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Italienische Steueramnestie beunruhigt Tessiner Banken

Keystone

Italien will erneut eine Steueramnestie durchführen. Vor allem auf dem Bankenplatz Tessin in der Südschweiz rechnet man mit einem weiteren Abfluss von Kapital. Dabei hat die Diskussion um das Bankgeheimnis die italienische Kundschaft bereits verunsichert.

In Italien soll am 15. September dieses Jahres eine Steueramnestie in Kraft treten, um nicht deklarierte Auslandvermögen zu legalisieren.

Die Frist läuft bis 15. April 2010. Das hat die Regierung unter Ministerpräsident Silvio Berlusconi diese Woche beschlossen.

Als Sanktion wird eine Gebühr von 50 Prozent auf einen (fiktiven) Zinsertrag von 2 Prozent für die letzten fünf Jahre erhoben. Umgerechnet entspricht dies 5 Prozent auf das deklarierte Kapital. Die Regierung Berlusconi erwartet Einnahmen in Höhe von 3,5 Milliarden Euro (5 Mrd. Franken).

Der “scudo fiscale” ist jedoch umstritten. Die Opposition spricht von einer “Vergebung für Steuersünder”. Tatsächlich ist es mehr als ungewöhnlich, innerhalb von acht Jahren drei Mal eine Steueramnestie durchzuführen.

Berlusconi müsse jetzt seinen Wählern erklären, warum Steuerhinterzieher straffrei davon kämen, schrieb die italienische Tageszeitung Corriere della Sera.

Dritte Amnestie

Noch muss das italienische Parlament seinen Segen geben. Doch man kann davon ausgehen, dass nur kleine Retuschen an der Vorlage angebracht werden. Laut Finanzminister Giulio Tremonti reicht eine Erklärung der Vermögen, wenn sich diese auf dem Konto eines EU-Landes befinden.

Im Falle von Steuerparadiesen, zu denen Tremonti (noch) die Schweiz zählt, muss das Vermögen hingegen physisch nach Italien transferiert werden.

Auf dem Bankenplatz Tessin, der zum Grossteil von italienischen Kunden lebt, sorgte die Ankündigung für Unruhe, auch wenn seit Monaten damit gerechnet worden war.

Die Tessiner Banken haben schon die erwähnten Steueramnestien von 2001 und 2003 erlebt, als Milliarden-Beträge nach Italien zurückgebracht wurden. Vor allem die erste Amnestie hat sich deutlich bemerkbar gemacht.

“Bei diesen beiden Steueramnestien konnte man die Kunden noch mit Verweis auf das Bankgeheimnis beruhigen”, erklärte Claudio Generali, Präsident der Tessiner Bankiervereinigung, in diversen Stellungnahmen. Doch dieses Argument ziehe angesichts der neuesten Entwicklungen nicht mehr so einfach.

Unsicherheit verbreitet

Offiziell gibt sich die Bankiervereinigung allerdings recht gelassen. Man warte auf die Details des Dekrets, sagte Generali. Denn die Erfahrungen zeigten, dass die Italiener bis zum letzten Moment zuwarteten, um von einer Steueramnestie Gebrauch zu machen.

In Bankberaterkreisen, namentlich im Private Banking der Grossbanken, ist man indes weniger gelassen, zumal diese schon unter einem Vertrauensverlust leiden und Kapitalabflüsse verzeichnen mussten.

Das ungelöste Verdikt um die UBS-Konten in den USA und somit um die Zukunft des Bankgeheimnisses schafft zusätzliche Unsicherheit. Eine Reihe von italienischen Unternehmern holen zudem zur Zeit viel Geld nach Italien zurück, weil es in ihren Firmen an Liquidität mangelt.

Unterschiedliche Beurteilung

Die Einschätzungen, wie stark sich eine dritte Steueramnestie auf den Bankenplatz Tessin auswirken könnte, gehen auseinander. Der Corriere del Ticino ist überzeugt, dass diese Massnahme momentan keine grosse Aussichten auf Erfolg hat.

Im Jahre 2001 hätten viele Italiener Hoffnungen auf die (damals) neue Regierung Berlusconi gesetzt und ihre Steuersituation bereinigen wollen. Angesichts der politischen Instabilität in Italien und der dort starken Wirtschaftskrise seien heute wenige Anreize gegeben, die Situation mit den Steuerbehörden ins Reine zu bringen.

Anders sieht es der Tessiner Steuerexperte und Fachhochschul-Professor Marco Bernasconi: “Sollten die Erwartungen der italienischen Regierung wahr werden, dürfte ein guter Teil der 100 Milliarden Euro Kapital, auf welche der Rückfluss an Geldern geschätzt wird, die Schweizer und insbesondere Tessiner Banken verlassen.”

Gerhard Lob, Lugano, swissinfo.ch

Bei Steueramnestien gewährt ein Staat seinen Bürgern, die Steuern hinterzogen haben, bei Selbstanzeige Straffreiheit.

In der Regel wird eine Abgeltungsgebühr eingefordert.

Normalerweise ist eine Steueramnestie eine absolute Ausnahme. Grund: Eine allgemeine Steueramnestie ohne Nachsteuerpflicht verletzt nach allgemeiner Auffassung den Grundsatz der Gleichbehandlung der Steuerpflichtigen, untergräbt die Steuermoral und verleitet längerfristig zu erneuter Steuerhinterziehung.

Italien hat zuletzt 2001 und 2003 Steueramnestien durchgeführt.

Auch die Schweiz hat Erfahrungen mit Steueramnestien.

Im Laufe des 20. Jahrhunderts gab es in der Schweiz drei allgemeine Steueramnestien: 1940, 1945 und 1969.

Diese Amnestien bezogen sich auf Bundes-, Kantons- und Gemeindesteuern.

Es entfielen dabei sämtliche Rechtsfolgen der Steuerhinterziehung, also sowohl Steuernachforderungen als auch Strafsteuern.

Erneute Anläufe für Steueramnestien scheiterten seither.

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