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Jung, neu – und mittendrin

Von links nach rechts: Evi Allemann (SP), Christa Markwalder Bär (FDP), Jasmin Hutter (SVP). swissinfo.ch

Evi Allemann, Jasmin Hutter und Christa Markwalder Bär erlebten die Bundesratswahlen als riesigen, anstrengenden Rummel: Ein Tag, der ihre erste Session sehr geprägt habe.

Sie wollen künftig aber nicht nur jung und Frau sein – sondern primär mit ihrer Politik wahrgenommen werden.

Sie sind 25 und 28 Jahre alt. Nach längeren oder kürzeren Lehrzeiten in den kantonalen Parlamenten von Bern und St. Gallen sind sie am 19. Oktober in die Grosse Kammer, den Nationalrat, gewählt worden.

Die Sozialdemokratin Evi Allemann, Jasmin Hutter von der Schweizerischen Volkspartei und die Freisinnige Christa Markwalder Bär gehören zu den Ausnahmen in einer von Männern über 55 dominierten Institution. Doch nach der ersten dreiwöchigen Session bewegen sich die drei jungen Frauen bereits sehr locker im Parlamentsgebäude.

Historischer Tag

Es war eine historische Session, so war verschiedentlich in den Zeitungen zu lesen: Abwahl einer Bundesrätin, Aufbrechen der Zauberformel.

Die Richtungswahl in den Bundesrat prägt denn auch ihren Rückblick. Jasmin Hutter hat den Tag als “einen grossen Nervenkrieg” erlebt. “Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich überhaupt so nervös sein könnte,” erzählt sie in der Wandelhalle im Gespräch mit swissinfo.

Für Evi Allemann war es eine schwierige Situation, “wenn man als Neue reinkommt, und im Prinzip feststeht: ‘les jeux sont faits'”. Ihre Sozialdemokratische Partei hatte mit der Losung “Keine Stimme für Blocher” den Weg klar vorgegeben.

Christa Markwalder spürte den Druck am Wahltag auch physisch. “Den Saal verlassen war gar nicht möglich, ohne dass einen jemand am Ärmel packte und ein Mikrofon hinstreckte: ‘So, nun nehmen sie bitte mal Stellung.'” (Alle lachen).

Frauen und Bundesrat

Für Markwalder war es kein schöner Tag: “Nach den Wahlen war ich sehr konsterniert und niedergeschlagen. Ich hätte mir gewünscht, dass mindestens zwei Frauen im Bundesrat vertreten sein würden, oder sogar drei.”

Dem stimmt Allemann zu. Doch sie wehrt sich dagegen, dass nun die SP bei einem Rücktritt ihres Bundesrats Leuenberger eine zweite Frau in die Regierung schicken solle. “Es wäre symptomatisch, wenn die SP die Aufgabe der Gleichstellung in der Regierung übernehmen muss.”

Hutter hingegen versteht “dieses ganze Geschrei” um Frauen im Bundesrat nicht. “Ich wähle diejenige Person, die mir politisch näher steht. Wenn eine Frau und ein Mann die gleichen Qualitäten haben, dann wähle ich ganz sicher eine Frau.”

Frauen und Politik

Es sei doch aber “absurd”, dass nun die weibliche Hälfte der Bevölkerung in der Regierung fast nicht mehr vertreten sei, sagt Allemann. Hutter entgegnet: “Müssen wir denn nicht schauen, gerade wir drei Frauen, wieso dass Frauen nicht Frauen wählen?” Ihrer Meinung nach müssten mehr Frauen an den Wahlen mitmachen.

Dieses Motto scheint Markwalder zu einfach. “Ich denke, Männer und Frauen müssten gemischte Listen mit einem hohen Frauen-Anteil in die Urne werfen.” Allemann geht noch einen Schritt weiter: “Frauen müssen auch innerhalb der Parteien gefördert werden.”

“Ich fühle mich schon mit dem Wort ‘Frauenförderung’ diskriminiert”, kontert Hutter. Sie brauche keine Förderung. Und wenn es um Frauen-Anliegen wie Gewalt an Schulen gehe, sei sie gerne bereit, “auch mit der Linken und der so genannten Mitte zusammen zu arbeiten”.

“Ich denke nicht, dass Gewalt an der Schule ein frauenspezifisches Anliegen ist. Kinder haben in der Regel zwei Eltern”, fällt ihr Markwalder ins Wort, womit wir schon mitten in der politischen Diskussion sind. Die Frauen hoffen denn auch, dass nach der ersten Session nun ihre Meinungen wichtiger werden als ihre Person.

Nun an die Arbeit

“Der mediale Fokus war so stark auf uns als junge Frauen gerichtet, dass wir gar nicht wahrgenommen wurden als Menschen, die Inhalte vertraten”, sagt Evi Allemann. Und Christa Markwalder bestätigt: “Die Sachgeschäfte rückten sehr in den Hintergrund.”

Auch Jasmin Hutter hofft nun auf ruhigere Zeiten: “Ich freue mich sehr auf die politische Arbeit in den Kommissionen.” Argumentieren, debattieren und Lösungen suchen – auf die “Knochenarbeit” freuen sich alle drei.

Jung und Frau, damit gehören die drei Nationalrätinnen zu einer doppelten Minderheit im Parlament. Doch sie fühlten sich von Beginn weg Ernst genommen in ihren Fraktionen. Man werde auch als junge Frau gehört, wenn man sich konstruktiv einbringe, so der Tenor.

Nach dem Posieren fürs Foto plaudern die drei Frauen aus den unterschiedlichen politischen Lagern munter weiter. Markwalder: “Wir haben menschlich einen guten Draht zu einander, auch gerade, weil wir am Anfang gleich (die andern lachen, sie wissen schon, was kommt) zu dritt herumgereicht wurden.”

swissinfo, Christian Raaflaub

Die 25-jährige Evi Allemann (SP) schloss im Sommer 2003 ihr Studium der Rechtswissenschaften an der Uni Bern ab. Sie zog 1998 als jüngste Grossrätin aller Zeiten ins Berner Kantonsparlament. Seit dem 1. Dezember 2003 ist sie als Ratsjüngste im Nationalrat.

Die 25-jährige Jasmin Hutter (SVP) liess sich nach einer Banklehre mit Berufsmatura zur Marketingfachfrau und eidgenössisch diplomierter Verkaufskoordinatorin ausbilden. Sie zog 2000 ins St. Galler Kantonsparlament. Seit dem 1. Dezember ist sie im Nationalrat.

Die 28-jährige Christa Markwalder Bär (FDP) schloss im Sommer 2001 ihr Studium der Rechtswissenschaften an der Uni Bern ab. Von 1999 bis 2002 war sie im Burgdorfer Stadtparlament. Sie zog 2002 ins Berner Kantonsparlament. Seit dem 1. Dezember ist sie im Nationalrat.

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