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Basler Museum spricht mit seinen Besuchern

Was verbindet dieses Element mit den Erfahrungen der Besuchenden? mkb.ch

"Sind Sie zum ersten Mal in diesem Museum?" Wenn Sie das ein elegant bekleideter junger Mann oder eine junge Frau bei Ihrem Besuch im Museum der Kulturen in Basel fragt, ist das nicht Anmache, sondern eine Einladung, über Kultur nachzudenken.

Zwölf junge Leute, hauptsächlich Ethnologie- und Kulturwissenschafts-Studierende der Universität Basel, wurden jüngst zu “Kulturmediatoren” ausgebildet.

Die Idee dahinter: Die Studenten sollen die Museumsbesucher ansprechen, nicht um ihnen Informationen zu vermitteln, sondern um mit ihnen einen Dialog aufzunehmen, der so weit vertieft werden kann, wie sich das die Gesprächspartner wünschen.

Es ist ein innovatives Konzept. In der Broschüre des Basler Museums heisst es dazu: “Der Akzent liegt nicht auf dem Transfer von Wissen, sondern auf dem Austausch von Wissen. Die Besucher verlassen das Museum und haben Neues gelernt über die Kulturen anderer Völker und über ihre eigene.”

Mediator Stephan Simonett, der Kulturwissenschaft und europäische Ethnologie studiert, sagt gegenüber swissinfo.ch, obwohl er einige technische Fragen beantworten könne, sei dies nicht der Grund dafür, dass er hier im Museum sei. “Unsere Aufgabe ist es, grundlegende kulturelle Fragen zu diskutieren, und nicht als Ersatz für Museumsführungen zu arbeiten.”

Es gehe darum, die Besucher zu ermutigen, über das nachzudenken, was sie im Museum sähen, erklärt der Student. “Die Leute fangen an, sich selbst Fragen zu stellen, und Ideen entwickeln sich weiter durch Gespräche.”

Simonetts Kollegin Livia Wermuth hatte eine Begegnung mit einer Museumsbesucherin, die ein Objekt begutachtete, von dem Experten zugeben, dass man wenig darüber weiss. “Die Frau sagte, sie habe ein paar eigene Ideen zum Objekt. Sie machte Vergleiche mit dem, was sie über die Schweiz und andere Länder wusste.”

Dan Wiener ist jener Kommunikationsexperte, der die Mediatoren ausbildete. Sachbezogene Informationen über die Objekte sind immer vorhanden. Für Wiener besteht die Gefahr in einem ethnographischen Museum jedoch darin, dass die Besucher die Exponate als exotische Objekte sehen, geschaffen von exotischen Personen, und diese von einem “aufgeklärten” europäischen Standpunkt aus betrachten.

“Wenn man nicht mit einer kolonialistischen Mentalität ins Museum kommt, sondern eher offen gegenüber der Welt ist, wird man seinen Besuch immer als kulturelle Begegnung empfinden. Man kann über die Dinge nachdenken, die man selber tut, und dabei ein besser verstehen lernen, warum andere Leute das tun, was sie tun”, so Wiener.

Inspirierende Perspektiven

Die Objekte im Museum werden nicht mehr in Schaukästen ausgestellt, die eine spezifische Kultur darbieten. Heute wird eher eine kleine Auswahl präsentiert, auf verschiedene Arten kombiniert in zeitlich beschränkten Ausstellungen, die auf einen besonderen ethnologischen Aspekt fokussiert sind.

“So sind die Objekte nicht mehr länger nur eine Illustration des Zusammenhangs der Kultur, aus der sie stammen, sie werden jetzt zugänglicher für uns, hier und jetzt”, sagt Museumsdirektorin Anna Schmid gegenüber swissinfo.ch.

Das neue Konzept zeigt sich sehr klar in der Ausstellung “EigenSinn – Inspirierende Aspekte der Ethnologie”. Es geht um die “Grundlagen, auf denen eine Gesellschaft funktioniert”, mit vier Aspekten, die als “Vermittlung, Wissen, Leistung und Raum” definiert werden.

Es sind relativ wenige Objekte ausgestellt, welche die Besucher ermutigen sollen, darüber nachzudenken, wie und warum Menschen ihr Leben so gestalten, wie sie es innerhalb gesellschaftlicher Zwänge tun.

Unter den ausgewählten Exponaten befinden sich auch solche aus der Schweiz: Zum Beispiel, in der Abteilung “Wissen”, die verzahnten Kerbhölzer, die traditionell im Kanton Wallis verwendet wurden zur Festlegung der Wasseransprüche der dort lebenden Leute.

Daneben sind “Khipu”, verknotete Schnüre zu sehen, wie sie von den Indios in Peru als Schrift zur Erfassung von historischen Ereignissen verwendet wurden, dann auch ein Totempfahl aus Kanada, in den Informationen über eine Familie eingeritzt sind, sowie eine Urahnen-Schnitzerei aus Neuguinea, die mithilft, die kollektive Erinnerung zu erhalten.

Auf zu neuen Ufern

Kommunikationsexperte Wiener betont, dass es keine “richtigen” und “falschen” Antworten gebe. Wenn man versuche, sich selbst in eine besondere Situation zu stellen, sei das einfach eine andere Art der Einsicht, die tiefer greife als eine wissenschaftliche Einsicht für ein Objekt. “Das ist eine extra Dimension, die ich wunderbar finde.”

Oft reagieren die Besucher von Kunstmuseen sehr persönlich auf die Bilder und diskutieren ihre Reaktionen später mit ihren Freunden. Es ist aber – bisher – nicht so naheliegend, dies in einem ethnologischen Museum zu tun.

Deshalb bricht das Museum der Kulturen Basel mit den jungen Mediatoren nun zu neuen Ufern auf. Diese haben bereits entdeckt, dass allein der Anfang eines Gesprächs mit einem Besucher weitere Besucher dazu animieren kann, unter sich eine Diskussion über die Exponate zu beginnen.

Ob aber dieselbe Methode in anderen Museumstypen erfolgreich sein würde, kann Museumsdirektorin Schmid nicht sagen. “Es ist die Sache der anderen Museen, darüber nachzudenken, wie unsere Methode angewendet werden könnte”, sagt sie gegenüber swissinfo.ch.

Schmid sieht in der Methode eine Möglichkeit für das Museum der Kulturen, sein ganzes Potenzial auszunutzen. Das bedeutet weg von der Idee, dass das Museum lediglich voll von “exotischen” Exponaten ist, die nichts mit uns zu tun haben.

Das Modell hat erst begonnen, und es wird sorgfältig überwacht. “Die Leute lieben es, Ideen austauschen zu können, und es entwickeln sich oft recht tiefgreifende Gespräche. Da sind wir schon halb am Ziel.”

“Ein Gespräch ist nie bereits dann vorbei, wenn es aufhört. Man denkt weiter darüber nach”, sagt Schmid. “Für uns ist die andauernde Auswirkung von Bedeutung. Wir werden sie zwar unglücklicherweise nie messen können, aber wir wissen, dass die Auswirkung da ist.”

Feedback

Die Mediatoren erstatten Bericht über ihre Begegnungen mit Besuchern, damit das Basler Museum der Kulturen feststellen kann, was die Leute wollen und brauchen. So kann das Museum sein Angebot anpassen.

“Im Gespräch mit den Leuten wollen wir auch wissen, mit welchen Erwartungen sie in unser Museum kommen. Es geht allein darum festzustellen, was die heutige Aufgabe eines ethnologischen Museums sein sollte. Wir sind nicht hier, um exotische Objekte auszustellen.” Diese Zeiten sind für Schmid vorbei.

“Was finden die Leute interessant, oder aufregend, oder bewegend? Das wollen wir wissen. Und das ist etwas, was uns eine Umfrage nicht sagen kann.”

Das Museum der Kulturen Basel wurde 1849 eröffnet. Die Sammlung wurde durch private Sammler und museumseigene Expeditionsreisen stetig erweitert. Es fanden auch wertvolle Altamerika-Bestände Platz. Damit besass Basel eine der ersten öffentlich zugänglichen völkerkundlichen Sammlungen Europas.

1917 wurde die völkerkundliche Sammlung zum selbständigen Museum erhoben. Bereits 1904 war die Gründung einer eigenen Abteilung für Volkskunde erfolgt.

Heute ist es eines der grössten ethnologischen Museen in Europa, mit einer Sammlung von über 300’000 Objekten. Es ist auch im Besitz von rund 50’000 historischen Fotos.

Mit den Jahren hat das Museum seinen Namen geändert. Seit 1966 heisst es Museum der Kulturen.

Das Museum wurde vor kurzem umfangreich renoviert, mit einem von den Basler Architekten Herzog & de Meuron komplett neu entworfenen Anbau. Nach zwei Jahren Bauzeit wurde dieser 2011 eröffnet.

Die Kulturmediatoren sind Teil des “Kulturdialog/Dialog Kultur”-Projektes des Museums der Kulturen Basel. Sie beantworten nicht nur Fragen der Museumsbesucher, sondern stellen ihnen auch solche. Damit sollen die Besucher in eine tiefgründige Kulturdiskussion einbezogen werden.

Das Museum hofft, mit diesem Kulturdialog eine neues, junges Publikum zu gewinnen.

Das Projekt wird von der Stiftung Mercator Schweiz mit 220’000 Franken unterstützt, Nach eigenen Worten gilt das Engagement der Stiftung “einer lernbereiten und weltoffenen Gesellschaft, die verantwortungsvoll mit der Umwelt umgeht”.

In der Anfangsphase des Projektes sind die Mediatoren jeden Donnerstagnachmittag und jeden Samstag und Sonntag im Museum präsent. Später sollen sie während der ganzen Öffnungszeit des Museum aktiv sein.

(Übertragung aus dem Englischen: Jean-Michel Berthoud)

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