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Lob für Schweizer Europarats-Präsidentschaft

Überlastet mit Klagen: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg. Keystone

Die Schweiz erhält Lob von der Parlamentarischen Versammlung für ihre halbjährige Europarats-Präsidentschaft. Auch Aussenministerin Micheline Calmy-Rey zieht eine vorwiegend positive Bilanz.

Sechs Monate sind zu kurz, um alle Probleme zu lösen, die beim Europarat anstehen. Doch die Schweiz hat ein grosses Ziel erreicht: Unter ihrer Präsidentschaft wurden die Weichen für die Reform des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gestellt.

Eine Reform, die zwingend notwendig ist und über die seit Jahren diskutiert wird. Der Gerichtshof ist völlig überlastet und droht in einer Flut von Beschwerden zu versinken: Ende 2009 waren 120’000 Fälle hängig und jährlich kommen rund 2000 dazu.

Die Schweiz hatte eine verstärkte Effizienz des Gerichtshofs zur obersten Priorität ihres sechsmonatigen Vorsitzes im Ministerkomitee des Europarats erklärt, die sie am 19. November 2009 übernommen hatte.

Erklärung von Interlaken

Die 47 Mitgliedsstaaten des Europarats verabschiedeten im Februar an einer von der Schweiz organisierten Ministerkonferenz im bernischen Interlaken eine Erklärung und einen Aktionsplan für die Reform des Gerichts.

Demnach sollen verschiedene Massnahmen dafür sorgen, dass die Menschenrechte auf nationaler Ebene besser umgesetzt werden. Weiter sieht die Erklärung vor, die Anzahl unzulässiger Beschwerden zu reduzieren.

Meilenstein für Gerichtsreform

Die Erklärung von Interlaken stellt einen Meilenstein auf dem Weg zu einem effizienteren Europäischen Menschenrechts-Gerichtshof dar. Die Verdienste der Schweiz wurden auch von der Parlamentarischen Versammlung des Europarats gewürdigt. Sie gratulierte der Schweiz dafür eigens in einer Resolution.

Auch der Präsident der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, Mevlüt Cavusoglu, lobte die Schweiz wiederholt. “Wir bedanken uns bei der Schweiz für ihre Anstrengungen, dem Gerichtshof zu mehr Effizienz zu verhelfen. Diese Bemühungen geniessen die volle Unterstützung der Parlamentarischen Versammlung”, sagte Cavusoglu am Dienstag vor dem Ministerkomitee zum Abschluss des Schweizer Europarats-Präsidentschaft und der Übergabe des Vorsitzes an Mazedonien.

Der Präsident der Parlamentarischen Versammlung forderte alle Organe des Europarats auf, gemeinsam den mit der Erklärung von Interlaken eingeschlagenen Weg fortzusetzen. Er hob zudem die Intensivierung des Dialogs mit dem Ministerkomitee unter dem Schweizer Vorsitz mit “direkter und aktiver Beteiligung” von Aussenministerin Micheline Calmy-Rey hervor.

Bereichernde Erfahrung

Calmy-Rey sprach zum Abschluss der Schweizer Europarats-Vorstandes von einer bereichernden Erfahrung und bedankte sich ihrerseits für die “hervorragende Zusammenarbeit” zwischen den verschiedenen Instanzen, dank der die Schweizer Präsidentschaft “ein Erfolg” geworden sei.

Als Höhepunkt bezeichnete sie die Ministerkonferenz von Interlaken und zeigte sich zufrieden über die Ergebnisse. “Für den Schutz der Menschenrechte auf dem europäischen Kontinent ist es wesentlich , dass der Gerichtshof reibungslos funktioniert”, sagte Calmy-Rey.

Die Aussenministerin begrüsste weiter, dass Russland kurz vor der Konferenz in Interlaken das Zusatzprotokoll 14 zur Europäischen Menschenrechtskonvention ratifizierte. Moskau hatte sich lange geweigert, dieses zu ratifizieren und hatte damit die Reform des Gerichtshofs blockiert. Die Schweiz habe die Ratifizierung in den regelmässigen bilateralen Gesprächen mit Russland immer wieder angesprochen, wie Calmy-Rey sagt.

Schwierige Annäherung an Weissrussland

Die Schweiz hat sich während der Europarats-Präsidentschaft auch für eine Annäherung an Weissrussland eingesetzt. Dabei kam es namentlich zu einem Treffen zwischen Micheline Calmy-Rey und dem Präsidenten Alexander Lukashenko.

Doch trotz allen Bemühungen ist es der Schweiz nicht gelungen, die Annäherung zwischen Weissrussland und dem Europarat voranzutreiben.

Bei der Abschaffung der Todesstrafe, die Weissrussland als einziges Land in Europa noch kenne, seien leider kaum Fortschritte erzielt worden, bedauerte die Aussenministerin. Allein im März wurden in Weissrussland zwei Todesstrafen vollzogen, wie sie sagte. Ein Verbot der Todesstrafe oder als erster Schritt ein Moratorium sei jedoch zentral, so Calmy-Rey.

Sie rief dazu auf, den eingeschlagenen Weg weiterzuverfolgen: “Trotz der grosssen Schwierigkeiten bleibe ich überzeugt, dass die Annäherung weitergeführt werden muss, damit wir Weissrussland eines Tages in unsere gesamteuropäische Familie aufnehmen können.”

Sonia Fenazzi, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Italienischen: Corinne Buchser)

Die Schweiz übergab am 11. Mai die Europarats-Präsidentschaft
an Mazedonien ab.

Sie hatte am 18. November turnusgemäss für sechs Monate den Vorsitz im Ministerkomitee, dem Exekutivorgan des Europarates, übernommen.

Die Schweiz trat dem Europarat am 6. Mai 1963 als 17. Mitgliedstaat bei.

Seit 1968 verfügt sie über eine ständige Vertretung in Strassburg. Gegenwärtiger Botschafter ist Paul Widmer.

Die Schweiz bezahlt pro Jahr 2,17% des Budgets des Europarats, das sind rund 6,2 Mio. Euro.

Die Schweizer Delegation in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats besteht aus 12 National- und Ständeräten.

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