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Karin Thürig überlegen Weltmeisterin im Zeitfahren

Karin Thürig küsst ihre Goldmedaille! Keystone

Die 32-jährige Luzerner Radfahrerin Karin Thürig gewann an der WM bei Verona das Zeitfahren der Frauen. Die Olympiadritte von Athen nahm den Verfolgerinnen eine knappe Minute und mehr ab.

Das Gold kam unerwartet, weil Thürig noch vor wenigen Tagen an Fieber erkrankt war.

Acht Jahre nach Barbara Heeb in Lugano hat die Schweiz zum zweiten Mal eine Rad-Weltmeisterin. Die Innerschweizerin Karin Thürig gewann im norditalienischen Bardolino das WM-Zeitfahren über 24 Kilometer mit 51 Sekunden Vorsprung auf die Deutsche Judith Arndt. Dritte wurde Sulfia Sabirowa aus Russland, die 56 Sekunden verlor.

Noch am Vortag der Prüfung gegen die Uhr hatte sich die Olympia-Dritte von Athen bei der Beurteilung ihrer Aussichten vorsichtig gezeigt. Wegen eines Fieberanfalles hatte Karin Thürig letzte Woche drei Tage lang das Bett hüten müssen.

Trotz oder wegen Fieber…

Doch diese unfreiwillige Pause hatte wahrscheinlich günstige Auswirkungen. Die Luzernerin bewegt sich in der Regel eher zuviel, als dass sie ihrem Körper einmal eine Pause gönnt. Diese kurze Ruhe scheint ihr gut bekommen zu sein.

Im Gegensatz zu Athen, wo es die im Jargon als “Schleicher” bekannten langen Steigungen zu bewältigen galt, hatten die Fahrerinnen in der Nähe des Gardasees nur kurzere Hügel zu überwinden, wie sie Karin Thürig auch in der Umgebung ihres Wohnortes Retschwil vorfindet.

Bei der halben Distanz und der einzigen namhaften Steigung wies die Betriebsökonomin 16 Sekunden Vorsprung auf. Auf der auf dem Papier leichteren, zweiten Streckenhälfte baute die Weltmeisterin ihre Reserve um mehr als das Doppelte aus. In den letzten Jahren war die Differenz zwischen der Ersten und der restlichen Konkurrenz nie so gross gewesen.

“Das ist auch nett”

“Ich hatte noch keine Zeit, über den Gewinn dieses WM-Titels nachzudenken. Sicherlich werde ich in der Nacht nicht schlafen, weil ich dann all die Eindrücke verarbeite. Das war schon in Athen mit meiner Bronzemedaille so”, sagte Karin Thürig im Ziel.

Ob nun der 3. Platz der Olympischen Sommerspiele oder das nun gewonnene Regenbogentrikot mehr wert sei, war für sie ebenso schwierig zu beantworten: “In Athen habe ich ein grosses Rennen bestritten und ich könnte nicht sagen, wo ich dort eine Sekunde schneller hätte fahren können. Hier war ich die Beste und erzielte die schnellste Zeit. Das ist auch nett.”

Interessant wäre ein Vergleich mit der Olympiasiegerin Leontien Zijlard-Van Moorsel gewesen, doch hat die Holländerin in der Zwischenzeit ihre Karriere beendet. Die Olympia-Zweite Deirdre Demet-Barry stellte keinen Gradmesser dar. Die vor der Schweizerin gestartete Amerikanerin wurde von Thürig gar eingeholt: ” Da ahnte ich, dass ich wirklich schnell unterwegs war.”

Absolutes Multi-Talent

Für Karin Thürig stellt dieser WM-Titel die Auszeichnung dafür dar, dass sie sich in den letzten zwei Jahren ausschliesslich auf den Radsport konzentriert hat. Die frühere Triathletin und Duathlon-Weltmeisterin auf den Langstrecken sicherte der Schweiz letztes Jahr mit dem Sieg an der B-WM der kleinen Nationen in der Bahnverfolgung in Aigle einen Quotenplatz für Athen.

Damit war der Weg für die Luzernerin vorgezeichnet. Das Laufen und das Schwimmen hatten in den Hintergrund zu treten. Das Volleyballspielen gehört in Karin Thürigs Karriere bereits der Vergangenheit an. Dann hätte die Multisportlerin auch noch ein Flair für das Dressurreiten. Aber dort wäre der Zeitaufwand so gross, dass dieses Steckenpferd nicht auch noch Platz in Thürigs Kalender findet.

Abstecher zur alten Liebe

Ihren Bewegungsdrang kann die neue Weltmeisterin beim Ironman Hawaii ausleben. Für den 7. Oktober ist der Abflug vorgesehen. Karin Thürig muss eine Klassierung unter den ersten Zehn gelingen, um sich auch für nächstes Jahr einen Startplatz zu sichern.

Im Jubel um den WM-Titel wurde von Priska Doppmanns Leistung kaum Notiz genommen. Die Schwyzerin erreichte den 8. Platz, womit sie ihre Zielsetzung mehr als erfüllte. Die Siegerin des GP des Nations hatte sich vorgenommen, ihr Ergebnis von Athen (9.) zu bestätigen.

swissinfo und Agenturen

Karin Thürig ist eine sportliche “Spätzünderin”.
Anfänglich eine Duathletin, setzte sie erst vor wenigen Jahren ganz auf das Rennvelo.
Schnell zeichnete sich ihr riesiges Talent ab.
Mit ihrer Bronzemedaille an der Olympiade in Athen und dem jetztigen Weltmeistertitel etablierte sie sich endgültig an der Weltspitze.

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