecken, wie er das in Momenten, die eine Entscheidung verlangen, oft getan hat.”

Die Berner Zeitung bemerkt, Nef habe nachzuliefern, was der Verteidigungsminister nicht rechtzeitig abklären wollte.

“Der Beobachter lernt, dass man in der Schweiz trotz laufenden Strafverfahrens problemlos Armeechef werden kann – ohne dass man eine vertiefte Betrachtung der einem zur Last gelegten Vorwürfe zu gewärtigen hätte.”

Ein derart verantwortungsloses Wahlverfahren sei für eine zivilisierte Nation einmalig und für unser Land ein Sicherheitsproblem. “Denn eines ist klar: Ohne Schmids Führungsschwäche wäre es nie zur Affäre Nef gekommen.”

Bresche für die Medien

Und der Lausanner Le Matin schlägt eine Bresche für die von Schmid und Nef attackierten Medien: “Nach 24 Stunden Reflektion hat Samuel entschieden, … nichts zu entscheiden.”

“Tatsächlich aber liegen die Fakten bereits auf dem Tisch – dank der Recherchierarbeit der Medien – und sie lassen keinen Zweifel offen: Herr Roland Nef ist keine Respektsperson, welche die Armee unseres Landes führen soll. Er muss gehen.”

Handlungsfähig?

Bundesrat Schmid hat sich an der gestrigen Medienorientierung als “handlungsfähig” bezeichnet. Dies stellt der Tages-Anzeiger jedoch in Frage: “Doch reicht dies für einen Bundesrat? Ist dem Land und der Armee mit einem Verteidigungsminister gedient, der sich in einer wichtigen Angelegenheit derart verheddert und auch schon früher nicht durch Führungsstärke brilliert hat? Einem Bundesrat obendrein, der keine grosse Partei mehr vertritt?”

Wenn Samuel Schmid ehrlich mit sich wäre, meint der Tagi, müsste er eingestehen, dass er im Interesse des Landes besser jemand anderem Platz machen würde. “Doch es ist zu befürchten, dass Schmid seine eigenen Interessen über jene der Schweiz stellt.”

swissinfo, Etienne Strebel

Die Kontroverse um Armeechef Roland Nef wird am kommenden Freitag die sicherheitspolitischen Kommissionen (SiK) des National- und Ständerats beschäftigen. Auf der Traktandenliste stehen Anhörungen mit Bundespräsident Pascal Couchepin und Verteidigungsminister Samuel Schmid sowie – je nach Entwicklung – auch mit Armeechef Roland Nef.

Eine Orientierung der Öffentlichkeit über allfällige Empfehlungen der Kommissionen ist für Freitagnachmittag vorgesehen.

Ursprünglich hatten die Präsidenten der beiden Parlamentskommissionen keinen Bedarf für die Einberufung einer Sondersitzung im Fall Nef gesehen.

Die Zürcher Staatsanwaltschaft hat im Zusammenhang mit der Affäre um Armeechef Nef Ermittlungen wegen Verdachts auf Amtsgeheimnisverletzung aufgenommen. Sie betreffen die Publikation eines amtlichen Dokuments in der jüngsten Ausgabe der Sonntags Zeitung.

Bei den Dokumenten handle es sich um Ausdrucke von Informationen, die ausschliesslich auf Datenbeständen der Polizei beruhten und nicht Eingang in die Untersuchungsakten fänden.

Inzwischen habe sich ergeben, dass verschiedene Beamte Einblick in das fragliche Aktenstück genommen hätten.

Die Staatsanwaltschaft werde von Amtes wegen aktiv, weil es bei der Verletzung des Amtsgeheimnisses um ein Offizialdelikt gehe. Zudem sei am Montag eine Strafanzeige des Anwalts von Roland Nef eingegangen.

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