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Kritik an Umsetzung des Asylgesetzes

Keystone

Flüchtlingshilfe übt Kritik an der Praxis des Bundes bei der Beurteilung von Asylgesuchen Papierloser: Bei der Umsetzung des neuen Asylgesetzes würden die Zusicherungen des Bundesrats missachtet.

Das Bundesamt für Migration äussert sich erstaunt über die Kritik der Schweizerischen Flüchtlingshilfe.

Gut ein halbes Jahr nach Inkrafttreten des verschärften Asylgesetzes hat die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) am Donnerstag den Medien eine kritische Bilanz zur Umsetzungspraxis des Bundesamts für Migration (BFM) präsentiert.

Konkret geht es um die Umsetzung der Bestimmung, wonach auf Asylgesuche nicht eingetreten wird, wenn Asylsuchende nicht innerhalb von 48 Stunden Reise- oder Identitätspapiere abgeben.

Nur in begründeten Ausnahmefällen, das heisst, wenn glaubhafte Entschuldigungsgründe vorliegen, die Flüchtlingseigenschaft festgestellt wird oder weitere Abklärungen nötig sind, wird trotzdem eingetreten.

Die SFH hat nun nach eigenen Angaben einige hundert Nichteintretensentscheide überprüft und dabei zahlreiche Auslegungsprobleme festgestellt.

Zu hohe Hürden

Anders als vom Bundesrat in den Abstimmungserläuterungen und im Parlament versprochen, würden oft viel zu hohe Hürden für ein Eintreten auf Asylgesuche Papierloser aufgebaut, so die SFH.

Betroffen seien selbst Fälle vorgebrachter Vergewaltigung, Genitalverstümmelung oder Bürgerkriegssituationen. Solche Gesuche seien nicht offensichtlich unbegründet und könnten deshalb nicht im schnellen Nichteintretensverfahren abgehandelt werden.

Zudem seien die Anforderungen an die Qualität der abgegebenen Identitätspapiere oft zu hoch. Selbst wenn sie die Identifizierung erlaubten und für eine allfällige Rückführung genügten, würden sie nicht akzeptiert.

Zugang zu Rechtsberatung

Die SFH verlangt deshalb Korrekturen, damit der Papierlosen-Artikel gesetzes- und völkerrechtskonform ausgelegt werde. Die tiefsten im Gesetz vorgesehenen Eintretensvoraussetzungen müssten für ein Eintreten genügen, schreibt die Organisation.

Sobald Asylgesuche nicht offensichtlich haltlos seien, müssten sie in einem materiellen Verfahren geprüft werden. Zudem fordert die SFH, den Asylsuchenden den Zugang zu Rechtsberatung und -vertretung zu garantieren. Und die Anforderungen an die Qualität der Papiere und an die Entschuldigungsgründe bei Papierlosigkeit dürften nicht zu hoch sein.

Die SFH hat festgestellt, dass bereits über die Hälfte der Nichteintretensentscheide mit fehlenden Papieren begründet werden.

Ob aber dadurch das Verfahren auch schneller geworden sei, mehr Identitätspapiere abgegeben und die Rückführung Abgewiesener erleichtert werde, bleibe fraglich. Die SFH gehörte zu den Gegnern des neuen Asylgesetzes, das im vergangenen September mit fast 68% Ja-Stimmen in der Referendumsabstimmung angenommen wurde.

Bundesamt weist Kritik zurück

Das BFM betont, es fälle Nichteintretensentscheide auf Asylgesuche beim Fehlen von Papieren nicht leichtfertig. Seit Januar habe das BFM zu rund 700 Asylgesuchen Nichteintreten beschlossen, sagte BFM-Sprecher Dominique Boillat. Aber auf über 1000 Gesuche, bei denen Papiere fehlten, sei das BFM eingetreten.

Eine Kombination mehrerer Kriterien sei es jeweils, welche dazu führe, dass ein Asylbewerber keine Aufnahme in der Schweiz finde. Es wäre jedoch “absurd”, auf ein Asylgesuch nicht einzutreten, bloss weil die Papiere fehlten, sagte der BFM-Sprecher.

In jedem einzelnen Fall werde der oder die Asylsuchende angehört, dies im Beisein von Vertretern von Hilfsorganisationen. Man versuche dabei beim Fehlen von Papieren herauszufinden, ob dies aus entschuldbaren Gründen der Fall sei. Geforscht werde unter anderem ebenfalls nach Anzeichen von Verfolgungen.

swissinfo und Agenturen

Das neue Asylgesetz – das die Handschrift von Justizminister Christoph Blocher trägt – beinhaltet unter anderem die Aufhebung der Sozialhilfe für zurückgewiesene Asylbewerber oder die Verdoppelung der Ausschaffungs-Haft auf 18 Monate.

Die Aufnahme aus humanitären Gründen ist zudem ausgeschlossen, wenn die Antragsteller nicht im Besitz von Ausweisdokumenten sind. Sonst müssen sie beweisen, dass deren Fehlen nicht ihre Schuld ist.

Der Familiennachzug und der Zugang zum Arbeitsmarkt werden dafür im Fall einer provisorischen Aufnahme einfacher.

Für die Anhänger des neuen Gesetzes rechtfertigt sich die Revision im Hinblick auf die Veränderungen in den Migrations-Strömen. Ausserdem verhindere es den Asylmissbrauch.

Die Gegner bemängeln das schlechtere Klima für Flüchtlinge. Die Revision verletze zudem einige von der Schweiz unterschriebene internationale Abkommen.

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