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Joseph Ratzinger ist Papst Benedikt XVI.

Joseph Ratzinger übernimmt als Benedikt XVI. die Nachfolge von Johannes Paul II. RTS

17 Tage nach dem Tod von Johannes Paul ll. ist dessen Chefideologe, Kardinal Joseph Ratzinger, zum neuen Papst gewählt worden.

Nach 24 Stunden und vier Wahlgängen stieg am Dienstagabend um 17.50 Uhr weisser Rauch aus dem Schornstein der Sixtinischen Kapelle in Rom – die Entscheidung war gefallen.

Vom Balkon des Petersdoms winkte Ratzinger am Dienstagabend der Menge zu und erteilte ihr seinen ersten Segen als Papst. “Liebe Brüder und Schwestern”, sagte er. “Nach dem grossen Papst Johannes Paul II. haben die Kardinäle mich gewählt, einen einfachen, bescheidenen Arbeiter im Weinberg des Herrn.”

Der 78-jährige Ratzinger diente Johannes Paul II. seit 1981 als Präfekt der Glaubenskongregation, einer Nachfolgeorganisation der Inquisition. In dieser Funktion hatte er die Aufgabe, die Einheit des Glaubens zu wahren. Ratzinger gilt als dezidiert konservativer Theologe.

Favorit gewählt

Von Anfang an gehörte er zu den Favoriten beim Konklave der Kardinäle. Gegenpol zum konservativen Ratzinger und Wunschkandidat für die Reformorientierten war nach Informationen aus der Kurie der Mailänder Kardinal Carlo Maria Martini.

Die 115 zum Konklave versammelten Kardinäle entschieden sich am Dienstag mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit für Ratzinger. Von der Sixtinischen Kapelle des Vatikans stieg gegen 18 Uhr weisser Rauch und die Glocken des Petersdoms verkündeten kurz darauf die erfolgreiche Wahl des neuen Papstes.

Die ersten drei Wahlgänge am Montagabend und Dienstagvormittag hatten zunächst noch keine Mehrheit ergeben. Nach einer Mittagspause versammelten sich die ranghöchsten Würdenträger dann erneut hinter den geschlossenen Türen der Sixtinischen Kapelle. Offenbar kam dann im vierten Wahlgang die erforderliche Mehrheit zu Stande.

Ein Mann, der polarisiert

Wegen seiner brillanten Rhetorik und scharfen Intelligenz wird Kardinal Joseph Ratzinger geschätzt und gefürchtet, jetzt ist er als erster Deutscher seit rund 500 Jahren zum Papst gewählt worden. Er wählte den Papstnamen Benedikt XVI. Als Dekan des Kardinalskollegiums hatte der 78-Jährige die Wahl geleitet.

Vor Beginn des Konklaves hatte Ratzinger am Montag in einer Predigt, die von Beobachtern als eine Art Bewerbungsrede gewertet wurde, Rufen nach Modernisierung der Kirche eine Absage erteilt. Den wechselnden ideologischen Moden müssten die Katholiken die Rückbesinnung auf die Wurzeln ihres Glaubens entgegenstellen, forderte Ratzinger.

Die Kirche müsse mit der Kraft des Glaubens dem Zeitgeist trotzen: “Es wird oft als Fundamentalismus bezeichnet, wenn man einen klaren Glauben auf den Grundlagen der Kirche vertritt, während der Relativismus als einzige Haltung dargestellt wird, die heute Gültigkeit hat.”

Bereits mit seiner bewegenden Predigt zum Trauergottesdienst für Johannes Paul II. hatte Ratzinger seine Chancen gesteigert, zum nächsten Papst gewählt zu werden. Denn der rigorose Wächter über die Dogmen der katholischen Kirche zeigte ungewohnte Emotionen, als er den Tränen nahe war und eine menschliche Seite zeigte, wie man sie von einem Nachfolger Johannes Pauls erwartet.

Verteidiger des konservativen Wegs

Ratzinger werden einerseits fehlende Wärme und intellektuelle Kälte nachgesagt, andererseits galt der Geistliche, der am Samstag 78 Jahre alt wurde, von vornherein als Favorit. Auf Bitten Johannes Pauls II. hatte Ratzinger am Karfreitag die Meditationen für die Prozession zum Kolosseum verfasst.

Darin blitzte seine Härte durch, als er vom “Schmutz” in der Kirche sprach – was als eine harsche Kritik an Sexskandalen in der katholischen Kirche verstanden wurde. Im Auftrag des Papstes hatte Ratzinger mit eiskalter Schärfe die Befreiungstheologen zum Schweigen gebracht und auch sonst die Kirche auf Johannes Pauls konservativem Kurs gehalten.

Seit November 1981 war er Präfekt der Glaubenskongregation im Vatikan, der höchsten und zentralen Instanz für die Interpretation und Verteidigung der katholischen Lehre. Ende 2002 wurde er zudem Dekan des Kardinalskollegiums, das den Papst berät und bei einer Vakanz dessen Nachfolger wählt.

swissinfo und Agenturen

Am Montag trat das Konklave streng abgeschirmt von der Öffentlichkeit im Vatikan zusammen.

Das Konklave ist die Versammlung der unter 80-jährigen Kardinäle aus aller Welt, die den Papst wählt.

Bei der aktuellen Papstwahl waren 115 Purpurträger wahlberechtigt, unter ihnen ein einziger Schweizer, Kardinal Henri Schwery.

In der Sixtinischen Kapelle fanden drei erfolglose Wahlgänge statt. Im vierten erreichte Ratzinger eine Zweidrittelmehrheit.

Zum Papst kann jeder Katholik gewählt werden. Seit 1378 wurde jedoch stets ein Kardinal gewählt.

Mit der Entscheidung für den Papstnamen Benedikt signalisiert Joseph Ratzinger, an welche Traditionen er anzuknüpfen gedenkt.

Der letzte Papst dieses Namens, Benedikt XV., bemühte sich Anfang des 20. Jahrhunderts vor allem darum, die Spannungen zwischen Traditionalisten und den Anhängern einer behutsamen Modernisierung der Kirche zu überwinden.

In einer ähnlichen Situation befindet sich auch die katholische Kirche der Gegenwart.

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