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Parlament bringt Swissness-Vorlage unter Dach

Werben mit dem Schweizer-Kreuz ist weit verbreitet. Keystone

Vier Jahre lang debattierten, tarierten und lobbyierten Politik und Wirtschaft über die Frage, wie viel Schweiz in einem Produkt stecken muss, um das Gütezeichen Schweiz tragen zu können. Jetzt hat das Parlament das Markenschutz-Gesetz überraschend deutlich gutgeheissen.

Überraschend deshalb, weil verschiedene Interessenverbände noch vor wenigen Tagen heftig lobbyierten und ein Nein vor allem im Ständerat im Bereich des Möglichen lag. Schliesslich passierte das Gesetz im National- und im Ständerat die Schlussabstimmung mit deutlichen Mehrheiten.

Künftig müssen bei Industrieprodukten mindestens 60% der Herstellungskosten – dazu gehören auch Forschung und Entwicklung – in der Schweiz anfallen. Bei Nahrungsmitteln müssen 80% des Gewichts aus Schweizer Produkten stammen, wobei es Ausnahmen geben soll. Milchprodukte müssen zu 100% schweizerisch sein.

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“Schweiz” steht drauf – wie viel ist drin?

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Es war einmal ein Land, das hatte einen guten Ruf. Und mit diesem guten Ruf liess sich ganz anständig Geld verdienen. Doch weil es seinen Namen nicht genügend schützte, machten auch andere mit diesem Namen viel Geld. Das erste Mal so richtig wahrgenommen hat dies Markenrechtler Jürg Simon an der 700-Jahr-Feier der Schweizerischen Eidgenossenschaft 1991.…

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Mehrkosten für Kleine

Damit ist die Frage, wie viel Schweiz in welchem Schweizer Produkt stecken soll, damit es als solches beworben und verkauft werden kann, grundsätzlich geklärt. “Wir werden versuchen[SP(1] , zu schauen, dass die Sache möglichst pragmatisch und vernünftig umgesetzt wird“, sagt Rudolf Horber vom Gewerbeverband mit Blick auf die konkrete Umsetzung gegenüber swissinfo.ch.

Der Gewerbeverband, der die kleinen und mittleren Industrieunternehmen (KMU) vertritt, ist nicht begeistert von der 60%-Regel bei Industrieprodukten. Er weist darauf hin, dass in Frankreich mit 45 und in Deutschland mit 50% der Anteil der Herstellungskosten tiefer festgelegt ist und kritisiert, dass in der Schweiz künftig auch der Aufwand für Forschung und Entwicklung unter die Herstellungskosten fällt. 

KMU haben weit weniger Forschungs- und Entwicklungskosten, als die grossen Multis. Deshalb warnt auch der Verband der Maschinen-, Metall- und Elektroindustrie, dass beispielsweise in der Uhrenindustrie die kleineren Hersteller im unteren und mittleren Preissegment die Mehrkosten nicht abwälzen können und damit an Konkurrenzfähigkeit verlieren würden.

Neben dem Markenschutz ist die Revision des Wappenschutz-Gesetzes der zweite Bestandteil der Swissness-Vorlage. Die Revision wurde im Parlament kaum bestritten.

Neu wird  die Verwendung des Schweizerkreuzes auch auf Schweizer Produkten erlaubt sein.

Bisher war das Schweizer Wappen grundsätzlich nur für Dienstleistungen registrierbar und durfte deshalb nur für diese verwendet werden.

Die Eidgenossenschaft, Kantone oder Gemeinden konnten allerdings auch bisher das Kreuz für Produkte verwenden.

Zweck unbestritten

Stark gemacht für den nun beschlossenen Anteil von 60% statt wie bisher 50% hat sich hingegen der Verband der Uhrenindustrie, dem auch die renommierten Luxus-Brands angehören. Das Parlament einigte sich auf 60%, worauf die Gegner von einer “Lex Hayek“ – benannt nach Nicolas Hayek, dem Swatch Group CEO – sprachen.

Trotz dem jahrelangen parlamentarischen Hin und Her und dem immensem Aufwand an Lobbying, waren und sind Zweck und Nutzen der Vorlage unbestritten: Die Marke Schweiz ist Geld Wert. Je nach Branche – sagen verschiedene Studien – kann mit dem Label ‘Swiss Made’ ein bis zu 20% höherer Preis erzielt werden. Deshalb – so die einhellige Meinung der Politik – muss die Marke Schweiz gesetzlich gegen jene Akteure geschützt werden, die daraus unberechtigterweise Profit schlagen.

Landwirte gegen Verarbeiter

Nicht nur im Bereich der Industrie schieden sich in den vergangenen Jahren die Geister, genauer die Interessen der Interessengruppen, sondern auch bei den Lebensmitteln. Landwirtschaft und Nahrungsmittelindustrie nahmen im Gesetzgebungsprozess ihre unterschiedlichen Interessen aktiv wahr. So wollte der Verband der Nahrungsmittelindustrie, dem auch Konzerne wie Nestlé oder Unilever angehören, unterscheiden zwischen schwach und hoch verarbeiteten Produkten. Der Nationalrat nahm das Anliegen ins Gesetz auf, der Ständerat lehnte es ab, und damit war es vom Tisch.

Das heisst, nun müssen auch die hoch verarbeiteten Lebensmittel einen Anteil von 80% Schweizer Rohstoffen aufweisen, um mit dem Label “Schweiz“ vermarktet werden zu können, was den Anliegen der Landwirtschaft entgegenkommt. Dabei gelten allerdings zahlreiche Ausnahmen, zum Beispiel für Rohstoffe, die es in der Schweiz nicht oder in zu kleinen Mengen gibt.

Das Schwein mit dem Kreuz

Wann ist ein Schwein ein Schweizer Schwein? Das Parlament einigte sich nach langen Debatten auf die Antwort: Ein Schwein ist ein Schweizer Schwein, wenn es mindestens die Hälfte seines Lebens im Land verbracht hat. Damit ist die Forderung vom Tisch, wonach lediglich das Fleisch von in der Schweiz geborenen und gemästete Tieren als Schweizer Fleisch verkauft werden darf.

Unbestritten blieb im vier Jahre dauernden Seilziehen, dass Milchprodukte und Käse zu 100% aus der Schweiz stammen müssen, um als “Swiss Made“ zu gelten.

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