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Jangtse-Flussdelfin: Tod einer weiteren Säugetierart

Expedition auf dem Jangtse: Delfinsuche mit dem Fernrohr. Doch die Mühe war vergeblich. (Bild: baiji.org) baiji.org

Die Süsswasserdelfine im chinesischen Jangtse-Fluss sind wahrscheinlich ausgestorben.

Der Schweizer Tierforscher August Pfluger und seine Partner konnten während ihrer sechswöchigen Expedition kein einziges Exemplar entdecken.

Die Flussdelfine seien offenbar der Überfischung und dem zunehmenden Schiffsverkehr auf dem längsten Fluss Chinas zum Opfer gefallen, erklärte der Schweizer Forscher.

“Falls es noch ein, zwei oder drei Exemplare im Fluss geben sollte, glauben wir trotzdem nicht, dass sie eine Chance haben zu überleben”, sagte August Pfluger, dessen Expeditions-Reise am Mittwoch zu Ende ging.

“Wir kamen offensichtlich zu spät. Für mich ist das eine Tragödie, wir haben die Rasse verloren.” Die Art Lipotes vexillifer zählte seit jeher zu den seltensten Säugetieren.

70er-Jahre: Noch mehrere hundert Exemplare

In den späten 70er-Jahren glaubten Wissenschafter noch, es gebe mehrere hundert Flussdelfine im Jangtse. Bereits 1997 wurden sie nur noch 13 Mal gesichtet.

Zum letzten Mal bekam 2004 ein Mensch einen Baiji zu Gesicht. Und zwei Jahre zuvor starb der letzte in Gefangenschaft lebende Flussdelfin.

Schweizer Delfin-Stiftung

2004 ist auch die von Schweizern initiierte und von August Pfluger mitgegründete Baiji.org-Stiftung aus der Taufe gehoben worden.

Sie umfasst ein Netzwerk von Spezialisten, zum Beispiel von Süsswasser-Experten des Hydrobiologischen Instituts von Wuhan, China, und von Projektmanagement- und Kommunikations-Spezialisten.

Diese sollten sich um die Interessenweckung, Finanzierung und Verbreitung des Wissens um die Gefahren kümmern, denen diese Tierart ausgesetzt war.

Schutzbestrebungen kamen zu spät

Zwar hatte die chinesische Regierung einen See zu einem Reservat für die Delfine erklärt. Sie fand jedoch keine Tiere, die sie dort noch hätte schützen können.

“Die Strategie der Regierung war gut, aber wir hatten keine Zeit, sie umzusetzen”, sagte Pfluger. Der Geschäftsführer der Baiji-Stiftung hat sich jahrelang ehrenamtlich für den Delfin einsetzt.

Er und seine Partner aus 6 Ländern beendeten ihre Suche nach rund 3500 Kilometern in Wuhan, wo die Expedition vor 39 Tagen auch begonnen hatte.

Von zwei Schiffen aus hatten die Experten unter anderem aus China, den USA und Japan das Wasser mit Ferngläsern und Unterwasser-Mikrofonen nach dem Baiji abgesucht.

Die Expedition war von der Baiji.org-Stiftung und dem Hydrobiologischen Institut von Wuhan mitorganisiert.

Projektpartner schweizerischerseits waren die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) und die Société Générale de Surveillance.

Als Gottheit verehrt

Die Chinesen sahen in den langschnabeligen, fast blinden Tieren eine Gottheit. Der Legende nach sind die Flussdelfine die Reinkarnation einer Prinzessin, die sich geweigert hatte, einen Mann zu heiraten, den sie nicht liebte, und deshalb von ihrem Vater im Fluss ertränkt wurde.

Ähnliche Delfine im Ganges und Amazonas

Ähnliche Flussdelfinarten wie den Baiji gibt es unter anderem im Ganges und im Amazonas. Aber auch dort gelten die Tiere als bedroht.

Bis vor wenigen Jahren wurde er gemeinsam mit dem Ganges- und dem Amazonas-Delfin in eine Familie, jene der “Flussdelfine”, eingeordnet.

Heute weiss man, dass die Ähnlichkeit der Flussdelfine nicht auf Verwandtschaft, sondern auf eine unabhängige, aber gleich verlaufende Anpassung an das Leben in Flüssen zurückzuführen ist.

Immer wieder sterben sie durch Verschmutzung, Überfischung, illegale Fischmethoden oder Verletzungen von Schiffschrauben.

Fast 20 Mio. Jahre alt

Ausserdem zerstören Dämme ihren Lebensraum. Den Bau des Drei-Schluchten-Dammes im Jangtse-Flussverlauf hätte der Baiji ohnehin nicht überlebt, da dieser die Populationen trennt.

Der fast blinde Baiji lebte gegen 20 Millionen Jahre lang im Jangtse und ist eine der ältesten Delfinarten überhaupt. Experten sehen in seinem faktischen Aussterben ein schlechtes Zeichen für das künftige Schicksal grosser Fluss- und Meeressäuger.

swissinfo und Agenturen

Erst in den 70er-Jahren erkannte man, dass der chinesische Flussdelfin auf der ganzen Länge von 1900 km von der Mündung des Jangtse aufwärts lebte.

Über seine Lebensweise ist wenig bekannt. Früher war er in Paaren oder Gruppen anzutreffen. In letzter Zeit gab es nur noch Einzelgänger.

Da sich der Delfin als Luft atmendes Säugetier oft knapp unter der Wasseroberfläche aufhält, kam es häufig zu Kollisionen mit Motorbooten, deren Anzahl auf dem Jangtse massiv zugenommen hat.

Der chinesische Flussdelfin wird bis zu 250 cm lang und bis 160 kg schwer.
Er kann bis 30 Jahre alt werden.
Er ist oberseits blassgrau bis bläulich und unterseits weiss.
Seine schnabelartige Schnauze ist deutlich vom Kopf abgesetzt und sehr schmal.
Die Augen sind verkümmert, aber nicht funktionslos. Seine Beutefische ortet er mit Echo.

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