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Konfuzius-Institute – en vogue, aber etwas konfus

Chinesische Kultur-Idylle am Genfersee? Konfuzius-Institut in Genf. tsr.ch

Konfuzius-Institute, mit Goethe-Instituten vergleichbare kulturelle Aussenposten, schiessen derzeit wie Pilze aus dem Boden. In Genf wurde eines eröffnet, weitere folgen in Basel und Zürich. Einige Medien hegen Zweifel an deren Unabhängigkeit.

“Confucius” sei endgültig bei “Calvin” angekommen, schrieb letzten November eine Westschweizer Zeitung, als im Rahmen der Eröffnung eines Konfuzius-Instituts an der Universität Genf die ersten Sprachkurse in Mandarin angeboten wurden.

Weitere solche kulturelle Aussenposten Chinas seien geplant. In Zürich soll eines im Herbst eröffnet werden, in Basel 2013.

Die Konfuzius-Institute reihen sich ein in die Liste der Institute der Alliance Française, der Società Dante Alighieri, der Institutos Cervantes, Camões oder des British Councils, die es in Schweizer Städten seit langem gibt.

Für eine Nation wie China, die als wiedererstandene wirtschaftliche und politische Grossmacht auch mehr kulturellen Einfluss, Soft Power und Reputation sucht, dürfte es eine Selbstverständlichkeit sein.

Normalerweise sind solche kulturellen Aussenposten als eigenständige Institutionen aufgebaut, ohne Bezug zu nationalen Bildungsinstitutionen. Chinesische Konfuzius-Institute weichen aber davon ab. Deshalb haben sie bei einem Teil der Schweizer Lehrkräfte, der Bildungsbehörden und der Presse Kritik hervorgerufen.

Konfuzius-Institute funktionierten meist als dem jeweiligen Gastland respektive dessen Universitäten angegliederte chinesische Partner-Institutionen, sagt der Direktor des Genfer Instituts, Basile Zimmermann, gegenüber swissinfo.ch.

“Also nicht wie die Alliance Française zum Beispiel.” Dieser Umstand und die thematisch unterschiedliche Bandbreite der weltweit rund 300 verschiedenen Konfuzius-Institute habe für Missverständnisse gesorgt.

Weshalb aber die Anbindung an die Universität? “Aus chinesischer Sicht gehören Kultur und Sprache zur Wissenschaft”, so Ling Sun, Bildungs-Beauftragte der chinesischen Botschaft in Bern. “Die Universitäten bieten somit als Partner Vorteile, weil dort Forschung betrieben wird.” Die Konfuzius-Institute seien ja nicht nur eine Sprachschule.

Von Wok bis Wissenschaft

Die breite Themen-Bandbreite bestätigt auch Ivana Vrbica, Direktorin der Abteilung Hochschulwesen im Genfer Erziehungsdepartement, gegenüber swissinfo.ch. “Jedes der 300 Konfuzius-Institute ist etwas anders aufgezogen. Einige fungieren fast wie Konsulate, sind also Regierungsstellen. In anderen, wie in Amerika, lernt man chinesisch kochen.”

Auch das Institut in Genf heisse “Confucius”. Doch das Programm werde von der Universität Genf gemacht, die in der Pekinger Ren-min Universität einen Partner gefunden habe. Als Örtlichkeit habe das Schulamt der Universität die dem Kanton gehörende Villa Rive-Belle am Genfersee zur Verfügung gestellt.

Akademische Freiheit versus Polit-Büro?

Weshalb aber die Aufregung in der Presse? In den Medien, die über die Eröffnung berichteten, wurde der “Angst wegen einer eventuellen Zensur” (Tribune de Genève) viel Platz eingeräumt – Befürchtungen, die bei anderen Kulturinstituten kaum vorkommen.

Diese Kritik kam nicht nur in Genf auf. Ob NZZ, Le Temps, Frankfurter Allgemeine Zeitung oder Die Zeit: Zensur-Ängste zogen sich wie ein roter Faden durch die Konfuzius-Berichte. Bereits die Titel deuten das an: “Propaganda-Vehikel der Volksrepublik”, “Im Lotterbett mit China”, “China ante portas!”

Ling Sun spricht gegenüber swissinfo.ch von Vorurteilen gegenüber China. “Solche Institutionen von anderen Ländern gibt es bereits seit 20 oder 30 Jahren, aber niemand hat sie kritisiert.” 

Vrbica sagt, sie sei mehrmals gefragt worden, ob denn die Genfer Universität zum Beispiel chinesische Oppositionelle oder den Dalai Lama einladen dürfe. Ihre Antwort darauf laute: “Aber sicher, eine Schweizer Universität funktioniert nach Schweizer Gesetzen. Und in Genf ist das Gesetz sehr klar, was die akademische Freiheit betrifft.”

Gegenseitiges Veto-Recht

Ob die Befürchtungen der Presse auf schlechte Erfahrungen mit andern Konfuzius-Instituten zurückzuführen sind, weiss Ivana Vrbica nicht. Beim Genfer Modell der Zusammenarbeit zwischen Institut und Universität jedoch seien diese Befürchtungen nicht angebracht.

“Im Vertrag zum Konfuzius-Institut gibt es eine Klausel, die festhält, dass im Konfliktfall die Genfer Justiz entscheidet”, sagt Zimmermann: Es habe in der Berichterstattung bei der Eröffnung Missverständnisse gegeben, wohl weil es sich beim Konfuzius-Projekt um eine Partnerschaft handle.

Späte Schweiz

“Das Konfuzius-Institut dient als Zusatzangebot zum bereits bestehenden, ohnehin unabhängigen Sinologie-Angebot der Uni”, so Zimmermann. “Will einer der beiden Partner an einem Projekt nicht mitmachen, lässt man es sein. Sowohl wir als auch die Chinesen haben ein Vetorecht.”

Le Temps schliesst nun daraus, dass in gewissen Bereichen wohl ein gemeinsames Arbeiten ausgeschlossen sei. Aber solche heiklen Bereiche könnten dann einfach an der Universität selber anstatt in der Villa Rive-Belle abgedeckt werden.

In Europa gibt es bereits Dutzende von Konfuzius-Instituten. Doch erst kürzlich ist in Genf das erste in der Schweiz eröffnet worden. Weshalb ist die Schweiz so spät dran? “Die vorsichtigen Schweizer wollen von niemandem beeinflusst werden”, erklärt sich dies Ling Sun. “Alles muss hundertprozentig stimmen, bevor begonnen wird.”

In Genf wird zur Zeit mit kleiner Kelle angerichtet: Das Anfangs-Budget beträgt 200’000 Franken, wovon China die Hälfte übernimmt.

Dazu kommt ein von der Pekinger Volksuniversität bezahlter Professor.

Die Schweiz steuert die luxuriöse Villa Rive-Belle am Seeufer bei, die zwar auf 20 Mio. Franken geschätzt wird, aber nicht verkäuflich ist.

“Die Villa Rive-Belle ist ein Prestige-Standort”, sagt Basile Zimmermann. “Das zeigt das Gewicht, das dem Projekt in Genf beigemessen wird.”

Missverständnisse rund um den 551 vor Christus geborenen Konfuzius sind nichts Neues.

Gestandene 68er erinnern sich an Mao Tse Tung, für den der Konfuzianismus das rückständige China verkörpert hatte.

Mao war ein Gegner dieses Predigers von Tugend und Moral: Lieber rief er mit dem “Roten Büchlein” zur Weltrevolution auf.

Auch der Gründer der chinesischen Republik nach dem Untergang des reaktionären Kaiserreichs, Sun Yat Sen, war zu Beginn des 20. Jahrhunderts kein Freund von Konfuzius.

Den Kaisern, die Konfuzius’ Gedanken umgeformt hatten, um die armen Massen ruhig zu halten, hatten sie als Staatslehre gedient.

Progressive Chinesen waren damals deshalb anti-konfuzianisch.

Seit einigen Jahren ist alles wieder anders. Konfuzius werde, so die NZZ am Sonntag, als Botschafter Chinas auch von der gegenwärtigen Kommunistischen Partei instrumentalisiert.

Zu Lebzeiten von Konfuzius durchschritt China eine unruhige Epoche, weil die einzelnen Teilreiche endlos Kriege gegeneinander führten.

So geriet das soziale Gefüge durcheinander, was Konfuzius stark beeinflusst hat.

Als Lehrer konzentrierte er sich deshalb auf die soziale Welt. Der Widerspruch ist ein wichtiger Teil seiner Lehre, Anweisungen für das tägliche Leben, Hierarchie, Alter, Geschlecht, Rang, Rolle, Loyalität, Integrität und hohe moralische Ansprüche.

Konfuzius war jedoch nicht der einzige Protagonist einer Denkschule. Lange schon gibt es in China den Taoismus. Auch der chinesische Buddhismus breitete sich aus.

Rund ein Jahrhundert nach Konfuzius’ Tod wurde der Konfuzianismus zur staatstragenden Denkweise des Kaiserreiches – und blieb es bis zur Revolution Anfang des 20. Jahrhunderts.

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