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US-Preis für Schweizer Karikaturisten Chappatte

Patrick Chappatte in New York. swissinfo.ch

Grosse Ehre: Patrick Chappatte hat für seine Cartoons in der International Herald Tribune den Thomas-Nast-Preis erhalten. Der seit 1968 verliehene Preis ging erstmals nicht an einen Amerikaner. swissinfo.ch hat Chappatte in New York getroffen.

Verliehen wurde der Preis vom Overseas Press Club of America (OPC). Die 1939 gegründete Journalisten-Vereinigung vergibt jedes Jahr 27 Preise in verschiedenen Kategorien. Sie erstrecken sich von Reportagen, über politische Cartoons bis zu Kommentaren. Die Preise gelten als die prestigeträchtigste Auszeichnung im US-Journalismus nach dem Pulitzer-Preis.

Die politischen Karikaturen des 1967 geborenen Chappatte erscheinen seit 2001 in der International Herald Tribune. Daneben zeichnet er für die Schweizer Zeitungen Le Temps und NZZ am Sonntag.

swissinfo.ch: Waren Sie überrascht, als Sie von der Auszeichnung hörten?

 

Patrick Chappatte: Es war eine Überraschung, vor allem aber eine Ehre. Auch die International Herald Tribune (IHT) war sehr erfreut. Sie hatten meine Arbeiten schon mehrmals erfolglos eingereicht. Dieses Mal hätten wir fast auf eine Eingabe verzichtet.

Praktisch in letzter Minute hatte ich mein Dossier dann doch noch eingereicht. Nun war die Überraschung umso grösser – ich erhielt den Preis mit der Eingabe, die ich fast verpasst hätte!

swissinfo.ch: Welche Bedeutung hat es für Sie, für eine Zeitung wie die Tribune mit ihrem globalen Publikum zu arbeiten?

 

P. C.: Ich erachte es als Privileg, dass ich bereits seit elf Jahren für die Herald Tribune arbeiten kann. Dass ich diese Chance habe, die Welt zu beobachten, zu kommentieren, grosse und kleine Ereignisse in Karikaturen umzusetzen, meine Sicht der Welt in einem globalen und gleichzeitig amerikanischen Medienprodukt darlegen zu können.

Es ist ein Privileg, auch die amerikanische Politik kommentieren zu dürfen. Dafür muss ich sehr gut informiert sein. Das mache ich vor allem, indem ich Radio höre, National Public Radio (NPR), jeden Tag ein paar Stunden.

swissinfo.ch: Wie kam es, dass Sie als Französisch sprechender Schweizer für englischsprachige Publikationen arbeiten?

 

P. C.: Ich habe schon immer politische Karikaturen gezeichnet, angefangen mit 20 Jahren bei der La Suisse. Da die Schweiz sehr klein ist, stösst man bald einmal an die Grenze.

Ich war etwa 25 und konnte ich mir nicht vorstellen, für den Rest des Lebens dasselbe zu tun. Was nun? Meine heutige Frau Anne-Frédérique Widmann und ich beschlossen, eine Auszeit zu nehmen, durch Lateinamerika zu reisen und dann nach New York  zu gehen.

Ich habe die angelsächsischen Medien, die eine Referenz für Qualitätsjournalismus sind, immer geschätzt. Ich hatte diesen amerikanischen Traum, Karikaturist für die New York Times zu werden.

swissinfo.ch: Was geschah dann?

 

P. C.: 1995 kamen wir nach New York. Und ich fand eine Stelle bei der New York Times, allerdings als Illustrator, nicht als politischer Karikaturist. Daneben arbeitete ich ein paar Monate für Newsweek International. Und ab 1997 für die Weltwoche.

1998 kehrten wir, unterdessen mit einem Kind, nach Genf zurück, wo ich zuerst für L’Hebdo arbeitete, dann für Le Temps.

swissinfo.ch: Und wie stiessen Sie zur International Herald Tribune?

 

P. C.: Ohne die Erfahrung bei der New York Times hätte ich das kaum geschafft. Die Tribune druckte bereits Karikaturen von mir, die sie über eine Agentur bezog. Ich wollte die Tribune überzeugen, direkt mit mir zu arbeiten, statt die Cartoons billig über die Agentur zu beziehen.

Aufgrund meiner amerikanischen Erfahrung hatte ich den Nerv und drängte den Redaktor der Meinungsseite dazu, sich mit mir zu treffen. Er erklärte mir nochmals, wieso er mich nicht anstellen würde. Und ich legte ihm meine Argumente erneut dar, worauf er schliesslich erklärte: “Lass es uns versuchen.” Das liebe ich an Amerika, diese pragmatische Geisteshaltung.

swissinfo.ch: Gibt es unterschiedliche Sensibilitäten, die Sie beachten müssen, je nachdem, ob eine Karikatur für die Herald Tribune, Le Temps oder NZZ am Sonntag ist?

 

P. C.: Je nach Art des Medienprodukts gibt es Unterschiede. Was diese drei Zeitungen angeht, sind die Unterschiede jedoch gering. Der grösste ist, dass die Tribune ein globales Publikum hat.

Es sind drei Qualitätszeitungen mit einer ähnlichen, eher gebildeten Leserschaft. Der Unterschied zwischen dem Blick und der NZZ ist grösser, als jener zwischen NZZ und Herald Tribune. Deshalb, denke ich, kann ich für drei Medien in verschiedenen Sprachen arbeiten.

swissinfo.ch: Was ist die grösste Herausforderung, Cartoons zu schaffen, die auch Text nutzen – in verschiedenen Sprachen?

 

P. C.: Ich muss in erster Linie eine bildliche Sprache finden mit Referenzpunkten, die das jeweilige Publikum ansprechen. Das bedeutet bei der Herald Tribune vielleicht manchmal etwas mehr Aufwand, weil ich Bilder finden muss, die global nachvollziehbar sind. Ich kann nicht auf lokale Referenzen zurückgreifen und weniger auf Wortspiele, die zum Beispiel in Französisch sehr beliebt sind.

Es wäre vielleicht einfacher, für das globale Publikum nur Bilder zu nutzen. Aber für meine Art Humor, für meine Kommentare brauche ich den Text. Ich nutze das Mittel der Situationskomik, um meine Gedanken weiterzugeben, und dazu braucht es den Text.

Die Herausforderung ist es, die Zeichnung so auf den Punkt zu bringen, dass sie möglichst global verständlich ist – unabhängig von einem bestimmten Kulturkreis und auch wenn mein Humor natürlich europäisch und amerikanisch geprägt ist. Und natürlich man weiss nie ganz genau, wie die Leute weltweit auf einen jeweiligen Cartoon reagieren werden.

swissinfo.ch: Gibt es aufgrund religiöser oder moralischer Aspekte Dinge, auf die Sie in Karikaturen für die Herald Tribune verzichten müssen?

 

P. C.: Ich kann zum Beispiel keine nackte oder teilweise nackte Frau zeichnen. Das ist aber keine grosse Sache. Es kann sein, dass mal eine Brust zu sehen ist, auch in einer neo-klassischen Art und Weise. Dann heisst es, decke das ab.

swissinfo.ch: Ihre Arbeit für die Tribune unterscheidet sich also wenig von der für Le Temps und NZZ am Sonntag. Wie sieht es denn zwischen Genf und Zürich aus?

 

P. C.: Es gibt natürlich auch hier kulturelle Unterschiede. Wenn ich bei einem Cartoon zu den Wahlen in Frankreich mit Marianne, dem Symbol für Frankreich, und Marine Le Pen spiele, dürfte das in Zürich nicht so gut verstanden werden.

Und manchmal geht etwas schief. Ich hatte für Zürich eine Zeichnung mit einer Wahlkabine gemacht. Und dann hiess es: “Das haben wir hier nicht.” Für mich war das ein kleiner Kulturschock. Das Lustige war, dass die Wahlkabine ja eine Referenz ist, die praktisch auf der ganzen Welt verstanden wird.

Und eine Karikatur zur Alpen-Initiative, welche die Alpen als Frau mit einem Keuschheitsgürtel darstellte, zog böse Briefe von Zürcher Feministinnen nach sich. Ich glaube, in der Romandie hätte dies kaum Wellen geschlagen.

swissinfo.ch: Was spornt Sie zu Ihrer Arbeit an?

P. C.: In erster Linie tue ich es für mich selber. Es ist eine unglaubliche Chance, Schrecken und Abscheulichkeiten, Horror und Idiotien dieser Welt so etwas zu verdauen. Und es ist zudem ein gutes Gefühl, wenn man in den Leuten ein Lächeln oder sogar mal ein Lachen hervorrufen kann.

Patrick Chappatte wird 1967 in Pakistan geboren, seine Mutter ist Libanesin, sein Vater Schweizer.

Die ersten Lebensjahre verbringt er in Singapur. Als er 5 Jahre alt ist, zieht die Familie nach Genf, wo er die Schule besucht.

Erste Stelle als Karikaturist bei der damaligen La Suisse im Alter von 20 Jahren. Später folgen L’Hebdo und die Tribune de Genève.

In den 1990-er Jahren: Auszeit, Reisen mit seiner späteren Frau durch Südamerika.

Ab 1995 arbeitet er als Illustrator für die New York Times, daneben ein paar Monate auch für Newsweek International. Ab 1997 zeichnet er auch für die Weltwoche.

1998 Rückkehr nach Genf. Dort arbeitet Chappatte  zuerst wieder für L’Hebdo, dann für Le Temps.

Seit August 2001 erscheinen seine Cartoons zweimal pro Woche in der International Herald Tribune, seit Anfang 2002 arbeitet er auch für die NZZ am Sonntag.

Chappate lebt mit seiner Frau und drei Kindern im Alter von 6, 12 und 14 Jahren in Genf.

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