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IWF: Weltfinanzsystem noch nicht stabil genug (Zus)

WASHINGTON (awp international) – Beinahe vier Jahre nach Beginn der globalen Finanzkrise ist das Weltfinanzsystem aus Sicht des Internationalen Währungsfonds noch bei weitem nicht über den Berg. Zwar habe sich die Lage in den vergangenen zwölf Monaten gebessert, heisst es in dem am Mittwoch vorgelegten IWF-Bericht zur Stabilität der globalen Finanzmärkte. Viele Industrieländer “leben wegen ihrer hohen Schuldenlast gefährlich”, sagte der Chef der IWF-Kapitalmarktabteilung, José Viñals. Auch sei das Vertrauen in das Bankensystem “noch nicht völlig wiederhergestellt”.
Eine Untersuchung des Fonds habe ergeben, dass 30 Prozent der europäischen Banken, die voriges Jahr dem Stresstest unterzogen worden waren, eine Kernkapitalquote von weniger als 8 Prozent hätten. “Dadurch sind sie weniger in der Lage, Schocks auszuhalten und kosteneffektiv zu arbeiten”, sagte Viñals. Die zweite Runde der Stresstests seien “eine wichtige Gelegenheit, das EU-Bankensystem auf Herz und Nieren zu prüfen”, so der Ökonom. Doch müssten die anstehenden Prüfungen “glaubhaft, strikt und Teil einer breiteren Strategie zu Krisenmanagement sein”, mahnte er. Die ersten Stresstests waren als zu lasch stark kritisiert worden.
Hinter dem verbesserten Zustand des Weltfinanzsystems dank Konjunkturerholung und unterstützender staatlicher Massnahmen verbergen sich Viñals Worten zufolge “ernsthafte Anfälligkeiten, die so schnell wie möglich angegangen werden müssen”. Es gebe “ein echtes Risiko, dass Selbstgefälligkeit, Ermüdung und Zögerlichkeit die Oberhand gewinnen, statt dass harte Entscheidungen getroffen werden”.
In den USA lasteten unterdessen ein weiter angeschlagener Immobilienmarkt, Überbleibsel der Hypothekenkrise und Zwangsversteigerungen auf dem Bankensystem, befindet der Weltwährungsfonds. In der Folge fliessen Kredite nur spärlich, während auch der Hypothekenmarkt nicht in Schwung kommt. Die Verschuldung der Privathaushalte sie nach wie vor hoch, sagte der Chef der IWF-Kapitalmarktabteilung. Folge könne sein, dass die gesamte weltwirtschaftliche Erholung in Mitleidenschaft gezogen werde.
Die Politik müsse sich nun weniger auf Massnahmen zur Symptombekämpfung konzentrieren und sich mehr um die zugrundeliegenden Ursachen kümmern, mahnte Viñals. Dazu zähle vor allem, für ein vollständige Gesundung des Bankensystems zu sorgen, die Staatsfinanzen in Ordnung zu bringen und zu helfen, die Schuldenlast der privaten Haushalte zurückzufahren.
Mit Sorge blickt der Fonds auch auf die Lage in aufstrebenden Schwellenstaaten. Sie müssten handeln, um künftige Krisen zu vermeiden. Angesichts massiver Kapitalzuflüsse “müssen sie sich vor Überhitzung schützen”, mahnte der IWF-Ökonom. Indizien auf zunehmende Gefahren liefere auch ein starker Zuwachs an Bankkrediten, die in diesen Ländern vergeben werden. Da einströmende Kapital erhöhe die Gefahrenlage, weil sein Fluss sehr schwanken könne. Als Gegenmassnahmen empfiehlt der IWF Zinserhöhungen, flexiblere Wechselkurse und Zurückhaltung bei den Staatsausgaben.
Am Freitag beraten in Washington die Finanzminister und Notenbankchefs der 20 grössten Wirtschaftsmächte (G20) Fortschritte bei der Reform des Finanzsystem. Weltbank und IWF kommen dann an diesem Wochenende in Washington zu ihrer gemeinsamen Frühjahrstagung zusammen. Bei den Beratungen wird es um die jüngste weltwirtschaftliche Entwicklungen, aber auch um die politischen Ereignisse wie im Nahen Osten und in Nordafrika gehen./fb/DP/jkr

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