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Kinderlobby erhebt ihre Stimme

In der Schweiz leben rund 230'000 Kinder unter der Armutsgrenze. Keystone

Die Schweizer Behörden werden aufgefordert, mehr für die Umsetzung der Internationalen Kinder- und Jugendrechte zu tun.

Gesetzeslücken erschweren es laut dem Netzwerk Kinderrechte Schweiz, wirkungsvoll gegen Gewalt, Armut und Diskriminierung von Kindern vorzugehen.

Das Netzwerk Kinderrechte Schweiz mit seinen über 40 angeschlossenen Kinder- und Jugend-Organisationen hat an einer Fachtagung in Bern die öffentliche Hand zur konsequenteren Beachtung des übergeordneten Kindeswohls aufgefordert.

Mit einem Zehn-Punkte-Programm will das Netzwerk der Umsetzung der UNO-Konvention über die Rechte des Kindes (KRK) in der Schweiz Nachdruck verschaffen, gab das Netzwerk an der Tagung bekannt.

Die grössten Lücken macht das Netzwerk bei der Gewalt gegen Kinder, Kinderarmut, dem Gesundheitszustand der Kinder und Jugendlichen sowie beim Umgang mit Asylsuchenden und Flüchtlingskindern aus. So fehle etwa eine Kinder-und Jugend-Ombudsstelle, die Gesetze und Entscheidungen auf ihre Kinderverträglichkeit prüft.

Behörden, Gerichte und Politik würden oft andere Interessen in den Vordergrund stellen als den Grundsatz des übergeordneten Kindeswohls, bedauert das Netzwerk weiter.

Aktionsplan gefordert

Das Netzwerk fordert in seinen “Zehn Prioritäten zum Handeln” vom Bund bis 2007 einen “Nationalen Aktionsplan zur Verbesserung von Umwelt und Gesundheit der Kinder”. Es brauche Programme zur Stärkung der psychischen Gesundheit, zur Suizidprävention, zur Reduktion von Suchtmittelmissbrauch und von Verkehrsunfällen.

Gewalt in allen Formen gegen Kinder existiere. Es fehlten aber aussagekräftige Studien. Das Netzwerk fordert mehr Forschung und Sensibilisierung sowie neue Massnahmen zum Schutz der Kinder, zum Beispiel das explizite Recht der Kinder auf gewaltfreie Erziehung zu Hause, in der Schule und in der Freizeit.

Die Kinderarmut in der Schweiz sei eine immer brisanter werdende Tatsache. Das Netzwerk fordert einen nationalen Aktionsplan gegen Armut, der die Situation der Kinder und Jugendlichen verbessert.

Weiter verunmögliche das Ausländerrecht oft, dass Kinder und Jugendliche unabhängig vom Status in ihrer Entwicklung gefördert werden könnten. Deshalb fordert das Netzwerk ein Recht auf Bildung und Beschäftigung für minderjährige Asylsuchende ohne Begleitung.

“Babylonische Vielfalt”

In der Schweiz seien 230’000 Kinder arm, erinnert das Netzwerk. Kinder und Jugendliche seien zudem am häufigsten von Sozialhilfe abhängig. Bei der Alimenten-Bevorschussung gebe es eine “babylonische Vielfalt”.

Weiter habe die Schweiz die zweithöchste Jugend-Selbstmord-Rate Europas. Und 25 bis 30% der Kinder leiden unter Bewegungsarmut und Übergewicht. Zudem seien 6000 bis 7000 Mädchen und junge Frauen in der Schweiz beschnitten oder entsprechend gefährdet.

Fachleute, Interessiert und Engagierte

An der Tagung in Bern nahmen Fachleute, Interessierte und Engagierte aus Verwaltung, Behörden, Bildung, Forschung, Kinder- und Jugendorganisationen, Kirchen, Politik, Amtsvormundschaften, Opferhilfestellen, Jugendanwaltschaften, Fachgremien und aus der Politik teil.

Die Tagung wurde in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) und mit Unterstützung des Eidgenössischen Departements des Innern realisiert.

Das BSV übt eine koordinierende Funktion in der Bundesverwaltung für die Umsetzung der KRK-Konvention der UNO aus. Die Schweiz hat die KRK 1997 als 190. Land unterzeichnet.

swissinfo und Agenturen

Die zehn Prioriäten des Netzwerks Kinderrechte Schweiz:

1. Das Wohl des Kindes ist übergeordnet

2. Erstellung eines Rahmengesetzes für Kinder- und Jugendpolitik

3. Bessere Überwachung der UNO-Kinderrechts-Konvention

4. Förderung der familien- und schulergänzenden Betreuung

5. Verbesserung und Förderung der physischen wie psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen

6. Vermehrte Bekämpfung von Gewalt gegen Kinder

7. Verstärkter Kampf gegen die Kinderarmut

8. Bildungsziele der Konvention mit landesweiter Koordination erfüllen

9. Den Bedürfnissen von asylsuchenden Kindern soll besser entsprochen werden

10. Bessere Bekanntmachung der Kinderrechte bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen.

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