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IWF verlangt Reformen von der Schweiz

IWF-Missionschef Bob Traa (links) mit Peter Siegenthaler, Direktor der Eidgenössischen Finanzverwaltung. Keystone

Der Internationale Währungsfonds empfiehlt der Schweiz, die Dynamik des Wirtschaftsaufschwungs für Strukturreformen zu nutzen.

Im jährlichen Länderexamen erwartet der IWF ein gutes Wachstum der Schweizer Wirtschaft. Besser, als es Schweizer Institutionen prognostizieren.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) gibt der Schweizer Wirtschaft erneut gute Noten. Das Wachstum der Schweizer Wirtschaft dürfte im laufenden Jahr weiter von der Erholung im Euro-Raum und der verstärkten Binnennachfrage profitieren.

Dies biete Gelegenheit, notwendige Strukturreformen voranzutreiben, hiess es im IWF-Länderexamen.

“Die Schweiz sollte nicht warten, bis die Zukunft kommt, um Reformen in der Fiskal- und Strukturpolitik anzupacken”, sagte Bob Traa, IWF-Missionschef, am Montag in Bern. Bei zu langem Warten würden Optionen verloren gehen.

BIP von 2,25%

Für 2006 sagt der IWF der Schweiz ein überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum von 2,25% voraus. Mit dieser Prognose liegt die UNO-Organisation über jenen des Staatssekretariats für Wirtschaft (seco), der Schweizerischen Nationalbank (SNB) und der wichtigsten Konjunkturforschungsstellen.

Diese sagen für das laufende Jahr ein Bruttoinlandprodukt (BIP) von zwischen 1,5 und 2% voraus.

Auf gutem Weg

Die Delegation des IWF besuchte in den vergangenen zehn Tagen die Schweiz, um ihr alljährliches Länderexamen durchzuführen. Die Schweizer Wirtschaft laufe gut. Der schnellere Gang der Wirtschaft sollte – mit Verzögerung – zu einem Rückgang der Arbeitslosigkeit führen, so die erste Bilanz.

Die Schweizer Geldpolitik sollte nach Einschätzung des IWF allmählich zu einem neutralen Kurs zurückfinden. Die Inflationsrate der Schweiz liege tiefer als in anderen Ländern, obwohl die Schweiz unter dem gleichem Ölpreisschock gelitten habe, betonte Traa.

Der IWF führt dies unter anderem auf eine erste dämpfende Wirkung von Strukturreformen und Marktöffnung zurück.

Als wirksames Instrument zur Kontrolle der Bundesfinanzen bezeichnete der IWF die Schuldenbremse. Die Schweiz sei “auf gutem Weg”, das strukturelle Defizit des Bundes bis 2007 zu beseitigen. Allerdings werde vor allem bei den Sozialleistungen der Ausgabendruck in den kommenden Jahren weiter steigen.

Für Frauen-Rentenalter 65

Der IWF hält daher strukturelle Reformen auf der Ausgaben- und Einnahmenseite der öffentlichen Haushalte für unumgänglich. Um den Kostenzuwachs im Gesundheitswesen zu bremsen, sei eine verbesserte Koordination zwischen Bund und Kantonen unerlässlich.

Der IWF begrüsst auch eine Erhöhung des Rentenalters für Frauen auf 65 Jahre zur Entlastung der Alters- und Hinterlassenen-Versicherung (AHV).

Bei der beruflichen Vorsorge wird nach Ansicht des IWF die Unterdeckung unterschätzt. Es sei keine Panik angebracht, aber Massnahmen bei der Überwachung seien notwendig. Die heutige dezentrale Aufsicht sei unzureichend und uneinheitlich. Der IWF empfiehlt eine stärker zentralisierte und harmonisierte Aufsicht.

Nachholbedarf

Weiter sollte die Reform der Netzwerk-Industrien (Strom, Elektrizität, Telekommunikation), besonders durch Marktöffnung, vorangetrieben werden. Hier hinke die Schweiz deutlich hinter anderen Industrienationen hinterher.

Voll des Lobes war der IWF-Vertreter hingegen über den ausgezeichneten Zustand der Schweizer Banken und Versicherungen.

Erfreut und bestätigt von den guten Noten des IWF zeigten sich Peter Siegenthaler, Direktor der Eidgenössischen Finanzverwaltung, und Ulrich Kohli, von der SNB-Geschäftsleitung.

Die Schweizer Wirtschaft sei in einer guten Verfassung und weiterhin auf gutem Weg, sagte Siegenthaler. Die Schweiz wisse um die Fortschritte. Reformen, besonders bei den Sozialversicherungen und im Gesundheitswesen, seien aber weiter nötig.

swissinfo und Agenturen

Die Schweiz trat 1992 dem IWF bei.
Der IWF führt alljährlich ein Länderexamen über die Schweiz durch, wie auch über die anderen Mitgliedstaaten.
Die IWF-Experten waren dafür vom 24. Februar bis zum 6. März in der Schweiz.
Dabei trafen sie Vertreter der Regierung, der Schweizerischen Nationalbank, der Privatwirtschaft sowie der Zivilgesellschaft.

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