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Sehnsucht nach der Sicherheit der Schweiz

In Kalifornien gut etabliert, doch die Sehnsucht bleibt: Auslandschweizerin Marjorie Panzer. swissinfo.ch

"Kann ich mich in der Schweiz wieder integrieren?" "Reicht mein Geld?" Und: "Wo erhalte ich alle Informationen, die ich für eine Rückkehr brauche?" Diese Fragen stellt sich nicht nur Marjorie Panzer in Kalifornien, die sich mit einer Rückkehr in die Schweiz befasst. 

SWI swissinfo.ch hat sich in der Auslandschweizer-Community zum Thema “Zurück in die Schweiz” umgehört und festgestellt, dass sich viele unter ihnen überlegen, ihre Zelte im Ausland wieder abzubrechen. “Stärker als je zuvor hat mir der Ausbruch von Covid-19 vor Augen geführt, dass die Schweiz nicht immer nur 24 Stunden von mir entfernt ist”, schreibt etwa Brigit Heller aus Australien. Und Marjorie Panzer aus Kalifornien sagt: “Ich spiele ernsthaft mit dem Gedanken zurückzukommen. Jetzt noch viel mehr.”

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Das Geld hindert viele Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer aber daran, ihre Rückkehr in die Schweiz tatsächlich umzusetzen. Weil etwa das freiwillige Einzahlen der AHV mit einem ausländischen Lohn für viele nicht möglich ist, droht im Alter eine grosse Lücke. Ausserdem ist ihnen die Schweiz zu teuer geworden – ein Grund weshalb umgekehrt immer mehr Neurentner die Schweiz verlassen. Die Rückwanderungswilligen wollen indes nicht ein Fall fürs Sozialamt werden und verbleiben in ihrem Wohnland.

Sehnsucht nach Sicherheit

Für Brigit Heller und Marjorie Panzer ist die Corona-Pandemie nicht der Hauptgrund, dass sie genau jetzt eine Rückkehr in Betracht ziehen. Vielmehr plagt die beiden seit Jahren eine grosse Sehnsucht nach dem Leben, der Sicherheit und Familie in der Schweiz.

Die 61-jährige Marjorie Panzer ist schon seit bald 20 Jahren in Kalifornien zu Hause, genauer in Newport Beach. “Ein wunderbares Plätzli”, wie sie sagt. “Aber die Sehnsucht nach der Schweiz ist immer da.” Sie will zurück in die alte Heimat. Wie das geht, weiss die gelernte Kauffrau aus der Vergangenheit: Geboren in Chile, aufgewachsen in Zürich, ist sie Anfang 20 nach Kalifornien gereist. Mit 31 Jahren ist sie mit ihrem Schweizer Ehemann – sie hat ihn in den USA kennengelernt – zurück in die Schweiz geflogen. Hier wollten sie eine Familie gründen. Dies blieb ihnen jedoch verwehrt.

Nochmals alles aufbauen, wo es doch gut läuft?

Gemäss dem Eidgenössischen Amt für Auswärtige Angelegenheiten EDA erhalten die Schweizer Vertretungen im Ausland, die Helpline des EDA und das Amt für Arbeit und Wirtschaft in Basel immer mehr Gesuche von Auslandschweizern, die zurückkehren wollen.

Ende Mai waren dem EDA zehn Auslandschweizerinnen oder Auslandschweizer bekannt, die tatsächlich in die Schweiz zurückgekehrt sind.

Auch die Auslandschweizer-Organisation ASOExterner Link meldet, dass sie seit der Coronakrise vermehrt Anfragen zur Rückreise von Auslandschweizern erhalten. Dabei handle es sich öfters um Selbständigerwerbende, die wegen sozialen und finanziellen Schwierigkeiten in ihrem Gastland eine Rückreise in die Schweiz planten.

Elf Jahre später ging es wieder zurück in die USA. Panzer hielt zuvor in der Schweiz und danach in den USA Führungspositionen in der Luftfahrtlogistik inne. Ihr Ehemann war beruflich viel in Taiwan und Dubai unterwegs. Kalifornien schien für die beiden zentral. Die Ehe hat die häufige räumliche Trennung jedoch nicht überstanden.

Marjorie Panzer ist nach der Scheidung in den USA geblieben und hat sich als alternative TherapeutinExterner Link selbstständig gemacht. Die Praxis läuft gut und doch ist für sie jetzt der richtige Zeitpunkt, abzuklären, ob sie in der Schweiz nochmals ein Leben aufbauen kann. Ein schwieriges Unterfangen, wie sie erzählt. “Seit mehreren Jahren versuche ich herauszufinden, wie hoch meine allfällige Rente sein wird.” Eine Information, die sie braucht, um ihre Rückkehr planen zu können.

“Eine Rückkehr in meinem Alter ist beängstigend”, so Panzer. Finanziell sei es ihr nicht möglich gewesen, in den USA und gleichzeitig auch in der Schweiz in die Altersvorsorge einzubezahlen. Sie habe im jeweiligen Wohnland jedoch immer einbezahlt. Jetzt habe sie finanziell auch noch die Möglichkeit, etwas in ihre Vorsorge zu investieren. Die 61-Jährige hat ihr Haus verkauft. Marjorie Panzer hat geplant, im Oktober in die Schweiz zu fliegen, um an die für sie notwendigen Informationen zu kommen. Etwas, das wegen Corona ins Wasser fallen könnte.

Von Zukunftsängsten geplagt

An fehlenden Informationen liegt es nicht, dass Brigit Heller aus Australien zögert, zurück in die Schweiz zu reisen. Vor über 20 Jahren als Studentin in Down Under hängen geblieben, ist auch bei ihr die Sehnsucht nach der Familie, dem Lebensstil und der Kultur nie ganz verschwunden. “Bei jedem Schweiz-Besuch kommt sie stark zum Vorschein”, schreibt sie. Ihre Mutter werde 80 und ihr Sohn immer selbständiger. So seien in letzter Zeit immer mehr die Gedanken gekommen, wieder in die Schweiz zurückzukehren.

“Es sind Zukunftsängste, die mich plagen”: Auslandschweizerin Brigit Heller in ihrem Atelier in Australien. swissinfo.ch

Heller hat Zweifel, ob sie in der Schweiz finanziell überleben könnte. Die 55-Jährige ist Künstlerin. Ihre Karriere und Ausbildung beziehen sich auf Australien. “Habe ich nochmals die Kraft, mir einen Namen als Künstlerin in der Schweiz aufzubauen?”, fragt sie sich.

In Australien sei ihr Leben sehr gut, ihre Existenz jedoch überhaupt nicht abgesichert. Brigit Heller lebt vom Verkauf ihrer Kunstwerke und doziert seit über 10 Jahren an einer Universität. Das Einkommen sei jedoch klein und so sei es gekommen, dass sie vor vielen Jahren aufgehört habe, die AHV weiter einzubezahlen.

Auf dem roten Kontinent hat sie zwar ein Haus, das sie verkaufen könnte. Ob sie in der Schweiz wieder eine Bleibe finden würde, wo sie auch künstlerisch tätig sein kann, weiss sie nicht. “Es sind vor allem Zukunftsängste, die mich plagen”, schreibt sie. “Diese sind vor allem finanzieller Art und auch was meine Gesundheit und Produktivität angeht.” Australien habe kein schlechtes soziales Netz, unproduktive Mitglieder der Gesellschaft ohne finanzielles Polster würden jedoch ziemlich schlecht behandelt.

SWI-Gespräch: Zurück in die Schweiz?

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