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Können Weltraumspiegel den Planeten retten?

Eine Person mit Regenschirm
Kann und soll der Mensch das Klima manipulieren? Keystone / Channi Anand

Technologien zur Eindämmung der Sonneneinstrahlung oder zur Reduzierung von CO2 in der Atmosphäre könnten dazu beitragen, die globale Erwärmung zu begrenzen. Aber mit welchen Folgen für Gesellschaft und Umwelt? Die Schweiz ruft zu internationaler Reflexion auf, um die Chancen und Risiken von Geo-Engineering zu bewerten.

Lange Zeit als unwahrscheinliche Alternative zur Drosselung des Temperaturanstiegs angesehen, rückt das Geo-Engineering dank des wissenschaftlichen Fortschritts und vor allem wegen der Trägheit der Politik wieder in den Vordergrund. Trotz Berichten von Klimawissenschaftlern und internationaler Appelle steigen die CO2-Emissionen nämlich weiter anExterner Link.

Die Klimaexperten der Vereinten Nationen (IPCC, WeltklimaratExterner Link) haben zwar grosse Zweifel an der Realisierbarkeit von Geo-Engineering. Dennoch könne die Technik eine “vorübergehende Korrekturmassnahme” sein.

Auch die Schweiz zieht es eigentlich vor, nicht auf eine “riskante Notlösung” zu setzen. Trotzdem sei es notwendig, so viel Handlungsspielraum wie möglich zu haben, um das Klimasystem der Erde zu beeinflussen, wie es in einem Merkblatt des Bundesamtes für UmweltExterner Link heisst.

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Das Klima manipulieren, um die Erderwärmung zu bekämpfen

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Ein riesiger Spiegel im Weltraum, um das Sonnenlicht zu reflektieren und die Erde abzukühlen, oder ein Boot, das die Ozeane durchpflügt, um die Algen zu nähren und das CO2 in der Atmosphäre zu verringern. Alles nur Fantasterei? “Nein, mitnichten”, erwidert Nicolas Gruber, Professor für Umweltphysik an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETHZ). “Die Idee mit…

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Schweizer Resolution in der UNO

In diesem Kontext also hat die Schweiz [zusammen mit 12 Länder aus allen UN Regionen] eine ResolutionExterner Link beim UNO-Umweltprogramm UNEP eingereicht. “Gewisse Geo-Engineering Technologien könnten globale Auswirkungen haben. Wir fordern daher einen internationalen Dialog, um deren Risiken und Chancen besser zu verstehen und den Bedarf an multilateraler Kontrolle zu beurteilen”, erklärt Franz Perrez, Schweizerischer Umweltbotschafter, gegenüber swissinfo.ch.

Doch die Resolution wurde während der Vollversammlung des UNEP, die derzeit in Kenia stattfindet, zurückgezogen. “Die Schweiz wird hier weiter am Ball bleiben und wir haben bereits mit einzelnen Ländern begonnen, die nächsten Schritte zu besprechen”, sagt Perrez. “Wir sind überzeugt, dass wir zusätzliche Informationen betreffend gewisser Geo-Engineering-Technologien brauchen, und dass UNEP das richtige Forum ist, die Frage der Notwendigkeit multilateraler Gouvernanz und Kontrolle zu diskutieren.”

Das Klima-Engineering umfasst eine Reihe von Interventionen, die wiederum in zwei Hauptgruppen unterteilt werden können: den Abbau von CO2 in der Atmosphäre (Carbon Dioxide Removal, CDR) und die Kontrolle der Sonneneinstrahlung auf die Erde (Solar Radiaton Management, SRM).

Der erste Ansatz beinhaltet die Manipulation der Ökosysteme. Ziel ist es, die Menge an Kohlendioxid zu erhöhen, die von der Biomasse auf der Erde (Pflanzen und Boden) oder im Meer absorbiert wird. Eisensulfate werden über die Ozeane verstreut, dies fördert zum Beispiel das Wachstum der Algen, die durch die Fotosynthese das CO2 beeinflussen. Eine andere, innovative Lösung verspricht der Einsatz von “Staubsaugern”, die das Kohlenmonoxid aus der Luft filtern können. Darüber wird in der Schweiz in diversen Projekten geforscht. Das Start-up Climeworks hat 2017 im Kanton Zürich die weltweit erste industrielle Anlage in Betrieb genommen.

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CO2 capture

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Ein riesiger CO2-Staubsauger

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die im Juni 2017 eingeweihte Anlage wurde auf dem Dach der Kehrichtverbrennungsanlage Hinwil im Kanton Zürich installiert. Durch spezielle Filter wird CO2 von anderen Molekülen in der Luft getrennt, was zur Reduktion von Treibhausgasen in der Atmosphäre beiträgt. Jeder sogenannte Kollektor, insgesamt sind es 18, kann bis zu 50 Tonnen CO2 pro Jahr aufnehmen, also…

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Der zweite Ansatz, die SRM-Technik, möchte die Reflektionsfähigkeit der Erdoberfläche, der Wolken oder der Atmosphäre erhöhen. Die Einwirkung mittels Flugzeugen, Projektilen und aerostatischen Ballonen auf Aerosolpartikel in der Stratosphäre ist die am besten erforschte und vielversprechendste SRM-Technik.

Das Aerosol, zum Beispiel Schwefelpartikel, wird in der Atmosphäre freigesetzt und bildet eine Art Schirm, der einen Teil der Sonnenstrahlen zurückwirft. Hughhunt

Es ist nicht nur Science-Fiction

Wer entscheidet über die einzusetzende Technologie? Wem werden die politische Verantwortung und die technische Kontrolle übertragen? Und wer wird bei unvorhergesehenen Nebeneffekten zur Verantwortung gezogen? Dies sind nur einige der Fragen rund um das Geo-Engineering, das im Gegensatz zu Techniken zur Erzeugung künstlichen Regens langfristige planetarische Auswirkungen hat.

“Es besteht die Gefahr, dass jemand Geo-Engineering ohne internationale Kontrolle anwendet, was für uns sehr beunruhigend ist”, sagt Perrez gegenüber Climate Home NewsExterner Link. “Einige experimentieren bereits mit SRM und die wissenschaftliche Forschung schreitet voran. Wir können die Augen nicht mehr schliessen und uns gegenseitig sagen, es sei nur Science-Fiction.”

1877: ein amerikanischer Forscher schlägt vor, die Richtung des Meeresstromes Kuroshio zu verändern, und zwar durch die Beringstrasse. Ziel: die Temperatur in der Arktis um rund 15°C zu erhöhen.

1929: Ein deutscher Physiker will auf einer Raumfahrtstation einen riesigen Spiegel installieren, um die Sonneneinstrahlung auf der Erdoberfläche zu konzentrieren und den äussersten Norden des Planeten bewohnbar zu machen.

1946: Der Generaldirektor der Unesco meint, dass die Explosion einer Atombombe über den Polargebieten die Temperatur des Arktischen Ozeans erhöhen und so zu einem milderen Klima in den nördlichen Zonen führen würde.

1967-1972: während des Vietnam-Kriegs sprüht die amerikanische Armee Silberjodid in die Wolken, um die Monsunzeit zu verlängern.

1989: Ein amerikanischer Klimatologe glaubt zu wissen, dass ein in der Erdumlaufbahn installierter Schirm 2% des Sonnenlichts reflektieren könnte.

2006: Ein holländischer Chemiker schlägt vor, Schwefelpartikel in die Stratosphäre zu leiten, um einen Teil der Sonnenstrahlen zu absorbieren und so die Temperatur der Erde zu senken.

2010: Forschern der Universität Genf gelingt es, künstlichen Regen zu erzeugen, dank einem Laser, der die Wassertropfen in der Atmosphäre kondensieren kann.

(Übertragung aus dem Italienischen: Sibilla Bondolfi)

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