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Kindergarten wird Schulstube

Künftig soll Lesen und Schreiben in den Zürcher Kindergärten kein Tabu mehr sein. Keystone

Im Kanton Zürich soll ab 2008 die Grundstufe eingeführt werden. Damit würde der Kindergarten mit der 1. Klasse verschmolzen.

Der Zürcher Kantonsrat hat dem Grundstufen-Modell am Dienstag zugestimmt, wenn auch knapp. Gegen die Reform stimmten die SVP, die EVP und einige Grüne. Gemäss dem neuen Modell soll der Eintritt ins Schulleben flexibler und individueller erfolgen.

In der Regel würde ein Kind im Alter von vier Jahren die Grundstufe drei Jahre lang besuchen, bevor es in die zweite Klasse übertritt. Neu ist, dass die Kinder bereits in der Grundstufe Lesen, Schreiben und Rechnen lernen.

An den Kindergärten gilt zur Zeit ein Verbot der sogenannten Kulturtechniken, was bedeutet, dass das Erlernen von Lesen, Schreiben und Rechnen untersagt sind. Sowohl Gegner wie Befürworter der Grundstufe sind für die Aufhebung dieses Verbots.

Mehr Flexibilität

Hochbegabte können die Grundstufe schneller durchlaufen. Diese Stufe kann aber auch verlängert werden. Pro Klasse sind zwei Lehrkräfte vorgesehen mit insgesamt 150 Stellenprozenten.

“Wir holen die Kinder individuell ab. Dieses individuelle Abholen, dieser individuelle Übergang vom Spielen ins Lernen ist sicher ein Fortschritt”, erklärte der Zürcher Erziehungsdirektor Ernst Buschor.

Leistungsdruck statt Geborgenheit?

Die Gegner des neuen Modells befürchten, dass die Geborgenheit, die im Kindergartenalter wichtig sei, dem Leistungsdruck geopfert werde. Die Grundstufe verhindere den behutsamen Start ins Leben. Bislang habe der Kindergarten die Kleinen vor allzu frühem Leistungsdruck bewahrt.

Die Befürworter vertraten jedoch die Meinung, dass Kinder lernwillig seien und gefördert werden müssten. Die Grundstufe fördere sowohl die schlechteren als auch die begabteren Schüler.

Schweizweite Signalwirkung

Der Zürcher Entscheid dürfte für die Deutschschweiz Signalwirkung haben, nimmt Zürich in der Schulreform doch eine Vorreiterrolle ein. Ähnliche Modelle kennen bereits die Kantone Genf und Tessin.

Das letzte Wort in Sachen Schulübertritt hat das Zürcher Stimmvolk, wenn der Vorschlag im kommenden November zur Abstimmung kommt.

Gaby Ochsenbein und Agenturen

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