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Leuenberger äussert sich in China moderat

Um den Drei-Schluchten-Staudamm fertig zu stellen, musste Tag und Nacht gearbeitet werden. Keystone

Umweltminister Leuenberger hat seinen ersten offiziellen China-Besuch abgeschlossen. Dabei hat er ein Abkommen zur Bekämpfung von Hochwassergefahren unterzeichnet und China aufgefordert, seine Treibhausgas-Emissionen zu vermindern.

“Es ist einfach, Menschenrechtsverletzungen, die Lage in Tibet oder den Bau des Drei-Schluchten-Staudamms anzuprangern. Aber auch in der Schweiz müssen wir Menschen zum Verlassen ihrer Heimat bewegen, wenn wir Dörfer in Stauseen versinken lassen. Mit dem Finger auf andere zeigen, ist uns zudem in letzter Zeit nicht sehr gut bekommen.”

Bei seinem Besuch des Drei-Schluchten-Staudamms war sich Moritz Leuenberger bewusst, dass er sich einigen kritischen Fragen stellen musste.

Aber der Umwelt- und Energieminister ist überzeugt, “dass man zusammenarbeiten muss und diskutieren, um von den gemeinsamen Interessen profitieren zu können. Das ist effizienter als ständig zu kritisieren. Auf diese Art kann man auch in einen konstruktiven Dialog im Bereich der Menschenrechte treten.”

Die tödlichen Launen des blauen Flusses

Bei seinem ersten offiziellen Besuch in China hat Moritz Leuenberger ein Memorandum of Understanding, ein Abkommen, unterzeichnet, das eine Zusammenarbeit der Schweiz und China in der Gewässerpolitik und bei der Naturgefahren-Vorbeugung vorsieht. Es wurde 2003 zur Vermeidung von Hochwasser beim Jangtse initiiert.

Den Launen des blauen Flusses fielen in den letzten 100 Jahren rund 500’000 Anwohner zum Opfer, andere Quellen sprechen von bis zu drei Millionen Toten. Die Befürworter der Talsperre, die seit diesem Jahr voll funktionsfähig sein soll, begründen das Riesenbauwerk in erster Linie mit der Verminderung der Hochwassergefahr.

“Vor dem Bau lebten 23 Millionen Menschen in ständiger Gefahr”, sagte Andreas Götz, Vizedirektor des Bundesamts für Umwelt und Jangtse-Kenner. “Alle diese Menschen sind heute geschützt. Die Bilanz ist also weitgehend positiv, trotz der Vertreibung von etwa einer Million Einwohnern.” Andere Quellen nennen weit höhere Zahlen.

Was für Vorteile ergeben sich aus einer Zusammenarbeit für die Schweiz? Moritz Leuenberger betont vor allem die gegenseitigen Interessen. “Die Schweiz hat eine langjährige Erfahrung mit der Bewirtschaftung von Gewässern. Diese muss sie mit China teilen.”

Andreas Götz macht überdies Ähnlichkeiten zwischen den Fliessgewässern der beiden Ländern aus. Vom gegenseitigen Wissensaustausch profitiere also auch die Schweiz. “Und, die Turbinen des Drei-Schluchten-Damms wurden von Schweizer Unternehmen geliefert”, sagt Moritz Leuenberger.

Schweizer Industrie am Ball

Andreas Götz unterstreicht, dass “wenn Schweizer Unternehmen in der Lage sind, Lösungen für eine moderne und nachhaltige Bewirtschaftung der Gewässer im Einzugsgebiet des Jangtse anzubieten, sie auch anderswo Chancen haben.”

“Aber”, betont Moritz Leuenberger, “der Klimawandel betrifft die ganze Welt”. Und der Drei-Schluchten-Staudamm trage zur Förderung erneuerbarer Energien bei. “Die erzeugte Elektrizität reicht aus, um 10% der chinesischen Bevölkerung mit Strom zu versorgen.” So könnten Kohlekraftwerke vom Netz genommen werden. “Wir sind sehr daran interessiert, dass China seine CO2-Produktion verringert”, sagte Leuenberger.

Dies geht auch seiner Rede hervor, die zur Eröffnung des 3. Jangtse-Forums hielt. Eine klare Botschaft vor der Klimakonferenz von Kopenhagen im Dezember dieses Jahres, die sich mit einem Nachfolgeregime für das 2012 auslaufende Kyoto-Protokoll auseinandersetzt.

Keine Zeit zum Zögern

“Die weltweiten Anstrengungen im Kampf gegen den Klimawandel brauchen die Unterstützung der grossen Staaten USA, Indien, Brasilien und China. Die ganze Welt hofft, dass China in Kopenhagen einen Beitrag zur Verringerung der Treibhausgase leisten wird”, sagte Moritz Leuenberger.

Will die Schweiz Druck auf China ausüben um das Land zu einer Änderung seiner Klimapolitik zu drängen und zur Einhaltung der Reduktionsziele?

“Druck ausüben wäre zu viel gesagt”, antwortete Moritz Leuenberger. “Aber wenn ich die Gelegenheit habe, vor einem Plenum wie hier in China zu sprechen und vor meinem Amtskollegen, hilft das sicher.”

Aus Sicht der Chinesen sind die Industrieländer für die Verschlechterung des Klimas verantwortlich. Sie wollen nicht deren Zeche zahlen. Aber die Lage ist ernst, man sollte nicht mehr zögern. Dies umso mehr, als dass viele Entwicklungs- und Schwellenländer zu den ersten Opfern der Klimaveränderung gehören werden.

swissinfo, Alain Arnaud, Shanghai
(Übertragung und Adaption aus dem Französischen: Etienne Strebel)

Der Jangtse ist mit einer Länge von 6380 km der längste Fluss Asiens und nach dem Amazonas und dem Nil der drittlängste Strom der Welt.

2800 km, von Shanghai bis Panzhihua, sind schiffbar.

Im Einzugsgebiet des Jangtse leben rund 400 Millionen Menschen.

Die Schweizer Regierung verteidigt das Prinzip einer differenzierten Mitverantwortung der Länder für die Folgen des Klimawandels.

Das Verursacherprinzip verlangt, dass die notwendigen Massnahmen im Kampf gegen die Klimaerwärmung entsprechend dem CO2-Ausstoss der einzelnen Länder finanziert werden.

Jene Staaten, welche eine wirksame Klimapolitik betreiben, sollen weniger bestraft werden als andere, und Entwicklungsländer, die wenig Treibhausgase ausstossen.

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