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Selbsthilfe – Schlüsselbegriff der Filmproduktion in der Schweiz

Luc Peter
Luc Peter, Regisseur und Gründer der Westschweizer Produktionsfirma Intermezzo Films. swissinfo.ch

Schweizer Filme sind heute in der Regel internationale Ko-Produktionen. Gespräch mit Luc Peter, Regisseur und Gründer von Intermezzo Films, einer Produktionsgesellschaft, die jüngst mit zwei in den USA gedrehten Filmen auf sich aufmerksam machte.

Filmproduktion in der Schweiz

Dieser Artikel ist Teil einer Porträtserie über Schweizer Filmproduzenten und Filmproduzentinnen – manche von ihnen sind auch als Regisseure und Regisseurinnen tätig. Die Gespräche drehen sich um Herausforderungen der heimischen Filmindustrie. Aber auch um um die Leidenschaften. welche diese Branche am Leben erhalten.

Wenn vom Schweizer Film die Rede ist, so sind damit nicht automatisch Schweizer Geschichten und Figuren gemeint. Denn in den vier Sprachregionen des Landes werden nicht nur häufig internationale Ko-Produktionen realisiert, Schweizer Cineasten und Produzenten erforschen auch gern Realitäten, die weitab von den unseren liegen.

Diese Behauptung wurde durch das Programm der 54. Ausgabe der Solothurner Filmtage bestätigt, die Ende Januar über die Bühne gingen. An der traditionellen Werkschau des Schweizer Films haben wir Luc PeterExterner Link, Regisseur und Gründer der Westschweizer Produktionsfirma Intermezzo FilmsExterner Link getroffen, die hierzulande zu den wichtigsten zählt und am Festival mit zwei in den USA spielenden Filmen vertreten war. 

A Bright light – Karen and the ProcessExterner Link, in der Regie von Emmanuelle Antille, ist ein poetischer und visionärer Film über die Kultsängerin Karen Dalton. My little oneExterner Link, in der Regie von Frédéric Choffat und Julie Gilbert, ein ambitiöser Spielfilm, der in einem Reservat der Navajo-Indianer in der Wüste von Arizona spielt.


swissinfo.ch: Sprechen wir zunächst über Intermezzo Films.

Luc Peter: Intermezzo Films wurde 1993 von Vincent Pluss und mir gegründet. Als Regisseure hatten wir beide grosse Schwierigkeiten, Produzenten zu finden, die bereit waren, sich die nötige Zeit zu nehmen, um etwas andere, innovative Projekte zu entwickeln. Also haben wir angefangen, unsere Filme selbst zu produzieren. 

Nach einigen Jahren ist die Zusammenarbeit mit anderen Regisseuren hinzugekommen, die uns interessante Projekte vorlegten. Heute wird das Kollektiv von fünf Regisseuren geleitet, deren zwei – Anne Deluz und ich – sich um die Produktion kümmern.

swissinfo.ch: Welche Art von cineastischen Werken produziert Intermezzo Films?

L.P.: Wir nehmen Projekte, die uns am Herzen liegen, denn so ein Filmprojekt kann sich auch über fünf oder sechs Jahre hinziehen. Ferner spielt die Wertschätzung gegenüber dem Regisseur oder der Regisseurin eine wichtige Rolle. Mich persönlich interessieren Dokumentarfilme: Die Begegnung mit Menschen, bestimmten Realitäten, die Möglichkeit, politische oder soziale Themen zu behandeln. Als Produktionsfirma befassen wir uns aber auch mit Fiktion.

swissinfo.ch: Welche Finanzierungsquellen nutzen Sie für Ihre Filme?

L.P.: In der Schweiz gibt es, was die Romandie betrifft, drei grosse Geldgeber: das Bundesamt für Kultur, den regionalen Kulturfonds Cinéforom und das öffentlich-rechtliche Fernsehen RTS. Diese übernehmen mehr oder weniger drei Viertel der Finanzierung, dann gibt es noch mehrere Stiftungen und die Koproduktionen.

swissinfo.ch: Wie hoch sind die Beiträge, die man für eine Produktion bekommt?

L.P.: Es ist schwierig, Geld von allen drei grossen Geldgebern zu bekommen, so dass zahlreiche Projekte unterfinanziert sind. Ein Spielfilm wird in der Regel, aber eben nicht immer, mit ein bis zwei Millionen Franken finanziert. Das ist nicht viel, wenn man bedenkt, dass beispielsweise im benachbarten Frankreich auch mal zehn Millionen bereitgestellt werden. 

Mehr Geld erhalten, gemessen am Produktionsaufwand, die Dokumentarfilme: zwischen 250’000 und 500’000 Franken. Und doch bleibt nach Abzug aller Kosten für den Regisseur und den Produzenten am Ende kaum etwas übrig.

swissinfo.ch: Gleichzeitig Produzent und Regisseur zu sein, ist aber doch ein ökonomischer Vorteil.

L.P.: Ja, natürlich. Als Produzent hat man aber die Tendenz, viel in das Projekt zu investieren und den finanziellen Aspekt hintanzustellen. So wendet man vielleicht lieber zwei zusätzliche Wochen für die Montage auf, als einen anständigen Lohn nach Hause zu tragen. Der künstlerische Vorteil: Als Produzent ist man sich der Umsetzungsschwierigkeiten, die bei einem Projekt auftreten könnten, viel stärker bewusst.

swissinfo.ch: Weshalb haben Sie sich als Produktionsfirma für diese beiden Projekte entschieden?

L.P.: My little One war Anne Deluz ein grosses Anliegen. Sie kannte die Regisseure bereits und mochte die Ausgangsidee von Anfang an. Als Produzentin war es spannend für sie, ausgehend von einem guten Stoff, durch die Auswahl herausragender Schauspieler und das Eingreifen beim Drehbuchschreiben einen Beitrag zur Entstehung des Films leisten zu können.

Bright Lights wiederum ist ein für mich als Produzenten atypisches Projekt: Regisseurin Emmanuelle Antille ist erst nach Abschluss der Dreharbeiten zu mir gekommen, weil sie in der ersten Phase möglichst autonom sein wollte. Für die Montage und die Suche nach Finanzierungsmöglichkeiten hat sie mich dann aber um Rat gebeten.

swissinfo.ch: Sie greifen also normalerweise als Produzent in den kreativen Prozess ein?

L.P.: Ja, ich kümmere mich schon bei der Stoffentwicklung, einem unglaublich wichtigen und höchst kreativer Moment, um den Film. Während der Dreharbeiten mische ich mich hingegen nicht ein, ich will nicht in einen Prozess eingreifen, der bisweilen auch intim und fragil sein kann. In der Phase der Montage kümmere ich mich dann wieder um das Projekt. Vor der Endfassung bekomme ich auch mal fünf bis zehn Versionen des Films zu sehen und gehe auf jede einzelne ausführlich ein.

swissinfo.ch: Diese beiden Filme handeln wie schon frühere von Ihnen produzierte Werke von peripheren Realitäten, schon beinahe Grenzrealitäten, der Vereinigten Staaten. Ein Zufall?

L.P.: Die Vereinigten Staaten faszinieren uns sehr. Das Land ist reich und voller Widersprüche. Die Menschen sind sehr offen und haben keine Angst, ihren Träumen zu folgen. Das ist bei einem Dokumentarfilm interessant und unglaublich inspirierend, da es wenig Selbstzensur gibt und die Leute keine Berührungsängste mit der Kamera haben. Auch die Weite der Landschaften ist grossartig, ausgesprochen filmreif.

swissinfo.ch: Noch ein Wort zum Vertrieb und Verleih der beiden Filme.

L.P.: Wir setzen uns immer das Ziel, ins Kino zu kommen. Als nächstes suchen wir die Zusammenarbeit mit dem Fernsehen, um den Film einem möglichst breiten Publikum bekannt zu machen. Unsere Werke haben einen stark künstlerischen Anspruch, weshalb die Teilnahme an Festivals für uns unbestreitbar von fundamentaler Bedeutung ist. 

Im ersten Jahr bemühen wir uns sehr, dafür zu sorgen, dass der Film an den wichtigsten internationalen Festivals vertreten ist. Die Festivals haben neben ihrer künstlerischen Funktion auch eine ökonomische und es kommt nicht selten vor, dass man auf einer solchen Veranstaltung Abnehmer findet.


(Übertragung aus dem Italienischen: Cornelia Schlegel)

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