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Amerikanische Autorin macht Bern zum Tatort

Kim Hays auf der Freitreppe des Berner Rathauses
Kim Hays auf der Freitreppe des Berner Rathauses zVg

In den USA ist der vierte Band der Krimireihe «Polizei Bern» erschienen. Die Autorin Kim Hays lebt seit 37 Jahren in der Schweiz. Sie schreibt für ein US-Publikum, doch ihre Mischung aus kontroversen Themen und Leichen im Keller begeistert auch Schweizer Leser:innen. 

Die Schweiz ist ein sehr sicheres Land. Im Jahr 2024 gab es 45 MordeExterner Link im Land mit seinen rund 8,5 Millionen Einwohner:innen. Im Kanton Bern wurden im vergangenen Jahr sieben Morde registriertExterner Link, die allesamt aufgeklärt werden konnten. Ist die Schweiz im Allgemeinen – und Bern im Besonderen – also ein geeigneter Schauplatz für Krimis? 

«Auf jeden Fall!», sagt die amerikanische Autorin Kim Hays im Gespräch mit SWI swissinfo.ch. Der vierte Roman ihrer Krimireihe, die in der Schweizer Bundesstadt Bern spielt, kommt jetzt in die Buchläden – in den Vereinigten Staaten. 

Die Bücher können natürlich auch online bestellt werden, aber Hays sagt, sie habe ihre «Polizei Bern»-Serie für ein amerikanisches Publikum geschrieben. 

«Ich habe gehofft, dass auch Schweizerinnen und Schweizer sie lesen würden, aber die Bücher sind auf Englisch», sagt sie. «Natürlich würde ich die Serie gerne ins Deutsche übersetzen lassen.»

Gemäss ihrem Vertrag liegen die Übersetzungsrechte jedoch bei ihrem US-Verlag, Seventh Street Books in New Jersey, und Übersetzungen seien sehr teuer, erklärt sie. 

Trotzdem haben die Romane den Weg in ihre zweite Heimat gefunden. Hays sagt, sie sei überrascht gewesen, E-Mails von Schweizer Leser:innen zu erhalten. «Nicht viele», sagt sie, aber mehr als erwartet.

Was die Rezensionen angeht, so «hatte ich leider keine in der New York Times«, aber sie fand Resonanz in einigen auf Kriminalliteratur spezialisierten Magazinen sowie in Kirkus Reviews, einem Magazin für die Verlagswelt. 

Als Auswanderin, die seit 37 Jahren in der Schweiz lebt, hatte Hays das Glück, ohne die Hilfe eines Literaturagenten einen US-Verlag zu finden. 2012, als sie mit dem Schreiben ihrer Romane begann, suchte sie nach einem Agenten oder einer Agentin, wurde aber immer wieder abgelehnt. 

Zum Zeitpunkt, an dem sie schliesslich einen Vertrag mit dem Verlag abschloss, waren die ersten drei Titel der Serie bereits fertig. Der erste, Pesticide, wurde 2022 veröffentlicht. 

Agentinnen und Verleger, die ihr Buch ablehnten, bezweifelten, dass das Schweizer Setting die Leser anziehen würde, sagt sie. «Ein Agent schrieb mir zurück und sagte: ‹Nun, wenn Ihr Buch in Paris spielen würde, wären wir vielleicht interessiert›. Daraufhin dachte ich: Es gibt so viele Krimis, die in Paris spielen, weiss diese Person das überhaupt?» 

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‹CSI Bern›

Die «Polizei Bern»-Serie dreht sich um die Ermittlungen von Mordkommissarin Giuliana Linder und ihrem Partner Renzo Donatelli. Hays kehrt das Klischee des Ermittlerduos um, bei dem ältere, männliche Kommissare von hübschen weiblichen Sidekicks begleitet werden. 

Giuliana ist die leitende Ermittlerin und Renzo der jüngere Detektiv; sie ist ein Jahrzehnt älter, und Renzo derjenige, der umwerfend gut aussieht. Beruflich ergänzen sie sich, es ist eine Komplizenschaft, die unweigerlich zu ständigen, nie aufgelösten sexuellen Spannungen führt.  

«Ich wollte mit Tropen von Männlichkeit und Weiblichkeit spielen», erklärt sie. «Die beiden sollten kulturell unterschiedlich sein, mit einem grossen Altersunterschied und einer ausgeprägten sexuellen Anziehungskraft. 

Also, so dachte ich, lasse ich einen jüngeren Mann sich in eine ältere Frau verlieben, weil ich eine ältere Frau bin. Ich fand das einfach lustig. Natürlich ist das nichts Neues, die Leute machen das jetzt häufiger im wirklichen Leben, aber diese Art von Konstellation war wahrscheinlich schon früh in meinem Kopf.» 

Donatelli hat, wie sein Name bereits impliziert, italienische Wurzeln – er ist der Sohn von Einwanderern, ein Secondo, wie Schweizer die Nachkommen der zweiten Generation nennen. 

Die Wahl war nicht zufällig, sagt Hays, denn sie brauchte eine Figur aus einer anderen Kultur, die ihre eigenen Eindrücke von der Schweiz als Ausländerin, als Amerikanerin, die in Puerto Rico aufgewachsen ist, widerspiegeln würde. 

«Ich wollte, dass Renzo mit den Augen rollen kann, wenn die Deutschschweizer etwas sehr Deutschschweizerisches tun. Etwas, das ein Italiener seltsam finden würde, zum Beispiel wenn zwei Brüder sich die Hand geben, anstatt sich zu umarmen», sagt sie. 

Autorin Kim Hays in Bern
«Nach 37 Jahren ist die Schweiz für mich nicht mehr exotisch. Es ist ein Ort, an dem es Krawalle, Diebe, Drogen und all diese Dinge gibt, wie in anderen Ländern auch, aber auf eine spezielle Schweizer Art und Weise, und diese Unterschiede wollte ich vermitteln.» zVg

Ein Auge für Ermittlungsprozesse

Hays hat viel Lob für ihre Schilderungen von Ermittlungen der Berner Polizei erhalten. Sie sagt, sie habe sich gründlich eingearbeitet, unterstützt von einem pensionierten Ermittler und ehemaligen Staatsanwalt, der zufällig ihr Nachbar ist. 

Der Autorin ist es gelungen, Schweizer Eigenheiten in die Merkmale des Krimi-Genres zu integrieren – auch über das Privatleben ihrer Figuren, in dem sich familiäre Abläufe in einer eher homogenen Gesellschaft widerspiegeln.

Fast alle ihre Polizist:innen, Verdächtigen und Mörder stammen aus der Mittelschicht. Nachvollziehbare Ehekonflikte entstehen durch die schwierige Balance bei der Aufteilung von Familien- und Haushaltspflichten. 

Was die «Polizei Bern»-Reihe aber wirklich auszeichnet, ist die Art und Weise, wie Hays ihre Handlungen mit dunklen Kapiteln der Schweizer Geschichte verbindet, die noch heute nachwirken.

Der erste Roman Pesticide dreht sich um Betrügereien auf Bauernhöfen, die als biologisch zertifiziert sind – die Schweiz ist, wie Österreich und Deutschland, sehr stolz auf ihre hohen Standards in der biologischen Landwirtschaft. 

Sons and Brothers, der zweite Teil der Serie, taucht tief in den so Skandal um die Verdingkinder ein – eine jahrzehntelang institutionalisierte offizielle Politik, bei der Waisen oder Kinder aus vermeintlich «gescheiterten» oder «schändlichen» Haushalten (d. h. alleinerziehende Mütter, Prostituierte oder einfach nur sehr arme Menschen) vom Staat zwangsverpflichtet und als billige Arbeitskräfte auf Bauernhöfe geschickt wurden.

Dort mussten sie nicht selten unter sklavenähnlichen Bedingungen leben. Diese Praxis wurde erst in den 1970er-Jahren abgeschafft. 

Der dritte Roman, A Fondness for Truth, spielt in einer düsteren Gegenwart: Das Mordopfer ist eine lesbische Sozialarbeiterin, die mit einer Schweizerin tamilischer Herkunft der zweiten Generation verheiratet ist.

Es kommen vor: Homophobie, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und ein starres Kastensystem, das im Widerspruch zu westlichen liberalen Werten steht. 

Hays umschifft diese Themen und achtet darauf, sich nicht sich auf Kontroversen einzulassen. Sie nutzt sie eher als Hintergrund, um Geschichte und Handlung voranzutreiben, ohne tiefere Diskussionen zu wagen. Dies geschehe mit Absicht, betont sie.

Denn ihr Hauptziel sei, die Leser:innen zu unterhalten und ihnen Einblicke in Schweizer Eigenheiten, Kuriositäten und historische Perspektiven zu geben. 

Szene aus einem Film mit Wachtmeister Studer
Kim Hays ist nicht die einzige Einwanderin, die in der Schweiz spielende Polizeiromane schreibt. Einer ihrer populärsten Vorgänger war der Österreicher Friedrich Glauser mit seinen Wachtmeister-Studer-Romanen, von denen viele für das Fernsehen und den Film adaptiert wurden, wie «Krock und Co» (1976) mit dem Schweizer Schauspieler Hans Heinz Moser (links) als Studer. Keystone / Photopress-Archiv

Leichen im Keller 

Erstaunlicherweise vermeidet es Hays, sich mit den offensichtlichsten Leichen im Schweizer Keller zu beschäftigen. So hat sie sich zum Beispiel nicht mit NS-Raubkunst oder Gold in Schweizer Banktresoren befasst. 

«Ich habe versucht zu vermeiden, Banken an den Pranger zu stellen, weil das etwas ist, worüber immer geschrieben wird», sagt sie. «Ich will das Bankwesen nicht schönreden, aber es wurde zu einem Stereotyp für schlechte Praktiken, wie Geld vor den Steuerbehörden zu verstecken oder sich in den Dienst korrupter Diktatoren zu stellen. 

Ich schreibe über Verbrechen auf menschlicher Ebene, also schaue ich mir die üblichen Dinge an, die Menschen derart in Rage bringen, dass sie ein Verbrechen begehen, wie Geld, sexuelle Eifersucht oder Rache.» 

Linders und Donatellis Ermittlungen decken daher nur selten umfassende politische oder finanzielle Verschwörungen auf. Hays› Ermittlerduo folgt eher Indizienzusammenhängen und stellt Verbindungen her, die auf materiellen Beweisen und viel psychologischem Profiling basieren.  

Auch Serienmörder spielen keine Rolle. «Ehrlich gesagt finde ich die sehr langweilig», sagt sie. «Wenn man seine Geschichte um eine seltsam verrückte Person herum aufbaut, dann gibt es nicht viel zu recherchieren, man kann keinen breiteren Kontext – sozial, psychologisch – entwickeln, weil man es nur mit der spezifischen Pathologie dieser einer Person zu tun hat, die keine Motive im gleichen Sinne besitzt wie jede andere. 

Hays weist darauf hin, dass man in der grossen Bandbreite psychischer Zustände für alles eine Erklärung finden kann. Das Gleiche gelte für das organisierte Verbrechen, ein weiteres Lieblingsthema auf dem Krimi-Markt. 

«Das organisierte Verbrechen funktioniert auf einer komplexen Ebene, fast wie Banken, die organisiert und oft kriminell sind. Aber ich würde sie nicht organisiertes Verbrechen nennen.» Sie lacht.

«Für mich ist es weit interessanter, echte Menschen zu betrachten und zu sehen, warum sie ein Verbrechen begehen.» Am Ende ist niemand normal, wenn man die Person aus der Nähe betrachtet. 

Kim Hays in Berns Altstadt
«In meinem neuen Buch beschäftige ich mich mit dem Thema Demenz und der Schweizer Sterbehilfe-Organisation Exit. Die Tatsache, dass es in der Schweiz seit 1940 Sterbehilfe gibt, ist einfach unglaublich. Auch ich bin nach dem Tod meiner Mutter, die viele Jahre an Demenz litt, Mitglied bei Exit geworden.» zVg

Editiert von Catherine Hickley/gw; Übertragung aus dem Englischen mit der Hilfe von Deepl: Petra Krimphove

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