Umfrage zeigt: Schweizer sind Social-Media-müde
Neuste Zahlen zeigen: Soziale Medien werden weniger genutzt. Ein Grund: Die Plattformen sind nicht mehr wirklich sozial.
Fast sieben Prozent der Schweizerinnen und Schweizer geben an, keine soziale Medien zu nutzen – also weder Instagram noch Whatsapp, Youtube, Facebook, usw. Das zeigt die neu veröffentlichte SRG-Umfrage «Wie geht’s Schweiz?». In der gleichen Umfrage hatten 2023 noch keine fünf Prozent angegeben, ganz auf solche Angebote zu verzichten.
Die SRG-Umfrage «Wie geht’s, Schweiz?» soll ein möglichst genaues Bild davon zeichnen, wie es der Schweiz im Jahr 2024 geht. Entstanden ist sie in Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut GFS Bern.
Die Umfrage besteht aus einem Katalog von knapp 300 Fragen, die jeweils von mehreren Tausend Leuten beantworten wurden – bei der Frage nach der Nutzungshäufigkeit der sozialen Medien waren es z.B. 12579 Befragte.
Auf der SRG-Debattenplattform «dialog» Externer Linkkann unter dem Titel «Soziale Medien – Fluch oder Segen?» weiter über die Rolle der sozialen Medien und die Ergebnisse der Studie diskutiert werden.
Für viele gehören die sozialen Medien zwar zum Alltag, doch ihr Gebrauch geht zurück: 2023 hatten noch 77 Prozent der Befragten erklärt, sie würden täglich solche Angebote nutzen. 2024 ist diese Zahl auf rund 70 Prozent gesunken.
Plattformen lösen Versprechen kaum mehr ein
Keine erdrutschartige Verschiebung zwar – der Schlussbericht zur Umfrage spricht von einer «marginal rückgängigen Nutzungshäufigkeit» –, aber doch ein Trend, der sich mit dem allgemeinen Unbehagen deckt, das sich seit einiger Zeit rund um die sozialen Medien breit macht.
Nicht nur in der Schweiz: Plattformen wie Facebook, Instagram oder X (vormals Twitter) kämpfen auf der ganzen Welt mit unzufriedenen Nutzerinnen und Nutzern. Ein Grund dafür: Viele Social-Media-Plattformen lösen das Versprechen, sozial zu sein, heute kaum mehr ein.
Zeigten uns Facebook und Co. zu Beginn tatsächlich noch, was unsere Freunde und Freundinnen dort veröffentlichten, bestimmen heute Algorithmen, was wir zu sehen bekommen. Und das sind oft Inhalte, die nichts mit unserem unmittelbaren sozialen Umfeld zu tun haben, von denen die Plattformen aber hoffen, dass sie uns lange vor dem Bildschirm halten – wo wir immer mehr Werbung sehen.
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«Compulsion Loops» sollen uns an den Bildschirm fesseln
Um uns möglichst lange engagiert zu halten und zur raschen Rückkehr zu bewegen, setzen die Plattformen dabei auf Mechanismen, die aus Games und Casinos bekannt sind: Kleine Belohnungen wie zum Beispiel ein Like werden vom Hirn mit einem Dopamin-Ausstoss belohnt und wecken den Wunsch nach noch mehr Belohnung. So entsteht eine Handlungsschlaufe – ein sogenannter «Compulsion Loop» – die sich nur schwer durchbrechen lässt.
Auf die Dauer kann so etwas ebenso ermüdend wie frustrierend wirken – was alle wissen, die schon einmal mit schmerzendem Daumen und schlechtem Gewissen feststellen mussten, dass sie die letzten zwei Stunden zwanghaft durch Instagram gescrollt haben.
In der SRG-Umfrage haben denn im Vergleich zum letzten Jahr auch mehr Leute angegeben, sie wären glücklicher, wenn sie weniger Zeit in den sozialen Medien verbringen würden (2024: 49 Prozent, 2023: 43 Prozent).
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Kritische Haltung, aber noch keine Regulierung
Doch nicht nur bezüglich des eigenen Befindens blicken die Schweizerinnen und Schweizer immer besorgter auf die sozialen Medien: Rund vier von fünf Befragten sind der Meinung, soziale Medien würden einseitig informieren und unsere Gesellschaft spalten – auch dieser Anteil lag im Jahr zuvor noch um einige Prozentpunkte tiefer.
Was die Regulierung der Plattformen angeht, ist die Schweizer Politik aber nicht besonders weit: Für Ende März hatte der Bundesrat eigentlich eine entsprechende Vernehmlassungsvorlage angekündigt. Sie soll sich, wo sinnvoll, am Digital Services Act (DSA) der EU orientieren, die Rechte der Nutzerinnen und Nutzer stärken und die Plattformen zu mehr Transparenz verpflichten. Weil sich aber sehr viele neue Rechtsfragen gestellt hätten, wird die Vorlage nun erst im Herbst erwartet.
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